Leitsatz (amtlich)
Die zur Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen für Kraftfahrzeuge des Anlagevermögens nach § 14 BHG 1959 erforderliche räumliche und zeitliche Bindung mit Berlin (West) setzt voraus, daß die Fahrzeuge in jedem Jahr des Dreijahreszeitraums, nicht nur im Durchschnitt der drei Jahre, überwiegend und regelmäßig, d. h. ohne größere zeitliche Unterbrechung, im Verkehr in Berlin (West) bzw. von und nach Berlin (West) eingesetzt werden.
Normenkette
BHG 1959 § 14
Tatbestand
Der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtiger) betreibt eine Spedition und den Güterfern- und Nahverkehr mit zusammen über 50 Lastkraftwagen (LKW) und Anhängern. Dazu unterhält er drei Betriebstätten in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) und eine in Berlin (West). Bei seiner Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich nach § 5 EStG nahm er für 11 LKW oder Anhänger, die er in den Streitjahren 1960 und 1961 für seine Betriebstätte in Berlin (West) erwarb, erhöhte Absetzungen nach § 14 des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West) - BHG - i. d. F. des Fünften Gesetzes zur Änderung des BHG vom 25. März 1959 - BHG 1959 - (BStBl I 1959, 195) in Anspruch. Durch eine Betriebsprüfung stellte der Revisionsbeklagte (FA) fest, daß der Steuerpflichtige die Fahrzeuge in der Zeit von 1960 oder 1961 bis 1964 nicht nur im Verkehr von und nach Berlin (West), sondern auch für den Güterverkehr in der BRD eingesetzt hatte. Auf den Verkehr von und nach Berlin (West) allein entfielen bei den 11 in Betracht kommenden Fahrzeugen Anteile von je einmal 17, 31, 34, 36, 38 und 42 v. H., zweimal 25 v. H. und dreimal 24 v. H.
Das FA versagte dem Steuerpflichtigen die erhöhten Absetzungen nach § 14 BHG 1959 für diese Fahrzeuge, weil sie überwiegend in der BRD eingesetzt worden seien und die räumliche Bindung an Berlin (West) fehle. Das FG entsprach dem Klageantrag unter Bezugnahme auf die Urteile des BFH IV 13/63 U vom 18. Februar 1965 (BFH 82, 322, BStBl III 1965, 362) und IV R 37/67 vom 10. August 1967 (BFH 90, 80, BStBl III 1967, 750). Die Auslegung habe sich hier nach dem Gesetzeswortlaut zu richten, der nicht dem Zweck des Gesetzes widerspreche. Die Vergünstigung entfalle nur dann, wenn ein Fahrzeug vorzeitig aus dem Betriebsvermögen der Betriebstätte in Berlin (West) entfernt werde oder seine betriebliche Nutzung aufhöre. Solange keine Umgehung nach § 6 des Steueranpassungsgesetzes vorliege, könne daraus allein, daß ein Fahrzeug nur in geringem Umfang eingesetzt werde, nicht geschlossen werden, es sei nicht mehr im Betriebsvermögen der Betriebstätte in Berlin (West) verblieben.
Der Revisionskläger (FA) beantragt, das FG-Urteil, das nicht ausreichend den Zweck des § 14 BHG 1959 berücksichtigt habe, aufzuheben und die Klage gegen die Einspruchsentscheidung des FA abzuweisen. Das bloße Verbleiben eines Wirtschaftsguts in einer Betriebstätte in Berlin (West), ohne wenigstens dort überwiegend genutzt zu werden, würde zu einer mißbräuchlichen Ausnutzung der Vergünstigung führen. Das lasse sich im Streitfall der Tatsache entnehmen, daß der Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum 1961 von insgesamt 280 586 DM Investitionskosten für Kraftfahrzeuge den Betrag von 238 384 DM für in Berlin (West) zugelassene und konzessionierte, aber überwiegend in der BRD eingesetzte Kraftfahrzeuge verwendet habe. Noch deutlicher werde dieses Mißverhältnis durch den Vergleich der in den einzelnen Betriebstätten aufgewendeten Lohnsummen:
1960 1961
Betriebstätte in Berlin (West) 16 000 DM 19 000 DM
Betriebstätten in der BRD 481 000 DM 573 000 DM
Der Steuerpflichtige beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er bezieht sich auf die dem BHG obliegende allgemeine Förderungsaufgabe für die Wirtschaft von Berlin (West). Die rechtliche Beurteilung des FG sei nicht nur durch den Sinn des § 14 BHG 1959 gedeckt, sondern ergebe sich zwanglos aus dem Wortlaut des Gesetzes.
Mit Schreiben vom 31. August 1968 hat der Bevollmächtigte des Steuerpflichtigen die Klage gemäß § 72 Abs. 1 FGO zurückgenommen. Das FA hat hierzu jedoch seine Einwilligung versagt. Nach dem Urteil des BFH VI R 5/68 vom 17. Mai 1968 (BFH 92, 392, BStBl II 1968, 570), das bei gleichen Zweifelsfragen dem gleichen Steuerpflichtigen als Revisionskläger die Rückzahlung von Investitionszulagen nach § 21 Abs. 5 BHG i. d. F. v. 26.7.1962 - BHG 1962 - (BStBl I 1962, 998) auferlegt habe, bestehe ein vordringliches Interesse daran, auch bezüglich der einkommensteuerlichen erhöhten Absetzungen nach § 14 BHG 1959 durch eine höchstrichterliche Entscheidung Klarheit zu erlangen.
Die Klagerücknahme kann mangels Zustimmung des Beklagten (und Revisionsklägers) nicht wirksam werden (§ 72 Abs. 1 Satz 2 FGO).
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen FG-Urteils und zur Abweisung der Klage.
Nach § 14 Abs. 1 BHG 1959 können für abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens unter bestimmten Voraussetzungen im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung und in den beiden folgenden Wirtschaftsjahren bis zu 75 v. H. erhöhte Absetzungen abweichend von der normalen Absetzung für Abnutzung nach § 7 EStG vorgenommen werden. Voraussetzung dafür ist erstens die Zugehörigkeit der Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen einer in Berlin (West) belegenen Betriebstätte, zweitens für bewegliche Anlagegüter, daß sie mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in einer in Berlin (West) belegenen Betriebstätte verbleiben. Die vom FG als Bestätigung seiner Rechtsanschauung angeführten, zu § 14 BHG 1959 ergangenen BFH-Urteile lassen die Steuervergünstigung unberührt, wenn das Wirtschaftsgut vor Ablauf der drei ersten Jahre an einen anderen Unternehmer zur Verwendung in seiner Betriebstätte in Berlin (West) veräußert wird (Urteil IV 13/63 U, a. a. O.) und fordern die Rückgängigmachung der erhöhten Absetzungen, wenn die Wirtschaftsgüter innerhalb von drei Jahren nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in das Privatvermögen überführt werden (Urteil IV R 37/67, a. a. O.). Diese Entscheidungen betreffen nicht den vorliegenden Streitfall. Im Urteil VI R 5/68, a. a. O., hat der BFH entschieden, daß von dem gleichen Steuerpflichtigen wie im Streitfall die Investitionszulage nach § 21 Abs. 5 BHG 1962 zurückzufordern sei, weil die Wagen nicht mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung in jedem Jahr überwiegend im Verkehr in Berlin (West) bzw. von und nach Berlin (West) eingesetzt worden sind. Der BFH hat damit die im Erlaß des Senators für Finanzen Berlin vom 21. April 1961 (Steuer- und Zollblatt für Berlin 1961 S. 315) vertretene Auffassung abgelehnt, daß die erforderliche räumliche Bindung eines Fahrzeuges unabhängig von seinem Einsatz solange gegeben sei, als das Fahrzeug in Berlin polizeilich zugelassen sei und hier seinen Standort im Sinn des § 6 des Güterkraftverkehrsgesetzes habe. Im Urteil VI R 5/68, a. a. O., ist der BFH auch nicht der Auffassung des FG Düsseldorf im Urteil VI 30-32/65 A vom 31. Oktober 1967 (EFG 1968, 53) - der Vorentscheidung im Verfahren VI R 5/68 - gefolgt, wonach es für das "Verbleiben" weder auf die Zulassung noch auf den überwiegenden Einsatz des Fahrzeugs in Berlin (West) oder im Verkehr von und nach Berlin (West) ankomme, sondern dieser Begriff am besten dahin auszulegen sei, daß die Fahrzeuge mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung zwar nicht überwiegend, aber doch in erheblichem Maße in Berlin (West) selbst oder im Verkehr von und nach Berlin (West) eingesetzt werden. Der BFH hat vielmehr im Urteil VI R 5/68, a. a. O., eine räumliche und zeitliche Bindung mit Berlin (West) nur dann für gegeben angesehen, wenn die Wagen in jedem Jahr des Dreijahreszeitraums, nicht etwa im Durchschnitt der drei Jahre, überwiegend und regelmäßig, d. h. ohne größere zeitliche Unterbrechung, im Verkehr in Berlin (West) bzw. von und nach Berlin (West) eingesetzt werden. Daß diese Voraussetzung im Streitfall in keinem Jahr und bei keinem der elf in Betracht kommenden Fahrzeuge erfüllt worden ist, hat, vom Steuerpflichtigen nicht bestritten, das FG für den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO bindend festgestellt. Eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung von Lastfahrzeugen ist allerdings meist nur bei Aufnahme von Zwischenfrachten in der BRD möglich und für die Vergünstigungen nach dem BHG unschädlich. Eine zu großzügige Auslegung würde jedoch die Verkehrsunternehmen in der BRD ungerechtfertigt benachteiligen. Die Fahrten innerhalb der BRD dürfen also nicht überwiegen. Der erkennende Senat schließt sich dieser zur Investitionszulage nach § 19 BHG 1962 ergangenen Rechtsprechung für den rechtlich gleichgelagerten Fall der erhöhten Absetzungen nach § 14 BHG 1959 an.
Fundstellen
BStBl II 1969, 516 |
BFHE 1969, 82 |