Leitsatz (amtlich)
Bei der Ermittlung des gemeinen Werts von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft müssen solche Umstände außer Betracht bleiben, die auf den persönlichen Verhältnissen der Gesellschafter beruhen.
Normenkette
BewG 1965 § 9 Abs. 2 letzter Satz, Abs. 3, § 11 Abs. 2
Tatbestand
Die Klägerin, eine GmbH, betreibt in gemieteten Betriebsräumen eine Fabrik. An ihrem voll eingezahlten Stammkapital von 20 000 DM sind je zur Hälfte die Beigeladene zu 1., ebenfalls eine GmbH, und der Beigeladene zu 2., alleiniger Gesellschafter der Beigeladenen zu 1., beteiligt. Das FA hat durch Bescheid vom 6. November 1957 den gemeinen Wert der Anteile an der Klägerin zum 31. Dezember 1965 auf 3 516 DM je 100 DM Stammkapital festgestellt. Es hat dabei den von der Klägerin wegen Vorliegens besonderer Umstände im Sinne von Abschn. 79 Abs. 3 VStR 1966 in Höhe von 30 v. H. beantragten Abschlag nicht zugelassen. Mit dem Einspruch beantragte die Klägerin weiterhin einen Abschlag von 30 v. H. Sie begründete ihren Antrag wie folgt: Sie habe keine eigene Rohstoffproduktion, sondern werde von der Beigeladenen zu 1. mit Rohstoffen versorgt. Der Geschäftsbetrieb vollziehe sich in gemieteten Räumen. Ein Verkauf ihres Unternehmens sei dadurch kaum realisierbar. Wegen des Fehlens geeigneter Interessenten seien die Anteile wirtschaftlich unverkäuflich. Der Einspruch blieb erfolglos.
Die Klage hatte, nach dem das FG die beiden Gesellschafter der Klägerin zum Verfahren beigezogen hatte, zum Teil Erfolg. Das FG gewährte, dem Antrag des FA entsprechend, einen Abschlag von 15 v. H. und stellte den gemeinen Wert der Anteile an der Klägerin zum 31. Dezember 1965 auf 2989 v. H. fest. Im übrigen wurde die Klage abgewiesen. Das FG gewährte den Abschlag unter Hinweis auf das Urteil des BFH III 359/61 vom 15. Oktober 1964 (HFR 1965, 153) deswegen, weil die Klägerin ihren Fabrikbetrieb nicht in eigenen, sondern gemieteten Räumen unterhalte. Die weiter von der Klägerin geltend gemachten Gründe, insbesondere die wirtschaftliche Unverkäuflichkeit der Anteile, sah das FG nicht als ausreichend an, einen höheren Abschlag zu gewähren.
Mit der Revision beantragt die Klägerin, unter Aufhebung des FG-Urteils den gemeinen Wert der Anteile zum 31. Dezember 1965 auf 2 461 DM je 100 DM Stammkapital, d. h. unter Gewährung eines Abschlags von 30 v. H., festzustellen und die Zuziehung der Bevollmächtigten der Klägerin für das Vorverfahren für notwendig zu erklären. Die Revision wird auf Rechtsverstöße gestützt, sie wird im wesentlichen wie folgt begründet: Der Umstand, daß die Klägerin keine eigene Rohstoffproduktion habe, müsse zur Gewährung eines zusätzlichen Abschlags führen, weil im Falle des Erwerbs der Anteile durch eine fremde Person der Klägerin dieser Vorteil nicht mehr gewährt werden würde und dadurch zu einer Verteuerung des Ankaufs von Rohstoffen führen würde. Auch weitere Vorteile, die die Klägerin durch die betriebliche Verflechtung mit ihrer Schwestergesellschaft habe, würden einem dritten Anteilseigner nicht gewährt werden. Dazu gehörten die Mitbenutzung des Gleisanschlusses und der Straßenzufahrt der Schwestergesellschaft, die Übernahme der Lohnbuchhaltung, der Buchführung und des Auslandsverkaufs durch die entsprechenden Abteilungen der Schwestergesellschaft gegen angemessenes Entgelt. Die Bewertungsgrundsätze für in Liquidation befindliche Unternehmen könnten entgegen der Auffassung des FG auch nicht analog auf die Klägerin angewandt werden. Das vom FG zitierte Urteil des RFH III 52/42 vom 24. September 1942 (RStBl 1942, 1052) betreffe personenbezogene Kapitalgesellschaften. Die Klägerin sei jedoch keine personenbezogene Kapitalgesellschaft. Die Anwendung des RFH-Urteils würde im übrigen einen Durchgriff auf die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft bedeuten, der nach der Rechtsprechung des BVerfG verfassungsrechtlich nicht zulässig sei.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es hält die Vorentscheidung für zutreffend.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Es ist dem FG im Ergebnis darin zuzustimmen, daß ein höherer Abschlag als 15 v. H. vom gemeinen Wert der Anteile an der Klägerin zum 31. Dezember 1965 nicht gewährt werden kann. Die Klägerin will bei der Bemessung dieses Abschlags berücksichtigt haben, daß die Anteile wirtschaftlich nur schwer zu veräußern seien, weil bei einem Erwerb durch einen Dritten die Vorteile, die sie aus der betrieblichen Verbindung mit der Schwestergesellschaft habe, wegfallen würden. Dieser Umstand kann jedoch bei der Ermittlung des gemeinen Werts der Anteile an der Klägerin aus folgenden Erwägungen nicht berücksichtigt werden:
Der Senat hat im Urteil III 21/64 vom 11. Juli 1967 (BFH 89, 479, BStBl III 1967, 666) entschieden, daß bei der Bewertung der Anteile einer Familiengesellschaft, bei der sich nahe verwandte Anteilseigner gegenseitige Beschränkungen bei der Veräußerung und Vererbung der Anteile auferlegt hatten, kein Abschlag gewährt werden könne. Im Streitfall handelt es sich zwar nicht um eine Familiengesellschaft. Es liegen auch keine satzungsmäßigen Verfügungsbeschränkungen hinsichtlich der Anteile an der Klägerin vor. Die im Urteil III 21/64 (a. a. O.) entwickelten Gedankengänge sind jedoch auf den Streitfall zu übertragen. Für den Senat war damals maßgebend, daß die schon bei der Gründung der Kapitalgesellschaft vereinbarte Verfügungsbeschränkung auf den persönlichen eigenen Bindungen der Gründungsgesellschafter untereinander beruhten, daß es sich also um persönliche Verhältnisse im Sinne des § 10 Abs. 3 BewG (jetzt § 9 Abs. 3 BewG 1965) handelte, die nach § 10 Abs. 2 letzter Satz BewG a. F. (jetzt § 9 Abs. 2 letzter Satz BewG 1965) bei der Ermittlung des gemeinen Werts nicht zu berücksichtigen sind. Auch im Streitfall beruhen alle die Umstände, die nach der Behauptung der Klägerin praktisch zu einer Unveräußerlichkeit der Anteile führen, auf persönlichen Verhältnissen, nämlich auf der Tatsache, daß die Klägerin von dem Beigeladenen zu 2. gegründet wurde. Es spielt dabei keine Rolle, daß der Beigeladene zu 2. die Hälfte der Anteile an der Klägerin der Beigeladenen zu 1. überlassen hat, weil er alleiniger Gesellschafter dieser GmbH ist. Die Gründung der Klägerin erfolgte offensichtlich zu dem Zweck, den Betrieb der Beigeladenen zu 1. dadurch zu fördern, daß die Klägerin die von der Beigeladenen zu 1. hergestellten Rohstoffe verarbeitete. Es liegt wirtschaftlich betrachtet ein einheitliches Unternehmen vor, das nur rechtlich in zwei verschiedene GmbH aufgeteilt ist. Die Regelung der Beziehungen dieser beiden GmbH zueinander liegt im gegenseitigen Interesse. Sie erklärt sich nur aus der Identität des Haupt- bzw. Alleingesellschafters der beiden GmbH. Der Senat ist deshalb der Auffassung, daß eine sich aus dieser Regelung ergebende schwere Veräußerlichkeit der Anteile auf persönlichen Verhältnissen beruht, die nach § 9 Abs. 2 letzter Satz BewG 1965 bei der Ermittlung des gemeinen Werts der Anteile an der Klägerin unberücksichtigt bleiben müssen. Ein unerlaubter Durchgriff im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG ist entgegen der Auffassung der Klägerin darin nicht zu erblicken. Der gemeine Wert ist ein objektiver Wert. Bei seiner Ermittlung müssen deshalb alle Umstände unberücksichtigt bleiben, die nur auf den persönlichen Verhältnissen des Eigentümers der zu bewertenden Wirtschaftsgüter beruhen. Bei der Ermittlung des gemeinen Werts von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft bedeutet das, daß solche Umstände außer Betracht bleiben müssen, die auf den persönlichen Verhältnissen der Gesellschafter beruhen.
Fundstellen
Haufe-Index 425928 |
BStBl II 1972, 313 |
BFHE 1972, 373 |