Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Verdecktes Stammkapital und atypische stille Gesellschaft.
Die hohe Rentierlichkeit eines Betriebes erhöht den Geschäftswert, nicht den Teilwert der übrigen Anlagegüter.
Normenkette
EStG § 6 Ziff. 1, § 15/2; KStG § 6; KStDV § 17; StAnpG § 6
Tatbestand
Die beschwerdeführende GmbH ist eine Familiengesellschaft. Sie unterhält ein Organverhältnis mit der A. GmbH. In der Rechtsbeschwerde (Rb.) sind folgende Punkte streitig:
Die Vorbehörden haben einen Betrag von 74 400 DM als verdecktes Stammkapital angesehen und demzufolge die Gewinnanteile der sogenannten atypischen stillen Gesellschaft in Höhe von 5600 DM als verdeckte Gewinnausschüttung den körperschaftsteuerlichen Gewinnen zugerechnet.
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) hat durch Gesellschafterbeschluß vom ... Oktober 1945 ihr Kapital von 680 000 RM auf 400 000 RM herabgesetzt. In einem Zusatzprotokoll wird im einzelnen hinsichtlich des Betrages von 280 000 RM (herabgesetztes Kapital) folgendes ausgeführt:
"Nach Durchführung der Kapitalherabsetzung gemäß § 58 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), spätestens zum 31. Dezember 1946 ist der zur Ausschüttung an die Gesellschafter freigegebene Betrag von 80 000 RM zur Auszahlung zur Verfügung zu stellen.
Bezüglich des einer Sonderrückstellung zuzuweisenden Restbetrages von 200 000 RM wird schon jetzt beschlossen, daß hiervon ein Teilbetrag von zunächst 60 000 RM ebenfalls den Gesellschaftern nach Maßgabe ihrer bisherigen Beteiligung auf einem besonderen Darlehnskonto gutzuschreiben ist. Dieses Guthaben bleibt aber bedingt gesperrt, solange die Gesellschaft ohne Gewinn arbeitet, im Gegensatz zu obigen 80 000 RM auch unverzinslich. Auszahlungen auf die Sperrbeträge dürfen nur mit einstimmiger Genehmigung der Geschäftsführung und auch nur insoweit erfolgen, als dies auf Grund unvorhergesehener Umstände, Krankheit, Tod, Heirat oder ähnliche Dringlichkeitsfälle, also durch Fälle höherer Art bedingt sind".
Am ... Februar 1948 wurde ein Betrag von 60 000 RM mit Rückwirkung auf den 31. Dezember 1947 für Steuerzahlungs- und andere dringliche Zwecke freigegeben. Am 13. Juni 1948 wurde der freigegebene, aber bisher noch nicht ausgezahlte Betrag von 71 200 RM durch Vertrag in eine sogenannte unechte stille Beteiligung umgewandelt unter gleichzeitiger Vereinbarung einer mindestens 5 - prozentigen Verzinsung des Kapitalbetrages. Am Verlust sind die stillen Gesellschafter nach dieser Vereinbarung nicht beteiligt. Der Vertrag wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Er ist seitens der Gesellschaft jederzeit in vierteljährlicher Frist zum Schlusse des Kalendervierteljahres und seitens der stillen Gesellschafter frühestens mit der gleichen Frist zum 31. Dezember 1949 kündbar. Die Auseinandersetzung beim Ausscheiden eines Gesellschafters oder beim Auflösen der stillen Gesellschaft erfolgt unter Berücksichtigung des zur Zeit des Ausscheidens vorhandenen wahren Wertes, also unter Einbeziehung aller etwaigen offenen und stillen Reserven. Die stillen Gesellschafter sind an den offenen und stillen Reserven nach Maßgabe der im Vertrag festgestellten Beteiligungsquoten beteiligt. Hierbei ist ein Geschäftswert nicht anzusetzen. Die stillen Gesellschafter sind identisch mit den Gesellschaftern der Bfin. Ihre Beteiligung an dem Unternehmen der Bfin. beträgt nach § 1 des Vertrages insgesamt 10 %.
In der Niederschrift zu der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 13. Juni 1948 wird folgendes ausgeführt:
"Seit dem Kapitalherabsetzungsbeschluß vom ... Oktober 1945 haben sich die Liquiditäts- und Rentabilitätsverhältnisse der Gesellschaft nicht wie erwartet entwickelt. Die bevorstehende Währungsumstellung stellt die Gesellschaft vor neue Aufgaben und erfordert von ihr eine ungewöhnlich hohe Ausrüstung mit liquiden Mitteln, um nach erfolgter Währungsumstellung nach Möglichkeit eine Zahlungsstockung oder sogar Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden.
Im Hinblick auf diese bei der am ... Oktober 1945 beschlossenen Kapitalherabsetzung nicht voraussehbaren Verhältnisse erklären sich die Gesellschafter bezüglich der auf sie entfallenden Teile der Kapitalherabsetzungsbeträge zu folgender Regelung einverstanden:
Hinsichtlich eines Kapitalherabsetzungsbetrages von 140 000 RM, über dessen Verwendung seitens der Gesellschaft bisher noch kein Beschluß gefaßt worden ist, wird festgestellt, daß insoweit Gläubigerrechte aus der Kapitalherabsetzung für die Gesellschafter noch nicht begründet sind. Angesichts des seitens der Gesellschafter bezüglich des Kapitalherabsetzungsbetrages von 140 000 RM der Gesellschaft gegenüber bekundeten Entgegenkommens sollen deshalb die Gesellschafter nach der Währungsumstellung so behandelt werden, als ob der auf sie entfallende Teil des herabgesetzten Stammkapitals von 140 000 RM noch Stammkapital wäre".
Die stille Beteiligung in Höhe von 71 200 RM ist in der DM-Eröffnungsbilanz auf 74 400 DM umgestellt worden.
Die Vorbehörden sahen in den 74 400 RM verdecktes Stammkapital. Das Finanzgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt:
Unstreitig stamme der Betrag von 74 400 RM aus der beschlossenen Kapitalherabsetzung von ... Oktober 1945 und der Niederschrift der Gesellschafterversammlung vom 13. Juni 1948. Die Kapitalherabsetzung sei aber gar nicht entsprechend durchgeführt worden. Der Grund hierfür sei die mangelnde Liquiditäts- und Rentabilitätslage der GmbH. Daraus sei ersichtlich, daß das Stammkapital von ihr gebraucht worden sei. Im übrigen handle es sich nicht um eine sogenannte typische stille Gesellschaft. Diese setze voraus, daß der stille Gesellschafter lediglich am Geschäftserfolg beteiligt sei, und daher beim Ausscheiden nur Anspruch auf ein Auseinandersetzungsguthaben nach Maßgabe seiner Einlage habe. Im vorliegenden Falle seien die stillen Gesellschafter auch an den offenen und stillen Reserven beteiligt. Es müsse deshalb der Betrag von 74 400 DM weiterhin als Stammkapital angesehen werden.
Die beschwerdeführende GmbH ist der Auffassung, daß auch eine atypische stille Beteiligung an einer GmbH steuerlich anzuerkennen sei. Sie sei der sogenannten GmbH & Co. gleichzustellen. Diese Gesellschaftsform habe aber in der Rechtsprechung Anerkennung gefunden. Es werde hierzu auf die Ausführungen von Zintzen in der "Rundschau für GmbH" 1950 S. 116, von Brönner in der "Rundschau für GmbH" 1952 S. 145 und von Priese in "Der Betriebs-Berater" 1950 S. 793, verwiesen. Die Rechtsprechung habe für die Bejahung von verdecktem Stammkapital strenge Anforderungen gestellt, so in der Entscheidung des Reichsfinanzhofs I A 31, 32, 33/30 vom 27. Mai 1930, Steuer und Wirtschaft 1930 Nr. 1108.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist in diesem Punkte begründet.
Der Senat hat in der Entscheidung I 130/53 U vom 20. August 1954, Slg. Bd. 59 S. 329, Bundessteuerblatt (BStBl) III S. 336, anerkannt, daß auch steuerlich eine atypische stille Beteiligung an dem Gewerbebetrieb einer Gesellschaft möglich ist. Es ist Frage des Einzelfalles, ob die gewählte Gesellschaftsform nicht gegen die Grundsätze der §§ 5 und 6 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) verstößt, und ob die atypische stille Beteiligung eine Beteiligung an der Kapitalgesellschaft selbst darstellt. Es sind hier die Grundsätze anzuwenden, wie sie die Rechtsprechung für Gesellschafterdarlehen aufgestellt hat. Lediglich wenn nach rechtlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten die gewählte Gesellschaftsform nicht die gegebene, sondern eine andere "zwingend" ist, sind die Steuerbehörden berechtigt, die gewählte Form zu beanstanden (Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 20/50 U vom 7. November 1950, Slg. Bd. 55 S. 27, BStBl 1951 III S. 12). Die Vorentscheidung, die von abweichenden Rechtsauffassungen ausgeht, muß deshalb aufgehoben werden.
Dem Finanzgericht ist jedoch darin beizupflichten, daß im vorliegenden Falle Bedenken dagegen bestehen, ob es sich wirtschaftlich betrachtet tatsächlich um eine atypische stille Gesellschaft handelt. Den Gesellschaftern werden in dem Vertrag vom 13. Juni 1948 außergewöhnlich hohe Vergünstigungen eingeräumt. Die Vereinbarungen weichen sowohl von der im Gesetz vorgesehenen Regelung für die typische stille Gesellschaft (HGB §§ 336, 337, 340) wie auch von der in der Rechtsprechung anerkannten atypischen stillen Gesellschaft ab. Es wird den Gesellschaftern eine Mindestvergütung von 5 % jährlich zugesichert. Sie sind am Verlust nicht beteiligt. Außerdem soll ihnen beim Ausscheiden innerhalb bestimmter Grenzen eine Beteiligung an den offenen und stillen Reserven gewährt werden. Diese Vereinbarungen geben den Gesellschaftern Vorteile, die nicht allein in der Hingabe der in dem Vertrag vom 13. Juni 1948 vorgesehenen Gelder begründet sein können. Es ist kaum anzunehmen, daß die GmbH gleichartige Vorteile einem Dritten gewähren würde, der nicht Gesellschafter ist. Soweit die Vorteile über den Rahmen dessen hinausgehen, was der eigenen Leistung der Gesellschafter angemessen entspricht, handelt es sich um Vorteile, die ihnen nicht im Rahmen des Darlehens gewährt werden, sondern auf ihrer Gesellschaftereigenschaft beruhen. Diese Vergünstigungen stellen verdeckte Gewinnausschüttungen dar. Man könnte im vorliegenden Falle wirtschaftlich ein Darlehen mit einer Mindestverzinsung von 5 % annehmen.
Des weiteren muß dem Finanzgericht darin beigepflichtet werden, daß nach der tatsächlichen Gestaltung in Höhe des Betrages von 200 000 RM im Ergebnis im Jahre 1945 eine Kapitalherabsetzung nicht erfolgt ist. Besonders deutlich kommt dies in der oben mitgeteilten Niederschrift vom 13. Juni 1948 zum Ausdruck, in der die Gesellschafterversammlung selbst hinsichtlich des Betrages von 140 000 RM Stammkapital annimmt. Nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Obersten Finanzgerichtshofs, der der Bundesfinanzhof gefolgt ist, müssen die Verhältnisse zwischen Gesellschaft und Gesellschafter, insbesondere bei Familiengesellschaften, klar gestaltet sein. An dieser klaren Gestaltung fehlt es im vorliegenden Fall. Wenn aus einer unklaren Gestaltung die Finanzbehörden auf Grund der gesetzlich vorgeschriebenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise für die Steuerpflichtigen ungünstige Schlüsse ziehen, so ist das eine Folge der eigenen Handlungen der Steuerpflichtigen.
Es erscheint zweckmäßig, daß die Vorgänge nochmals durch das Finanzgericht unter Berücksichtigung der oben dargestellten Gesichtspunkte gewürdigt werden. Die Streitsache wird deshalb an das Finanzgericht zurückverwiesen.
Der Vorsteher des Finanzamts wendet sich in seiner Anschlußbeschwerde gegen die vom Finanzgericht auf Grund eines Gutachtens eines Sachverständigen zugelassene Teilwertabschreibung für Gebäudegrundstücke, die im Eigentum der Organgesellschaft der Steuerpflichtigen, der A. GmbH, stehen. Die Anschlußbeschwerde stützt sich hierbei unter anderem auch auf die gute Rentierlichkeit des Unternehmens und verweist hierzu auf die Grundsätze der Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 402/39 vom 28. Juni 1939, Reichssteuerblatt (RStBl) 1939 S. 1046.
Hierzu wird wie folgt Stellung genommen: Bei der erneuten Prüfung der Streitsache ist das Finanzgericht in der Lage, das Vorbringen des Vorstehers des Finanzamts in tatsächlicher Beziehung zu berücksichtigen. Es kann jedoch der Auffassung des Finanzamts darin nicht beigepflichtet werden, daß eine hohe Rentabilität des Betriebes den Teilwert der einzelnen Betriebsvermögensgegenstände erhöhe. Die Rentabilität ist von Bedeutung für einen etwaigen Geschäftswert. Es ist aber einkommensteuerlich nicht zulässig, diesen Geschäftswert auf die einzelnen sonstigen Betriebsvermögensgegenstände umzulegen und auf diese Weise ihren Wert zu erhöhen. Soweit diese Grundsätze mit der Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 589/35 vom 16. Dezember 1936, RStBl 1937 S. 503, nicht übereinstimmen, hält der Senat an der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs nicht fest. Siehe hierzu auch "Steuer und Wirtschaft" 1947 Spalte 523, sowie die Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 469/51 U vom 15. Mai 1952, Slg. Bd. 56 S. 436, BStBl III S. 169. Anders ist die Rechtslage dort, wo der Gegenstand selbst eine hohe Rente abwirft, z. B. in Form einer hohen Miete oder Pacht (Fall der Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 402/39).
Die mündliche Verhandlung ergab weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Beziehung neue Gesichtspunkte, die eine änderung der Ausführungen des Bescheides rechtfertigen könnten. Der Senat verbleibt deshalb bei den im Bescheid dargestellten Grundsätzen.
Fundstellen
Haufe-Index 408294 |
BStBl III 1956, 11 |
BFHE 1956, 32 |
BFHE 62, 27 |
DB 1956, 175 |