Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Wird nach § 218 Abs. 4 AO ein Bescheid wegen änderung einer ihm zugrunde liegenden Feststellung durch einen neuen Bescheid ersetzt, so führt das nicht zu einer Wiederaufrollung des gesamten Steuerfalles.
Beruht ein rechtskräftiger Steuerbescheid auf einer verfassungswidrigen Vorschrift, bildet dies allein keinen Grund für die Aufhebung des Steuerbescheids. Die Verfassungswidrigkeit der Vorschrift kann vielmehr nur im Rahmen der allgemeinen Berichtigungsmöglichkeiten berücksichtigt werden.
Normenkette
AO § 218 Abs. 4, §§ 234, 232/1
Tatbestand
Die Bfin. und ihr Sohn sind Gesellschafter einer KG. Auf die Nutznießung am Vermögen ihres Sohnes hat die Bfin. durch notariellen Vertrag vom 18. Oktober 1951 verzichtet. Trotzdem ist sie zur Einkommensteuer für das Jahr 1951 mit ihrem Sohn zusammen veranlagt worden, weil der Sohn in diesem Jahr das 18. Lebensjahr noch nicht vier Monate vollendet hatte.
Auf Grund des Ergebnisses einer Betriebsprüfung bei der KG wurde die Veranlagung zuungunsten der Bfin. berichtigt. Die berichtigte Veranlagung wurde dann, weil der ihr zugrunde liegende einheitliche Gewinnfeststellungsbescheid berichtigt wurde, nochmals berichtigt. Das führte dazu, daß die Einkommensteuer wieder in der ursprünglichen Höhe festgesetzt wurde.
Die Bfin. griff diese zweite Berichtigung mit der Sprungberufung an. Nach ihrer Ansicht hätte bei der Berichtigung berücksichtigt werden müssen, daß die Zusammenveranlagung mit ihrem Sohn dem Grundgesetz (GG) widerspreche und daß ihr die Einkünfte des Sohnes wegen ihres Verzichts auf die Nutznießung nicht zugerechnet werden könnten.
Die Berufung wurde als unzulässig verworfen. Nach der Auffassung des Finanzgerichts findet die Möglichkeit der Anfechtung hier in der Höhe des geänderten Bescheids eine Grenze. Es könnten zwar alle Einwendungen vorgebracht werden. Der Betrag der ursprünglich festgesetzten Steuer könne aber gemäß § 234 AO nicht unterschritten werden. Der Bfin. sei zuzugeben, daß die Zusammenveranlagung verfassungswidrig sei. Dies könne aber aus den erwähnten Gründen nicht berücksichtigt werden. Die Einschränkung des § 234 AO gelte auch, wenn es um die Berücksichtigung von Verfassungsverletzungen gehe.
Mit ihrer Rb. rügt die Bfin. unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts und führt aus, die Verletzung von Verfassungsgrundsätzen müsse immer berücksichtigt werden. Außerdem sei die Verfassungswidrigkeit der Zusammenveranlagung hier auch deswegen zu berücksichtigen, weil die Berichtigung zur Wiederaufrollung des gesamten Falles geführt habe.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Der Bfin. ist zuzugeben, daß nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 AO das Bekanntwerden neuer Tatsachen zuungunsten und zugunsten des Steuerpflichtigen zu einer Wiederaufrollung des gesamten Steuerfalles führt. Wie das Finanzgericht aber zutreffend ausführt, handelt es sich hier nicht um eine Berichtigung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 AO, sondern um eine Berichtigung, die auf die änderung des der Veranlagung zugrunde liegenden Gewinnfeststellungsbescheids gestützt ist und demnach auf § 218 Abs. 4 AO beruht. Eine solche Berichtigung führt, wie das Finanzgericht ebenfalls zutreffend ausführt, nicht zu einer Wiederaufrollung des gesamten Steuerfalles, sondern nur zu einer änderung, soweit sie durch die änderung des zugrunde liegenden Feststellungsbescheids gerechtfertigt ist.
Ein Berichtigungsbescheid kann als solcher angegriffen werden, aber nach § 234 AO nur hinsichtlich der Berichtigung. Dies besagt, wie das Finanzgericht zutreffend darlegt, daß der Steuerpflichtige zwar alle Einwendungen, insbesondere auch solche, die er gegen den ursprünglichen Bescheid nicht vorgebracht hat, noch geltend machen kann, daß aber die Anfechtungsmöglichkeit nicht dazu führt, eine neue (zusätzliche) Berichtigungsmöglichkeit zu schaffen. Im Streitfall wehrt sich die Bfin. nicht gegen die ihr ohnehin günstige Berichtigung als solche, sondern sie möchte über die Anfechtung erreichen, daß über die durch § 218 Abs. 4 AO gerechtfertigte änderung ihrer Veranlagung hinaus noch eine änderung erfolgt, soweit sie mit ihrem Sohn zusammen veranlagt worden ist. Dieser Punkt hat aber mit der änderung des Gewinnfeststellungsbescheids nichts zu tun. Ihn zu ändern, ist weder nach § 218 Abs. 4 AO noch nach einer anderen Vorschrift möglich.
Auch die Tatsache, daß die frühere rechtskräftige Veranlagung auf der angeblich verfassungswidrigen Norm des § 27 EStG beruht, ist allein kein Grund zu einer Berichtigung zugunsten der Bfin. über das gewährte Maß hinaus. Die Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift kann nach der Rechtskraft eines auf ihr beruhenden Steuerbescheids grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden (vgl. auch das Urteil des Bundesfinanzhofs V 244/61 S vom 22. November 1962, BStBl 1963 III S. 31). Der rechtskräftige Steuerbescheid ist auch nicht etwa nichtig (vgl. den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 2 BvR 51/63 vom 28. Februar 1963, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1963 S. 159). Der Bescheid kann also, wenn überhaupt, nur nach den allgemeinen Vorschriften berichtigt werden. Diese lassen aber, wie ausgeführt, im Streitfall nur eine Berichtigung zu, die auf die Berücksichtigung der änderung des Gewinnfeststellungsbescheids beschränkt ist.
Fundstellen
Haufe-Index 410877 |
BStBl III 1963, 471 |
BFHE 1964, 416 |
BFHE 77, 416 |