Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer, Kfz-Steuer, sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Bei einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit sind Leistungen der Mitglieder zur Auffüllung der Verlustrücklage (des Reservefonds) gemäß § 37 des Gesetzes über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen und Bausparkassen Versicherungsentgelt im Sinne des VersStG.
VersStG 1937 in der Fassung der Verordnung zur änderung des Versicherungsteuergesetzes vom 31.
Normenkette
VersStG § 3/1; VAG § 37
Tatbestand
Streitig ist, ob die Zahlungen der Mitglieder eines Versicherungsvereins a. G. zur Auffüllung des Reservefonds im Wege der Erhebung eines Vermögensanteils der Versicherungsteuer unterliegen.
Die Bfin., eine Schiffs-Kasko-Versicherungsgesellschaft a. G. (im folgenden kurz Verein genannt), hat nach ihrer Satzung einen Reservefonds in Höhe von 5 v. H. der Gesamtversicherungssumme aller versicherten Schiffe zu bilden. Dieser Reservefonds stellt satzungsgemäß das Vermögen des Vereins dar, an dem jedes Mitglied anteilmäßig beteiligt ist. Scheidet ein Mitglied freiwillig oder zwangsweise aus, so erhält es nach der Satzung binnen einem Monat nach dem Ausscheiden 75 v. H. seines Anteils ausbezahlt. Maßgebend für die Feststellung des Anteils am Gesellschaftsvermögen ist die letzte Jahresbilanz und das Verhältnis der Gesamtzentnerzahl der sämtlichen in dem abgelaufenen Geschäftsjahr versichert gewesenen Schiffe zur Zentnerzahl des ausscheidenden Schiffes.
Durch die Währungsreform war der Reservefonds des Vereins zusammengeschmolzen. Im Jahre 1954 ist deshalb von den Mitgliedern erstmalig ein "Vermögensanteil" von 0,10 DM je Ladeeinheit erhoben worden. Aus dieser Umlage flossen dem Reservefonds des Vereins auf ein Sonderkonto 6.830,50 DM zu. Das Finanzamt hat den gesamten Betrag mit Bescheid vom 31. Januar 1955 mit 5 v. H. = 341,50 DM der Versicherungsteuer unterworfen. Die Bfin. bestreitet die Steuerpflicht. Das Aufkommen auf Grund der Umlage sieht sie als Einlage der Mitglieder auf das "Eigenkapital" des Vereins an. Diese Leistungen hätten ihren Grund nicht in der übernahme der Versicherung, sondern in der Mitgliedschaft; sie seien von der Versicherungsleistung unabhängig und wirtschaftlich einer Gesellschafterleistung gleichzustellen. Für ihre Ansicht stützt sich die Bfin. auf das Urteil des Bundesfinanzhofs I 32/53 U vom 21. April 1953 (BStBl 1953 III S. 175, Slg. Bd. 57 S. 450), das in einer Körperschaftsteuersache ergangen ist und Teile der Verlustrücklage (des Reservefonds) wie Mitgliederkapital behandelt, obwohl das Gesetz für den Versicherungsverein a. G. kein Kapital außer der Verlustrücklage nach § 37 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) kennt. Die dort aufgestellten Grundsätze hätten für die Versicherungsteuer ebenfalls Geltung. Zwar sei der Begriff "Versicherungsentgelt" weit zu fassen. Es falle jedoch nicht jede Leistung darunter, sondern nur diejenige, die dazu diene, das Versicherungsverhältnis zu begründen und durchzuführen. Umlagen seien daher nur dann steuerpflichtig, wenn sie sich nach der Höhe des voraussichtlich zu deckenden Schadens bemäßen. Sonstige Zahlungen seien steuerfrei. Wenn, wie bei den Versicherungsvereinen a. G., die Mitglieder zugleich Versicherer und Versicherte seien und Einlagen zum Gesellschaftsvermögen wie Prämien erhoben würden, so ändere das nichts an ihrem Charakter als "sonstige Zahlungen". Auch der Umstand, daß die durchweg alten Satzungen unter dem Sammelbegriff "Reservefonds" sowohl Eigen- als auch Fremdkapital zusammenfaßten, sei unschädlich. Wie der Bundesfinanzhof in seinem Urteil I 32/53 U, a. a. O., zu Recht erklärt habe, komme es nicht auf die formelle Bezeichnung, sondern auf den sachlichen Inhalt der Bilanzposten und Einnahmen an. Aus dem Jahresabschluß 1954 ergebe sich zudem eindeutig, daß die Bfin. die Mitgliederanteile als Fremdkapital gesondert ausgewiesen habe. Dieses Fremdkapital sei am besten mit den Garantiebeträgen zu vergleichen, die der Reichsfinanzhof in seinem Urteil II A 308/27 vom 12. Juli 1927 (RStBl 1927 S. 206) für steuerfrei erklärt habe. Die Steuerfreiheit könne auch nicht dadurch berührt werden, daß der Fonds im Bedarfsfalle angegriffen werde, wenn er nur bis zum Ausscheiden des Mitglieds wieder aufgefüllt werde.
Die Sprungberufung der Bfin. wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Auch die Rb. ist ohne Erfolg.
Nach § 3 des Versicherungsteuergesetzes (VersStG) ist Versicherungsentgelt im Sinne des Gesetzes jede Leistung, die für die Begründung und zur Durchführung des Versicherungsverhältnisses an den Versicherer zu bewirken ist, z. B. u. a. Umlagen. Dagegen gehört nicht zum Versicherungsentgelt, was zur Abgeltung einer Sonderleistung des Versicherers oder aus einem sonstigen in der Person des einzelnen Versicherungsnehmers liegenden Grund gezahlt wird. Wie die Begründung zu § 3 VersStG 1937 (RStBl 1937 S. 839) ergibt, hat der Gesetzgeber im Anschluß an das Urteil des Reichsfinanzhofs II A 199/30 vom 29. April 1930 (RStBl 1930 S. 370) den Begriff des Versicherungsentgelts näher bestimmt. Hieraus geht eindeutig hervor, daß der Gesetzgeber als - der Steuer unterliegendes - Versicherungsentgelt alle Leistungen erfassen wollte, denen sich niemand entziehen kann, der einen Versicherungsvertrag abschließt. Daß er insbesondere den Begriff des Versicherungsentgelts nicht auf den Betragsanteil beschränken wollte, der für die übernahme des Wagnisses gezahlt wird, ergibt sich aus dem Gesetz und aus der Begründung. Das Gesetz erklärt, daß Zahlungen zur Abgeltung von Sonderleistungen, die in der Person des einzelnen Versicherungsnehmers ihren Grund haben, nicht steuerpflichtig sind. Dazu heißt es erläuternd in der Begründung des Gesetzes, daß grundsätzlich solche Kosten, deren Tragung der Gesamtheit der Versicherungsnehmer nicht zugemutet werden könne, insbesondere solche, die von einem einzelnen Versicherungsnehmer verschuldet oder von ihm aus Gründen, die in seiner Person liegen, besonders veranlaßt seien, nicht zum Versicherungsentgelt gerechnet würden. Alle anderen Leistungen sind demnach als Versicherungsentgelt anzusehen. Das Finanzgericht, das diese Grundsätze nicht verkannt hat, ist zu Recht davon ausgegangen, daß auch Umlagen in der Art, wie sie die Bfin. erhoben hat, Versicherungsentgelte sind. Wie die Bfin. nicht bestritten hat, konnte sich keiner der Versicherten der Umlage entziehen, ohne seine Rechte aus dem Versicherungsverhältnis zu verlieren. Es handelt sich bei der Umlage um Kosten, die der Gesamtheit der Versicherten im Hinblick auf das Zusammenschmelzen des Reservefonds durch die Währungsreform zugemutet werden mußten, nicht um solche, die in der Person einzelner Versicherungsnehmer ihren ausschließlichen Grund haben. Dem Finanzgericht ist auch darin beizupflichten, wenn es im Ergebnis feststellt, daß die Umlage von den Vereinsmitgliedern nicht wegen ihrer Mitgliedseigenschaft, sondern wegen ihrer Stellung als Versicherungsnehmer erhoben worden ist. Der Versicherungsverein a. G. kennt kein Grundkapital, Stammkapital oder Geschäftsguthaben wie die Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder die Genossenschaften, sondern nur einen Gründungsfonds gemäß § 22 VAG und eine Verlustrücklage (Reservefonds) gemäß § 37 VAG. Die Mitglieder haben weder Anteile noch müssen sie Einlagen leisten. Bei der Versicherungsteuer als einer Rechtsverkehrsteuer haben die Finanzbehörden von der bürgerlich-rechtlichen Ausgestaltung auszugehen, solange nicht steuerliche Sondervorschriften, was hier nicht der Fall ist, etwas anderes bestimmen. Es geht bei dieser Rechtslage nicht an, Zahlungen der Versicherten steuerlich anders zu werten, als sie sich bürgerlich-rechtlich darstellen. Die Erträge der Umlage sind nach den nicht zu beanstandenden tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts in den Reservefonds des Vereins geflossen. Die Einrichtung eines Sonderkontos hat das Finanzgericht zu Recht als einen technischen Vorgang im Zusammenhang mit dem Einzug der Umlage angesehen, die den Vermögensübergang auf den Verein nicht hindern konnte. Floß die Umlage aber dem Reservefonds zu, so stand sie nach § 37 VAG zur Deckung eines außergewöhnlichen Verlustes aus dem Geschäftsbetrieb - und zwar in vollem Umfang - zur Verfügung. Die Mitglieder, die an der Umlage beteiligt waren, haben im Gegensatz zu dem Vorbringen der Bfin. kein Recht auf Rückzahlung von 75 v. H. dieser Umlage. Sie haben vielmehr ganz allgemein im Falle des Ausscheidens einen Anspruch auf Auszahlung von 75 v. H. ihres rechnerischen Anteils am Gesellschaftsvermögen. Das ist aber rechtlich etwas anderes als ein Anspruch auf eine der Höhe nach genau bestimmte Summe von 75 v. H. der eingezahlten Umlage. Bei günstiger Entwicklung des Vereinsvermögens kann das Mitglied mehr, bei ungünstiger weniger erhalten. Hieraus folgt, daß der Umlagebeitrag weder als Darlehen noch als - im Vermögen der Mitglieder verbleibender - Garantiebetrag angesehen werden kann.
Mit Unrecht glaubt schließlich die Bfin., sich für ihre Ansicht, daß die Erträge aus der Umlage einer Einlage gleichzusetzen seien, auf das Urteil des I. Senats I 32/53 U, a. a. O., stützen zu können. Dieses Urteil ist in einer Körperschaftsteuersache ergangen. In seinen Gründen wird ausdrücklich betont, daß die Rechtslage bei der Versicherungsteuer anders sein kann. Das ist der Fall; denn die wirtschaftliche Betrachtungsweise, die dazu geführt hat, Leistungen der Mitglieder in körperschaftsteuerlicher Sicht zum Teil als Einlagen anzusehen, kann bei der Versicherungsteuer nicht angewendet werden. Diese Steuer ist eine Verkehrsteuer. Sie ist an die von den Beteiligten gewählte Rechtsform gebunden, soweit das VersStG selbst nicht etwas anderes vorschreibt. Das ist hier nicht der Fall. Da Einlagen bei einem Versicherungsverein a. G. privatrechtlich möglich sind, kann auch im Rahmen des Versicherungsteuerrechts eine steuerfreie Einlage nicht anerkannt werden. Die Leistungen aus der Umlage sind vielmehr, wie oben dargelegt, Versicherungsentgelt und unterliegen damit der Versicherungsteuer. Der Auffassung des Finanzgerichts, die auch vom Finanzgericht Hamburg im Urteil I 460/58 vom 20. Oktober 1959 ("Entscheidungen der Finanzgerichte" 1960 S. 168) geteilt wird, daß Leistungen der Mitglieder versicherungsteuerlich Versicherungsentgelt sein können, auch wenn sie körperschaftsteuerlich als Einlagen zu behandeln sind, ist daher zuzustimmen.
Nach alledem war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 410246 |
BStBl III 1961, 559 |
BFHE 1962, 807 |
BFHE 73, 807 |