Leitsatz (amtlich)

Der Gewinnabzug nach § 77 Abs. 1 EStDV für bestimmte Wirtschaftsgüter des beweglichen Anlagevermögens steht Land und Forstwirten nur zu, wenn sie diese Wirtschaftsgüter für den eigenen landwirtschaftlichen Betrieb als Anlagevermögen angeschafft haben.

 

Normenkette

EStG 1965 § 51 Nr. 2k; EStDV 1965 § 77 Abs. 1

 

Tatbestand

Bei der Einkommensteuerveranlagung 1964 ist streitig, ob der Steuerpflichtige für die Anschaffung eines Ackerschleppers, einer Heumaschine und eines Ladewagens die Steuervergünstigung des § 77 EStDV 1965 in Anspruch nehmen kann.

Der Kläger (Steuerpflichtiger) bewirtschaftete als Landwirt einen ca. 40 ha großen landwirtschaftlichen Hof. Er war im Streitjahr nicht buchführungspflichtig und führte auch freiwillig keine Bücher. Das FA schätzte seinen Gewinn auf 12 464 DM. Im Einspruchsverfahren begehrte der Steuerpflichtige erstmals für einen Ackerschlepper, eine Heumaschine und einen Ladewagen, die er im Februar und März 1965 für einen Gesamtbetrag von 11 947 DM gekauft hatte, den Gewinnabzug (25 v. H. der Anschaffungskosten) nach § 77 EStDV 1965. Das FA lehnte die Gewährung dieser Steuervergünstigung ab, weil der Steuerpflichtige die angeschafften Wirtschaftsgüter nicht seinem Betrieb zugeführt habe, sondern als Ausstattung seinem Sohn für dessen landwirtschaftlichen Betrieb geschenkt habe.

Mit der Klage trug der Steuerpflichtige vor, es sei richtig, daß er die Wirtschaftsgüter am 1. Mai 1965 seinem Sohn übergeben habe, der ab diesem Zeitpunkt einen eigenen Hof bewirtschaftet habe. Die Wirtschaftsgüter seien mit dem Einkaufswert dem Betriebe entnommen worden. Der Sohn stelle ihm die Geräte aber nach Bedarf zur Verfügung. Sie dienten den landwirtschaftlichen Betrieben von Sohn und Vater. Demgegenüber machte das FA geltend, der Steuerpflichtige habe die Maschinen von vornherein in der Absicht erworben, sie seinem Sohn als Ausstattung für dessen Hof zu schenken. In der Zeit zwischen der Anschaffung und der Weitergabe an den Sohn habe er die speziell für die Heuernte gebaute Heumaschine und den Ladewagen wegen der Jahreszeit im eigenen Betrieb gar nicht einsetzen können. Die kürzeste Entfernung zwischen dem Hof des Steuerpflichtigen und dem Hof seines Sohnes betrage 31,4 km. Der Transport der Maschinen über diese Strecke sei so zeitraubend und kostspielig, daß sich die Mitbenutzung durch den Steuerpflichtigen nicht lohne. Außerdem sei eine Mitbenutzung auch nicht erforderlich, da dem Steuerpflichtigen seine eigenen Gerätschaften für die Heuernte zur Verfügung stünden. Hieraus ergebe sich, daß die Maschinen bereits bei der Anschaffung notwendiges Privatvermögen des Steuerpflichtigen gewesen seien und deshalb die nur für das Betriebsvermögen zulässige Begünstigung des § 77 EStDV nicht in Betracht komme.

Die Klage hatte Erfolg. Das FG führte aus, der Auffassung des FA, daß trotz Vorliegens aller in § 77 Abs. 1 EStDV enthaltenen Voraussetzungen diese Vergünstigungsvorschrift auf den Streitfall nicht anzuwenden sei, weil der Steuerpflichtige die Maschinen seinem Sohn geschenkt habe, könne nicht gefolgt werden. Die Steuervergünstigung werde dem Erwerber nicht in Form einer Sonderabschreibung gewährt, die möglicherweise nur für das eigene Betriebsvermögen zulässig wäre, sondern als Gewinnabzug, der die Abschreibung nicht berühre. Die Frage, ob die Maschinen im Zeitpunkt der Anschaffung in das Betriebsvermögen oder in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen überführt worden seien, könne deshalb dahingestellt bleiben. § 77 EStDV gelte seinem Wortlaut nach für bestimmte Wirtschaftsgüter und nicht nur für Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens. Die Vorschrift begünstige sowohl Anschaffungen für Zwecke der eigenen Landwirtschaft als auch ganz allgemein Anschaffungen durch einen Landwirt. Auch wenn die vom Steuerpflichtigen erworbenen Maschinen - entsprechend der Auffassung des FA - wegen einer schon im Zeitpunkt der Anschaffung bestehenden Schenkungsabsicht als Privatvermögen behandelt werden müßten, würde die Anschaffung nach dem Wortlaut des § 77 EStDV doch begünstigt sein. Hätte der Verordnungsgeber nur Anschaffungen für den eigenen Betrieb gemeint, so wäre es leicht möglich gewesen, die Regelung entsprechend eindeutig zu fassen. Auch der Sinn der Vorschrift stehe ihrer Anwendung im Streitfalle nicht entgegen. Ein Grund für eine den Wortlaut des § 77 EStDV einengende Auslegung in der Weise, daß nur Anschaffungen für Zwecke der eigenen Landwirtschaft begünstigt würden, sei nicht ersichtlich. Durch den Gewinnabzug solle die Anschaffung moderner landwirtschaftlicher Geräte erleichtert und damit die Landwirtschaft gefördert werden. Bei den in Anlage 1 zur EStDV aufgezählten Geräten, deren Erwerb begünstigt sei, handle es sich um solche, die ihrer Beschaffenheit nach nur betrieblich in der Land- und Forstwirtschaft verwendet werden könnten. Eine dem Sinn der Verordnung widersprechende mißbräuchliche Benutzung für Privatzwecke sei praktisch ausgeschlossen. Tatsächlich dienten die Maschinen im Streitfall einem landwirtschaftlichen Betrieb, wenn auch nicht dem Betrieb des Steuerpflichtigen, sondern dem des Sohnes. Bei sinngemäßer Auslegung des § 77 Abs. 1 EStDV komme es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige beabsichtigt habe, die Maschinen nach der Übereignung an den Sohn auch in seinem eigenen Betrieb mitzubenutzen oder ob er dieses Vorhaben tatsächlich verwirklicht habe.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 77 EStDV.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Nach der gesetzlichen Ermächtigung des § 51 Abs. 1 Nr. 2k EStG 1965 konnte die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Vorschriften erlassen über eine Abschreibungsfreiheit oder Steuerermäßigungen für bestimmte Wirtschaftsgebäude, für Um- und Ausbauten an Wirtschaftsgebäuden, für Hofbefestigungen und Wirtschaftswege, für bestimmte bewegliche Güter des Anlagevermögens einschließlich Betriebsvorrichtungen bei buchführenden und nicht buchführenden Land- und Forstwirtschaften. Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung durch die Bestimmungen der §§ 76 bis 78 EStDV 1965 Gebrauch gemacht. Für den vorliegenden Fall eines Landwirts, der im Streitjahr nicht zur Buchführung verpflichtet war und auch keine Bücher führte und dessen Gewinn nicht nach der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft (VOL) ermittelt wurde, kam § 77 EStDV 1965 in Betracht. Danach konnten diese Landwirte bei Anschaffung oder Herstellung der in den Anlagen 1 und 2 zu dieser Verordnung bezeichneten beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgüter und bei Um- und Ausbauten an unbeweglichen Wirtschaftsgütern im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung bei beweglichen Wirtschaftsgütern bis zur Höhe von insgesamt 25 v. H., bei unbeweglichen Wirtschaftsgütern und Um- und Ausbauten an unbeweglichen Wirtschaftsgütern bis zur Höhe von insgesamt 15 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vom Gewinn abziehen. Die Anlage 1 zu dieser Verordnung trägt die Überschrift "Verzeichnis der Wirtschaftsgüter des beweglichen Anlagevermögens i. S. des § 76 Abs. 1 Nr. 1, des § 77 Abs. 1 Nr. 1 und des § 78 Abs. 1 und 2". In ihm sind u. a. Ackerschlepper und dazugehörige Anhängemaschinen und Anhängegeräte, Erntemaschinen und andere Geräte zur Feldbearbeitung aufgeführt.

Da im gesamten Steuerrecht unter dem Begriff "Wirtschaftsgut des beweglichen Anlagevermögens" nur Anlagegüter eines Betriebsvermögens verstanden werden, kann es schon nach diesem Wortlaut nicht zweifelhaft sein, daß sowohl der Gesetzgeber als auch der Verordnungsgeber steuerpflichtige Landwirte nur hinsichtlich der Anschaffung von Wirtschaftsgütern ihres landwirtschaftlichen Betriebsvermögens begünstigen wollte. Das ergibt sich auch daraus, daß der Gewinn auch eines Landwirts - entsprechend dem handelsrechtlichen Gewinnbegriff - nur durch die Anschaffungskosten von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens, nicht durch die Anschaffung von Privatvermögen gekürzt werden kann. Im übrigen entspricht es dem Sinn und Zweck der §§ 76 bis 78 EStDV 1965, die nach dem Willen des Gesetzgebers Rationalisierungsmaßnahmen der Land- und Forstwirte zur Fortentwicklung ihrer Betriebe fördern wollen, und zwar durch die steuerliche Begünstigung bei der Anschaffung und Herstellung moderner Arbeitsmaschinen und moderner betrieblicher Gebäude und Anlagen, daß nur die Anschaffung und Herstellung solcher Wirtschaftsgüter für den eigenen Betrieb, also von eigenem Betriebsvermögen begünstigt werden sollte.

Der Steuerpflichtige kann demnach den Gewinnabzug des § 77 EStDV für die Anschaffung des Ackerschleppers, der Heumaschine und des dazugehörigen Ladewagens nur in Anspruch nehmen, wenn es sich um die Anschaffungskosten von eigenem Betriebsvermögen, und zwar von Anlagegütern handelte. Zum Betriebsvermögen und insbesondere zum Anlagevermögen des Steuerpflichtigen gehörten diese Maschinen und Geräte nur dann, wenn er sie als Inventar für seinen Betrieb angeschafft hat, sie also als ihm gehörig dazu bestimmt waren, seinem Betriebe als Acker- bzw. als Erntegeräte zu dienen. Wurden sie hingegen - wie das FA behauptet - vom Steuerpflichtigen von vornherein mit der Zweckbestimmung angeschafft, sie dem Sohne als Ausstattung zu schenken, damit dieser sie in seinem eigenen Betriebe als Betriebsvermögen verwenden könne, dann gehörten die Wirtschaftsgüter zu keinem Zeitpunkt zum beweglichen Anlagevermögen des Steuerpflichtigen, und er kann infolgedessen für ihre Anschaffungskosten auch nicht den Gewinnabzug nach § 77 EStDV in Anspruch nehmen.

Gegen dieses Ergebnis läßt sich nicht einwenden, es könne schon deshalb nicht richtig sein, weil es unter Umständen dazu führe, daß für die im Verzeichnis zu den §§ 76 bis 78 EStDV aufgeführten landwirtschaftlichen Maschinen, die unstreitig nur als Betriebsvermögen in einem landwirtschaftlichen Betrieb Verwendung fänden, niemand den Gewinnabzug nach den genannten Vorschriften geltend machen könne. Denn das wäre nur darauf zurückzuführen, daß der Steuerpflichtige einerseits dem Sohne für dessen Betriebsvermögen neue landwirtschaftliche Maschinen schenken, andererseits aber den Gewinnabzug des § 77 EStDV dafür selbst in Anspruch nehmen wollte. Es ist offenbar, daß darin - steuerlich gesehen - ein widersprüchliches Verhalten läge, das zu den vom Gesetzgeber nicht gewollten Folgerungen führen müßte. Gewinnminderungen kann jeder Landwirt nur durch die Anschaffung von eigenem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen erlangen. Demnach hätte hier nur der Sohn des Steuerpflichtigen den Gewinnabzug in Anspruch nehmen können, wenn er selbst mit dem Ausstattungsbetrag des Vaters die Maschinen angeschafft hätte.

Da das FG davon ausgegangen ist, daß es für die Vergünstigung des § 77 EStDV nicht darauf ankomme, ob die angeschafften Wirtschaftsgüter zum Betriebsvermögen oder zum Privatvermögen des betreffenden Steuerpflichtigen gehörten, und infolgedessen zu dieser Frage auch keine Tatsachenfeststellungen getroffen hat, muß die Vorentscheidung wegen Rechtsirrtums aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden. Das FG hat nunmehr Feststellungen darüber zu treffen, ob die Wirtschaftsgüter vom Steuerpflichtigen für den eigenen Betrieb als Anlagevermögen oder von vornherein mit der Zweckbestimmung angeschafft wurden, sie dem Sohne für dessen landwirtschaftlichen Betrieb zu schenken.

Gemäß § 143 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung wird dem FG auch die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens übertragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413327

BStBl II 1972, 940

BFHE 1973, 123

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