Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Erfüllt das Halten eines Fahrzeugs die Tatbestandsmerkmale der Ermäßigungsvorschriften sowohl des § 11 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG 1961 als auch des § 11 Abs. 2 Nr. 2 b KraftStG 1961, so ist gleichwohl die Steuerermäßigung nur aus der für den Steuerpflichtigen günstigeren Vorschrift des § 11 Abs. 2 Nr. 2 b KraftStG 1961 und nicht auch noch zusätzlich nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG 1961 zu gewähren.

 

Normenkette

KraftStG § 11 Abs. 2 Nr. 1, § 11/2/2/b

 

Tatbestand

Es ist streitig, ob für ein Fahrzeug, das Sattelanhänger und Anhänger zur Durchführung von Schwer- und Großraumtransporten zugleich ist, außer der Steuerermäßigung von 50 v. H. nach § 11 Abs. 2 Nr. 2 b KraftStG in der Fassung vom 2. Januar 1961 (BGBl I S. 1) zusätzlich auch die Steuerermäßigung von 25 v. H. nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG zu gewähren ist.

Das für den Bf. zugelassene Fahrzeug ist ein Sattelanhänger der Herstellerfirma ... mit einem Gesamtgewicht von 20.450 kg und einer Auflagelast von 8.450 kg. Für den Anhänger ist zur Durchführung von Schwer- und Großraumtransporten durch die zuständige Verkehrsbehörde eine Ausnahmegenehmigung von der Vorschrift des § 34 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) erforderlich und erteilt worden.

Das Finanzamt hatte ursprünglich eine Kraftfahrzeugsteuer in Höhe von 50 v. H. der bereits für Sattelanhänger gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG um 25 v. H. ermäßigten tariflichen Kraftfahrzeugsteuer festgesetzt, diese Steuerfestsetzung aber auf Weisung der Oberfinanzdirektion gemäß § 223 der AO dahin berichtigt, daß die Steuerermäßigung nur noch aus § 11 Abs. 2 Nr. 2 b KraftStG in Höhe von 50 v. H. der normalen tariflichen Steuer gewährt wurde. Unter Zugrundelegung des nach § 10 Abs. 3 KraftStG maßgebenden Gewichts von (20.450 kg - 8.450 kg =) 12.000 kg setzte das Finanzamt durch je eine Steuerkarte vom 1. Juni und 4. Juli 1962 eine Monatssteuer von zweimal je 77,90 DM (50 v. H. der tarifmäßigen Steuer gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 5 KraftStG) fest.

Die Sprungberufungen des Bf., zu denen der Vorsteher des Finanzamts durch Aktenvermerk vom 18. Juli 1962 seine Einwilligung erklärt hatte, blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht entschied in dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1962 Nr. 549 S. 508 veröffentlichten Urteil II 509/62 vom 14. August 1962, daß nur die höhere Steuerermäßigung nach § 11 Abs. 2 Nr. 2 b, nicht aber zusätzlich noch die nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG in Betracht komme, da nach der Ausdrucksweise des Steuergesetzes die Steuervergünstigungen des § 11 Abs. 2 KraftStG parallel und nicht hintereinander geschaltet worden seien. Die Begründung endet mit der Feststellung: "Die Sache ist von grundsätzlicher Bedeutung."

Mit der form- und fristgerechten Rb. beantragt der Bf., ihm die Steuervergünstigung kumulativ sowohl nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 als auch nach § 11 Abs. 2 Nr. 2 b KraftStG zu gewähren. Bei diesen Ermäßigungsvorschriften handle es sich um grundverschiedene Tatbestände, die sich auch nicht teilweise deckten, so daß schon nach dem Wortlaut der Bestimmungen der niedrigere Ermäßigungssatz nicht durch den höheren konsumiert werden könne. Die Auffassung des Finanzgerichts führe zu dem sinnwidrigen Ergebnis, daß ein Anhänger, der nur den Tatbestand des § 11 Abs. 2 Nr. 2 b KraftStG erfülle, dieselbe Steuerermäßigung genieße wie ein Anhänger, der zusätzlich als Sattelanhänger noch den Tatbestand des § 11 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG erfülle. Die Richtigkeit seiner - des Bf. - Meinung zeige sich auch darin, daß die gesetzgeberischen Zwecke der beiden Ermäßigungsvorschriften verschieden seien: Bei den Sattelanhängern solle die geringere Straßenbelastung honoriert, bei den Schwer- und Großraumtransportanhängern deren nicht voller Auslastung Rechnung getragen werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist zulässig, aber nicht begründet.

II. - Verfahrensrechtlich hat der Senat keine Bedenken, die beiden "Steuerkarten" als Steuerfestsetzungsverfügungen im Sinne des § 12 der Durchführungsverordnung zum Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStDV) vom 14. Juni 1961 (BGBl I S. 764) gelten zu lassen, zumal der Kraftfahrzeugsteuerbescheid nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 12 Abs. 4 KraftStDV als formloser Steuerbescheid im Sinne des § 212 AO zu erteilen ist. Aus Gründen der Verfahrensklarheit hätte das Finanzamt allerdings im Streitfall zweckmäßig einen ordnungsgemäßen Steuerbescheid erteilt, der auch allen Sollvorschriften dieser Bestimmungen entsprach.

Da der zutreffend ermittelte Streitwert nur 78 DM beträgt, hat das Finanzgericht die Rb. wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (ß 286 Abs. 1 AO). Diese Zulassung muß im Urteil ausdrücklich ausgesprochen werden (Urteil des Bundesfinanzhofs II 255/59 vom 27. Januar 1960, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1961 Nr. 60 S. 59); es genügt hierbei, wenn dies zwar nicht im Tenor, aber - wie hier - eindeutig in den Gründen geschieht (Urteil des Reichsfinanzhofs III A 221/34 vom 15. November 1934, RStBl 1934 S. 1572; Berger, Der Steuerprozeß, § 286 AO, Anm. 5, 6 e).

III. - In der Sache teilt der Senat die Auffassung des Finanzgerichts.

Unstreitig erfüllt das Halten des mit einer Ausnahmegenehmigung von den Vorschriften des § 34 StVZO versehenen Sattelanhängers zur Durchführung von Schwer- und Großraumtransporte die Tatbestandsmerkmale der Ermäßigungsvorschriften sowohl des § 11 Abs. 2 Nr. 1 als auch des § 11 Abs. 2 Nr. 2 b KraftStG. Es ist dem Bf. darin beizupflichten, daß bei der Auslegung grundsätzlich vom Wortlaut des Gesetzes auszugehen ist (vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 2 BvL 11/59, 11/60 vom 17. Mai 1960, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 11 S. 126, 130; 2 BvL 6/59 vom 19. Dezember 1961, BStBl 1962 I S. 486, 487 zu B I 2; Urteil des Bundesfinanzhofs VI 33/59 U vom 22. Juli 1960, BStBl 1960 III S. 401, 403, Slg. Bd. 71 S. 406) und daß ganz besondere Zurückhaltung geboten ist, wenn ein Abweichen vom Wortlaut eine Verschärfung der Besteuerung bedeuten würde (Urteil des Bundesfinanzhofs VI 162/55 vom 14. Februar 1958, BStBl 1958 III S. 207, Slg. Bd. 66 S. 539). Gerade der Wortlaut des Gesetzes in Verbindung mit dem auch vom Bf. zutreffend hervorgehobenen Umstand, daß die vier Ermäßigungstatbestände des § 11 Abs. 2 KraftStG verschieden und in sich abgeschlossen sind, zwingt aber nicht zu dem vom Bf. vertretenen Ergebnis, sondern dazu, daß jede Ermäßigungsvorschrift für sich beurteilt werden muß. Es darf nicht übersehen werden, daß die mehreren Ermäßigungsvorschriften sich zwar im praktischen Einzelfall in ihren Voraussetzungen nicht decken müssen, daß aber dann, wenn das Halten eines Fahrzeugs zum Zusammentreffen mehrerer Tarifvergünstigungen führt, durch den einen Rechtsvorgang (- des "Haltens" -) nur ein Steuertatbestand verwirklicht wird, auf den also auch nur eine dieser Tarifvergünstigungen, nämlich die für den Steuerpflichtigen günstigste, angewendet werden kann. Eine Häufung der Vergünstigungen würde dem Wortlaut der einzelnen Ermäßigungsbestimmungen widersprechen. Auch ein Sattelanhänger ist ein Kraftfahrzeuganhänger im Sinne des § 1 KraftStDV, § 18 Abs. 1 Klammersatz StVZO und damit auch im Sinne des § 11 Abs. 2 Nr. 2 b KraftStG. Erfüllt sein Halten auch die übrigen Voraussetzungen dieser Ermäßigungsvorschrift, so ist durch diesen einen Rechtsvorgang der eine günstigere (Sonder-) Steuerermäßigungstatbestand erfüllt und der weniger günstige Steuerermäßigungstatbestand nicht mehr anwendbar. Auch bei einem Sattelanhänger als Spezialanhänger im Sinne des § 11 Abs. 2 Nr. 2 b KraftStG ist der Ermäßigungsbetrag nach dem Einleitungssatz des § 11 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG aus dem Steuerbetrag zu errechnen, der sich nach Abs. 1 Nr. 5 - dem Normaltarif - ergibt, und nicht aus dem Betrag, der sich nach Abs. 2 Nr. 1 ergeben würde. Wenn der Gesetzgeber entgegen seiner üblichen Gesetzgebungstechnik das vom Bf. erstrebte Ergebnis - nämlich die Anwendung von zwei Vergünstigungsvorschriften auf einen Steuertatbestand - gewollt hätte, so hätte er dies ausdrücklich regeln müssen. Da er aber auch im vorliegenden Fall nicht einmal die Berechnung der 50 %igen Steuerermäßigung aus dem nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG ermäßigten Tarif wünschte, kann er noch weniger die für den Steuerpflichtigen noch günstigere gleichzeitige Anwendung von zwei Tarifermäßigungen auf einen Rechtsvorgang gewollt haben. So bemerkt zu dem gleichgelagerten Sachverhalt nach § 11 Abs. 2 Nr. 2 im Verhältnis zu Nr. 3 a KraftStG 1955, dem Vorgänger der hier anzuwendenden KraftStG 1961, der Kommentar zum Verkehrsfinanzgesetz 1955 von Klein-Schrötter, 2. Teil, Abschn. I, änderungen des § 11 KraftStG, Tz. 10 Abs. 5, S. 53/54, mit der Auffassung des Senats übereinstimmend, daß in solchen Fällen als Steuersatz 50 v. H. des regelmäßigen Steuersatzes anzusetzen sind, nicht aber, wenn Sattelanhänger verwendet werden, nur 50 v. H. des nach § 11 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG 1955 um (damals nur) 15 v. H. ermäßigten regelmäßigen Steuersatzes.

Wollte man der Meinung des Bf. folgen, so hätte nach § 11 Abs. 2 Nrn. 1, 2, 3 a KraftStG 1955 für Anhänger, die zugleich Sattelanhänger mit Ausnahmegenehmigung von den Vorschriften des § 34 StVZO waren, eine Steuerermäßigung von 25 + 15 + 50 = 90 v. H. gewährt werden müssen. Dieses Ergebnis konnte aber gesetzlich nicht gewollt sein.

Das Ergebnis, daß im Streitfall die Steuerermäßigung nur nach § 11 Abs. 2 Nr. 2 b KraftStG als der günstigsten Tarifermäßigungsvorschrift zu gewähren ist, ist auch nicht sinnwidrig. Richtig ist, daß die Steuerermäßigung für Sattelanhänger eingeführt worden ist, weil dieser Anhänger wegen seiner großen Beweglichkeit im Straßenverkehr verkehrspolitisch als Transportfahrzeug besonders erwünscht ist. Richtig ist auch, daß die Schwer- und Großraumtransportanhänger deshalb begünstigt worden sind, weil sie wegen des behördlichen Genehmigungszwangs in ihrer Verwendungsmöglichkeit beschränkt sind (siehe Klein-Schrötter, Kommentar zum Verkehrsfinanzgesetz 1955, 2. Teil, Abschn. I, änderungen des § 11 KraftStG, Tz. 10. Abs. 1). Diese Verschiedenheit der Beweggründe für die Steuerermäßigungen würde aber, selbst wenn der Gesetzeswortlaut zweifelhaft wäre, noch nicht eine gleichzeitige Anwendung der beiden Steuerermäßigungen in dem vom Bf. erstrebten Umfang rechtfertigen. Die gesetzgeberische Absicht, durch Steuererleichterungen in beiden Fällen im Grund nur verkehrspolitische Gesichtspunkte zu berücksichtigen, ist auch dann noch erreicht, wenn für einen Sattelanhänger als Spezialanhänger im Sinne des § 11 Abs. 2 Nr. 2 b KraftStG statt der Steuerermäßigung von nur 25 v. H. eine solche von 50 v. H. gewährt wird. Da der Gesetzgeber nach dem eindeutigen Wortlaut des § 11 Abs. 2 Nr. 2 b KraftStG Anhängern aller Art diese Vergünstigung zugute kommen lassen will, kann es für die Beantwortung der strittigen Frage auch nicht entscheidend darauf ankommen, daß auch Anhänger, die nicht zugleich Sattelanhänger sind, in den vollen Genuß der Steuerermäßigung von 50 v. H. kommen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410847

BStBl III 1963, 410

BFHE 1964, 249

BFHE 77, 249

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge