Leitsatz (amtlich)
Aus gebrauchten Containern hergestellte Bau-, Werkzeug- und Maschinenbuden können neue Wirtschaftsgüter i. S. des § 1 Abs. 5 Nr. 1 InvZulG sein.
Normenkette
InvZulG § 1 Abs. 5
Tatbestand
Umstritten ist die Investitionszulagefähigkeit aus gebrauchten Containern hergestellter Aufenthalts- und Werkzeugbehälter.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt seit 1970 Maschinenbau und Schweißtechnik. Der Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen hat ihr am 23. August 1971 die nach § 1 Abs. 4 InvZulG vom 18. August 1969 (BGBl I 1969, 1211, BStBl I 1969, 477) für die Gewährung von Investitionszulage erforderliche Bescheinigung erteilt.
Im Jahre 1971 schaffte sie u. a. zehn Container aus Stahl in gebrauchtem Zustand für 19 660 DM an und ließ sie mit einem Aufwand von 43 468 DM reinigen, streichen und in auf Lastwagen transportierbare Büros und Mannschaftsunterkünfte oder Werkzeug- und Maschinenräume für ihre Baustellen umbauen, indem Fenster und Türen eingefügt wurden. Die Mannschaftsunterkünfte erhielten eine Wärmeisolierung und wurden mit Möbeln ausgestattet, die Werkzeug- und Maschinenbehälter erhielten elektrische Umformer, Schalttafeln und Werkzeugregale.
Für diese umgebauten Behälter nahm die Klägerin die Investitionszulage von 10 v. H. in Anspruch, die der Beklagte und Revisionskläger (FA) jedoch verweigerte, weil die Behälter nicht "neu" gewesen seien. Nach erfolglosem Einspruch drang die Klägerin mit ihrer Klage durch. Das FG hat seine Entscheidung wie folgt begründet (EFG 1973, 285): Die von der Klägerin hergestellten Behälter seien zwar nicht schon deshalb "neu". weil sie von den angeschafften Containern wesensverschieden sind. Ohne Rücksicht auf die zu seiner Herstellung benutzten gebrauchten oder fabrikneuen Teile sei ein Wirtschaftsgut jedoch dann "neu". wenn es auf Grund seiner Wesenseigenarten geeignet ist, zur Wettbewerbsfähigkeit des Betriebes beizutragen, wenn es also "modern" i. S. der Begründung des Regierungsentwuris zu § 1 Abs. 3 (Abs. 5) Nr. 1 InvZulG (Bundestags[BT]-Drucksache V/3890, S. 26) ist. Es komme allein darauf an, ob das Wirtschaftsgut neuen wirtschaftlichen und technischen Erkenntnissen entspricht und dabei für den erstrebten betrieblichen Zweck besonders verwendbar ist. Alter und Zustand der zur Herstellung verwendeten Teile seien nur insoweit zu berücksichtigen, als sie die Verwendbarkeit des Wirtschaftsguts beeinflussen.
Die Montage-Container seien in diesem Sinne "neu". denn neuere Erkenntnisse seien nicht ersichtlich, denen zufolge Zweifel an dem besonderen wirtschaftlichen und technischen Nutzen der Container beständen. Die von der Klägerin gefundene Lösung sei im Hinblick auf die eigenen beweglichen Versorgungs- und Stromverteilungsanlagen ausgesprochen modern. Ein vorzeitiger Verschleiß sei nicht erkennbar. Er würde im übrigen durch das Maß der Verwendbarkeit und die geringen Anschaffungskosten mehr als nur aufgewogen. Eine Verkehrsauffassung, nach der die Container als alt anzusehen wären (Hinweis auf Entscheidung des FG Berlin vom 26. Mai 1966 V 66/65, EFG 1966, 449 [450]), gebe es nicht.
Zur Begründung der hiergegen gerichteten Revision trägt das FA vor: Gerügt werde die falsche Auslegung des § 1 Abs. 5 Nr. 1 InvZulG. Es widerspreche dem Sinn und Zweck des Investitionszulagengesetzes, die Begriffe "neu" und "modern" gleichzusetzen und die Zulage bereits dann zu gewähren, wenn die Betriebstätten derart mit Maschinen und Geräten ausgestattet werden, daß sie mit anderen Betrieben wettbewerbsfähig werden. Vom Unternehmer hergestellte Wirtschaftsgüter seien vielmehr nur dann "neu" i. S. des Gesetzes, wenn sie ausschließlich oder fast ausschließlich aus fabrikneuen Teilen bestehen. Die Anschaffungskosten der gebrauchten Container seien im Verhältnis zu den gesamten Herstellungskosten und zu den Kosten der fabrikneuen Teile so hoch, daß die Werkstattcontainer nach der Verkehrsanschauung nicht als neues Wirtschaftsgut anzusehen seien. Die Auffassung des FG führe im Ergebnis zu dem mit dem Sinn und Zweck der Investitionszulage nicht zu vereinbarenden Ergebnis, daß die Zulage mittelbar dem Veräußerer der alten Transportcontainer zugute käme. Nicht nur Alter und Zustand der zur Herstellung verwandten Teile seien zu berücksichtigen, sondern auch deren Herkunft und bisherige Nutzung zur Beförderung im Güterverkehr.
Das FA beantragt, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 20. Dezember 1972 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Gemäß § 1 Abs. 5 InvZulG dürfen bei der Bemessung der Investitionszulage nach den Abs. 1 oder 3 nur die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von neuen abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens berücksichtigt werden, sofern es sich um bewegliche Wirtschaftsgüter handelt. Was unter "neuen Wirtschaftsgütern" zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht erläutert. Nach den vom BVerfG im Urteil vom 21. Mai 1952 2 BvH 2/52 (BVerfGE 1, 299 [312]) aufgestellten Regeln ist zur Auslegung einer Vorschrift der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist, maßgebend. Können jedoch Zweifel an der Auslegung der Bestimmung nach diesen Grundsätzen nicht behoben werden, so kommt der Entstehungsgeschichte der Vorschrift Bedeutung zu. Da weder dem Wortlaut noch dem Sinnzusammenhang der Vorschrift des § 1 Abs. 5 InvZulG entnommen werden kann, was unter einem "neuen Wirtschaftsgut" zu verstehen ist, hat das FG zutreffend zur Auslegung des Begriffs auf die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 1 Abs. 3 Nr. 1 (Abs. 5) in der BT-Drucksache V/3890, S. 26, verwiesen. Hiernach wird die Vergünstigung nur für "neue Wirtschaftsgüter" gewährt, weil die Betriebstätten mit modernen Maschinen und Geräten ausgestattet werden sollen, um gegenüber Betrieben im übrigen Bundesgebiet wettbewerbsfähig zu sein. Demzufolge liegt dem Gesetzgeber nichts daran, die Wiederherstellung oder Auffrischung alter, der neuesten Entwicklung nicht mehr entsprechender Geräte und Maschinen zu fördern. Der Unternehmer soll vielmehr angeregt werden, statt dessen neue, moderne Geräte und Maschinen anzuschaffen oder herzustellen. Mit Recht hat das FG hierzu weiterhin ausgeführt, daß ein Wirtschaftsgut nicht schon deshalb "neu" i. S. des § 1 Abs. 5 InvZulG ist, weil es hergestellt ist. Andernfalls hätte der Gesetzgeber nicht die Herstellung "neuer" Wirtschaftsgüter zu fordern brauchen und die Eigenschaft der Neuheit auf angeschaffte Wirtschaftsgüter beschränken können. An die Herstellung müssen folglich besondere Anforderungen gestellt werden. Ihr Ergebnis muß ein Produkt sein, durch das die Wettbewerbsfähigkeit des Betriebs gefördert wird. Das ist in der Regel nicht der Fall, wenn das Wirtschaftsgut aus gebrauchten Teilen zusammengefügt wird. Trotz der Verwendung gebrauchter Einzelteile kann jedoch ein neues Wirtschaftsgut i. S. des § 1 Abs. 5 InvZulG entstehen, wenn eine neue Idee verwirklicht wird, die dem Betrieb im Wettbewerb hilft. Bei einer Erfindung z. B. ist es ohne jeden Belang, ob das sie verwirklichende Wirtschaftsgut aus neuen oder aus gebrauchten Teilen hergestellt wird. Praktisch wird jedoch fast immer die ausschließliche Benutzung neuer Teile in Betracht kommen. Mit Recht hat das FG in diesem Zusammenhang auch darauf verwiesen, daß der Lebensdauer des hergestellten Wirtschaftsguts erhebliche Bedeutung zukommt, so daß schon aus diesem Grunde die Verwendung minderwertigen alten Materials ausgeschlossen ist. Inwieweit dann ein aus Altmaterial hergestelltes Wirtschaftsgut neu i. S. des § 1 Abs. 5 InvZulG ist, wird nach der Verkehrsanschauung beantwortet werden müssen, wobei das Verhältnis der Herstellungskosten zu dem verwendeten Material eine besondere Bedeutung hat. Je höher die Herstellungskosten gegenüber den Materialkosten sind, um so eher wird die Verkehrsanschauung das Wirtschaftsgut als neu ansehen, worauf das FA zutreffend hingewiesen hat. Nach den Feststellungen des FG stehen die Anschaffungskosten der Container zu den Umbaukosten etwa im Verhältnis von 1 : 2 (19 666 DM : 43 468 DM). Demnach sind die Anschaffungskosten der gebrauchten Container verhältnismäßig hoch, so daß eine eindeutige Entscheidung auf Grund des Kostenverhältnisses nicht möglich ist. Das FG hat dementsprechend sein Urteil darauf abgestellt, ob die durch die Verwendung der Container gefundene Lösung modern ist, und dies bejaht. Damit soll offenbar zum Ausdruck gebracht werden, daß die Verwendung von Containern bei der Herstellung fahrbarer Baubuden und Maschinen- und Geräteräumen gegenüber der üblichen Bauweise Vorteile gewährt, die die Wettbewerbsfähigkeit der Klägerin positiv beeinflussen. Diese auf tatsächlichem Gebiet liegende Beurteilung durch das FG ist möglich und bindet daher den erkennenden Senat nach § 118 Abs. 2 FGO. Die vom FG hieraus gezogene Schlußfolgerung, daß die aus den Containern hergestellten Räume "neu" i. S. des § 1 Abs. 5 InvZulG sind, entspricht damit dem in der Begründung des Regierungsentwurfs zum Ausdruck gelangten Sinn und Zweck des Gesetzes und ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat eine Neukonstruktion gefunden, deren Verwirklichung die Art der verwandten Materialien als weitgehend nebensächlich erscheinen läßt.
Fundstellen
Haufe-Index 71701 |
BStBl II 1976, 96 |
BFHE 1976, 573 |