Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Entschädigungen, die ein Landwirt von einer Erdölgesellschaft für die überlassung von landwirtschaftlichen Grundstücken zur Ablagerung von Bohrrückständen erhält, sind Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Eine durch die Ablagerung verursachte Beeinträchtigung der Ackerkrume kann in der Regel erst nach Eintritt eines endgültigen Zustandes zu nachträglichen Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führen. Der Senat tritt insoweit den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs VI 169/59 S vom 21. Oktober 1960 (BStBl 1961 III S. 45, Slg. Bd. 72 S. 119) bei.
Normenkette
EStG §§ 9, 13, 21/1, § 21 Abs. 3
Tatbestand
Der Steuerpflichtige ist buchführender Landwirt. Er hatte zu Zwecken der Erdölbohrung an eine Gewerkschaft 6974,63 qm für 0,17 DM je qm und Jahr verpachtet. Da die Gewerkschaft zur Ablagerung von Bohrrückständen Gelände benötigte, schloß er am 10. April 1953 mit ihr einen weiteren Vertrag. In diesem ist im wesentlichen folgendes bestimmt:
Der Stpfl. stellt der Gewerkschaft eine Fläche zur Ablagerung von Bohrrückständen zur Verfügung. über die abgelagerten Massen kann der Grundeigentümer nach eigenem Ermessen verfügen. Die Gewerkschaft zahlt dem Grundeigentümer eine einmalige Entschädigung von 2.500 DM. Mit der Zahlung dieser Entschädigung sind sämtliche Ansprüche abgegolten, die sich aus der Ablagerung von Bohrrückständen ergeben.
Am 25. September 1953 traf der Steuerpflichtige mit der Gewerkschaft eine zusätzliche Vereinbarung, die im wesentlichen folgenden Inhalt hatte:
Der Grundeigentümer (Stpfl.) gestattet der Gewerkschaft eine Schlammkuhle anzulegen, diese während der Bohrtätigkeit zu benutzen sowie die Bohrrückstände darin zu belassen. Mit der Beendigung der Bohrung werden die abgelagerten Rückstände Eigentum des Grundeigentümers. Etwaige Ansprüche Dritter gehen zu seinen Lasten. Der Stpfl. übernimmt auch die Verantwortung für den Zustand der Grube, besorgt die Einfriedung usw. Zur Abgeltung aller Ansprüche und Verpflichtungen, die sich für den Grundeigentümer ergeben, zahlt die Gewerkschaft einen einmaligen Betrag von 800 DM.
Hinzu kamen noch weitere mündliche Vereinbarungen, die die Gewerkschaft am 16. August 1954 wie folgt bestätigte:
"1. Die Verfügung und Verantwortung über das Schlammkuhlengelände und die darauf abgelagerten Rückstände ist bereits auf Sie übergegangen. Sie können daher mit dem Gelände und den Rückständen nach eigenem Ermessen verfahren (vgl. Vereinbarung vom 25. / 28. 9. 1953 Ziff. 2).
Sie haben es übernommen, die Bohrrückstände abzutransportieren und das Schlammkuhlengelände für die künftige landwirtschaftliche Nutzung wieder herzurichten. Sie werden beide Arbeiten sachgemäß und in eigener Verantwortung im Rahmen Ihres landwirtschaftlichen Betriebes, so schnell wie den Umständen nach möglich, durchführen.
Im Hinblick auf Ihren Mehraufwand zahlen wir Ihnen für die Verpflichtung, die Sie in den beiden früheren Vereinbarungen so wie vorstehend unter Ziff. 1 und Ziff. 2 übernommen haben, insgesamt 16.500 DM.
Mit dieser Zahlung sind alle Ansprüche abgegolten." Der Steuerpflichtige überließ auf Grund dieser Vereinbarungen der Gewerkschaft drei Schlammkuhlen, die ein Ausmaß von rd. 2500 qm hatten. Sie befanden sich in der Nähe des Bohrgeländes, jedoch örtlich unterbrochen durch ein dazwischenliegendes Weizenfeld. Von den Entschädigungen erfaßte der Steuerpflichtige im Wirtschaftsjahr 1953/54 3.300 DM (2.500 DM + 800 DM). Da der Steuerpflichtige der Ansicht war, daß infolge der Bodenbeeinträchtigung durch die Ablagerung der Schlammassen Wirtschaftserschwernisse vorlägen, bildete er in der Schlußbilanz vom 30. Juni 1954 zu Lasten des Gewinns eine Rückstellung in Höhe von 3.070 DM; 230 DM buchte er gewinnerhöhend.
Das Finanzamt veranlagte den Steuerpflichtigen für den Veranlagungszeitraum 1953 zunächst nach seiner Erklärung. Nach örtlicher überprüfung durch einen landwirtschaftlichen Sachverständigen berichtigte es den Einkommensteuerbescheid für 1953 nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO und erhöhte den land- und forstwirtschaftlichen Gewinn des Wirtschaftsjahres 1953/54.
Der Steuerpflichtige machte geltend, durch die etwa 4000 bis 5000 cbm betragende Bohrschlammablagerung, die Giftstoffe enthalte, sei das Gelände für unabsehbare Zeit zur landwirtschaftlichen Nutzung nicht geeignet. Es läge daher eine dauernde Wertverschlechterung vor. Die Entschädigung sei deshalb nach § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG 1953 einkommensteuerfrei, weil der Grund und Boden nicht in den Bestandsvergleich einbezogen werden dürfe. Er berufe sich für seine Ansicht auf den Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 23. Juli 1938 (Anlage 15 EStR 1953) und das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 105/52 U vom 18. September 1952 (BStBl 1952 III S. 307, Slg. Bd. 56 S. 800).
In der Einspruchsentscheidung strich das Finanzamt die vom Steuerpflichtigen gebildete Rückstellung in Höhe von 3.070 DM.
Die Berufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht kam zu dem Ergebnis, daß hinsichtlich der Schlammbecken 1 und 2 ein Dauerschaden vorliege. Das von der Gewerkschaft eingeholte Gutachten halte zwar eine Verwendung der Bohrrückstände durch flache Ausbrennung des Schlamms und seine Einpflügung in den Boden ohne schädliche Wirkung für möglich. Das Gericht sei aber mit dem Steuerpflichtigen der Auffassung, daß Mischungsversuche im Laboratorium und der Abtransport der Schlammrückstände unverhältnismäßig hohe Kosten erforderten. Hinsichtlich der dritten Schlammkuhle und den überfließungsstellen seien aber die Rekultivierungsarbeiten in vollem Gang. Auf dieser Fläche könne ein Dauerschaden nicht eintreten. Insoweit folge das Gericht den Feststellungen des Gutachtens. Nach Schätzung des Gerichts dürfte etwa in zehn Jahren der Normalzustand des Ackers wieder hergestellt sein. Es sei deshalb in Höhe von 4/10 der von der Gewerkschaft gezahlten Summe eine Rückstellung angebracht. Die betriebliche Einnahme von 4/10 der im streitigen Wirtschaftsjahr vereinnahmten Summe stehe aber die Last gegenüber, durch besonders intensive Kultur des Ackers den alten Zustand des Bodens wieder herzustellen. Die Zahlung von 3.300 DM sei deshalb in eine steuerfreie Entschädigung für Grund und Boden von 1.980 DM (6/10) und 1.320 DM (= 4/10) für Flächen, die rekultiviert werden könnten, aufzuteilen. In der Bilanz vom 30. Juni 1954 sei ein Betrag von 1.188 DM (1.320 DM ./. 132 DM) als Rückstellung auszuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts, mit der Verletzung bestehenden Rechts und wesentliche Verfahrensmängel gerügt werden, führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen.
Dem Finanzgericht kann darin nicht beigetreten werden, daß es auf die Art der abgeschlossenen Verträge nicht ankomme. Die rechtliche Würdigung der Verträge ist vielmehr für die Beurteilung der Frage, in welche Einkunftsart die erzielten Einkünfte einzuordnen sind, entscheidend. Von der zutreffenden Einordnung sind weiterhin alle Folgerungen abhängig, die sich aus der Beeinträchtigung des Grund und Bodens durch die Schlammablagerung ergeben können. Die vom Steuerpflichtigen mit der Gewerkschaft in den Jahren 1953 und 1954 getroffenen Vereinbarungen bezüglich der Ablagerung von Schlammengen können nicht losgelöst von dem mit der Gewerkschaft abgeschlossenen Pachtvertrag über das Bohrgelände selbst betrachtet werden. Dem Finanzamt ist darin zuzustimmen, daß die Nachtragsvereinbarungen in engem wirtschaftlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Pachtvertrag stehen. Die Tatsache, daß die Schlammkuhlen nicht unmittelbar an das Bohrgelände anschließen, ist nicht entscheidend. Fest steht, daß die Gewerkschaft das Schlammkuhlengelände nicht benötigt haben würde, wenn sie nicht Versuchsbohrungen nach Erdöl vorgenommen hätte. Die Vereinbarung, auf Grund deren der Steuerpflichtige von der Gewerkschaft eine einmalige Entschädigung für sämtliche durch die Benutzung des Geländes eintretenden Nachteile (Nutzungsentgang, Wertminderung des Grund und Bodens, Abtransport der Schlammassen und übernahme der Verkehrssicherungspflicht) erhielt, stellt eine im Rahmen der Vertragsfreiheit mögliche und zulässige Zusatzvereinbarung zu dem zwischen der Gewerkschaft und dem Steuerpflichtigen abgeschlossenen Pachtvertrag über das Bohrgelände dar. Stellen somit die Zusatzvereinbarungen Bestandteile des Pachtvertrages dar, so sind die steuerlichen Folgerungen für die Behandlung des Pachtentgelts und der Entschädigung einheitlich zu ziehen. Nach dem Urteil des VI. Senats des Bundesfinanzhofs VI 169/59 S vom 21. Oktober 1960 (BStBl 1961 III S. 45, Slg. Bd. 72 S. 119) führen Einnahmen der Landwirte aus Verträgen, deren Gegenstand die überlassung einzelner Grundstücke an Erdölgesellschaften zur Ausbeutung des unter der Erdoberfläche vermuteten Erdölvorkommens ist, sowohl bürgerlichrechtlich als auch steuerlich zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) und nicht aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG). Zu den Einnahmen gehören die sog. Oberflächenentschädigungen. Der Senat tritt dieser Rechtsauffassung bei. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die Entgelte in wiederkehrenden Leistungen oder in einmaligen Zahlungen (Entschädigungen) bestehen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI 331/38 vom 15. Juni 1938, RStBl 1938 S. 870). Dem steht nicht entgegen, daß mit der Entschädigung verschiedene gegenwärtige und künftige Nachteile, u. a. auch entgehende landwirtschaftliche Einnahmen abgegolten wurden. Es ist mit dem Begriff der Pacht- oder Mietzinsen als Gegenleistung für die überlassung bestimmter Grundstücke vereinbar, daß bei der Bemessung der Vergütung derartige Gesichtspunkte berücksichtigt werden.
Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung können nur dann nach § 21 Abs. 3 EStG den landwirtschaftlichen Einkünften zugerechnet werden, wenn sie zu diesen gehören. Voraussetzung ist dann, daß die Verpachtung in engem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb steht (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 318/36 vom 6. Mai 1936, RStBl 1936 S. 985). Der Reichsfinanzhof maß zwar in diesem Urteil der Größe der verpachteten Fläche im Verhältnis zum landwirtschaftlich genutzten Teil eine gewisse Bedeutung bei, wenn der Landwirt Flächen zur landwirtschaftlichen Nutzung verpachtet. In den Fällen aber, in denen landwirtschaftliche Flächen zweckentfremdet verwendet würden, komme es auf ihre Größe in der Regel nicht an. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung lägen in einem solchen Falle auch dann vor, wenn ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Pachtvertrag über das Bohrgelände nicht bestünde, es sei denn, die Einnahmen seien geringfügig. Da die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Verhältnis zu den land- und forstwirtschaftlichen Einkünften nicht geringfügig sind, scheidet eine Anwendung des § 21 Abs. 3 EStG aus (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 517/36 vom 28. April 1937, RStBl 1937 S. 899, und VI A 691/36 vom 26. Mai 1937, RStBl 1937 S. 987, ebenso VI 323/43 vom 21. Juni 1944, RStBl 1944 S. 546).
Innerhalb der Einkunftsart "Vermietung und Verpachtung" sind Rückstellungen oder Rücklagen nicht zulässig. Man könnte daran denken, die durch die Schlammablagerung zunächst eingetretene Beeinträchtigung der Ackerkrume sogleich als einen zu Werbungskosten führenden Substanzeinsatz zu würdigen. Dann wären spätere Aufwendungen zur Wiederherstellung der Ackerkrume in gleicher Höhe nicht abzugsfähig. Da indessen bei der Ungewißheit der endgültigen Beeinträchtigung der Ackerkrume und der Möglichkeit, durch bestimmte Kultivierungsarbeiten die Ackerkrume später wieder herzustellen, im Zeitpunkt der Schlammablagerung noch nicht mit hinreichender Sicherheit gesagt werden kann, ob die Ackerkrume endgültig und unwiederherstellbar vernichtet ist, erscheint es in Fällen der vorliegenden Art gerechtfertigt, dem oben bezeichneten Urteil VI 169/59 S entsprechend Werbungskosten auf Grund der Beeinträchtigung der Ackerkrume erst nach Herbeiführung eines endgültigen Zustandes anzuerkennen. Das war im Wirtschaftsjahr 1953/54 noch nicht der Fall. Die von anderen rechtlichen Erwägungen ausgehenden Vorentscheidungen waren aufzuheben.
Die Sache ist nicht spruchreif. Das Finanzamt, an das die Sache zur erneuten Prüfung zurückgeht, wird die Höhe der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Kalenderjahr 1953 zu ermitteln haben. Zu beachten ist hierbei, daß im land- und forstwirtschaftlichen Gewinn 1953, soweit die Akten erkennen lassen, Pachteinnahmen aus der überlassung des Bohrgeländes in Höhe von rund 1.297 DM enthalten sind. Ob das auch im Wirtschaftsjahr 1953/54 der Fall ist, kann aus den Akten nicht ersehen werden. Es muß deshalb ermittelt werden, in welcher Höhe im Kalenderjahr 1953 dem Steuerpflichtigen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung tatsächlich zuflossen (§ 11 EStG). Es bestehen keine Bedenken, daß der Teil der Einkünfte, der sich im Kalenderjahr 1952 im Rahmen des in diesem Jahr erfaßten hälftigen Gewinnanteils aus Land- und Forstwirtschaft des Wirtschaftsjahres 1952/53 bereits rechtskräftig auswirkte, von den im Jahr 1953 zugeflossenen Einnahmen abgezogen wird. Die in den Gewinnanteilen der Wirtschaftsjahre 1952/53 und 1953/54 erfaßten Pachteinnahmen können, soweit sie im land- und forstwirtschaftlichen Gewinn 1953 enthalten sind, als Kapitaleinlagen betrachtet werden.
Fundstellen
Haufe-Index 410873 |
BStBl III 1964, 116 |
BFHE 1964, 289 |
BFHE 78, 289 |