Leitsatz (amtlich)
Ist der Prüfer angewiesen, auf Tatbestände zu achten, die für andere Steuern als diejenigen, auf die sich die Prüfung zu erstrecken hat, von Bedeutung sein könnten, und kommt er dieser Verpflichtung durch Aufnahme entsprechender Hinweise in den Prüfungsbericht nach, so hat sich die Betriebsprüfung nicht im Sinne des § 146 a Abs. 3 AO auf diese Steuern erstreckt.
Normenkette
AO § 146a Abs. 3
Tatbestand
G. brachte im Jahre 1963 das von ihm geführte Einzelunternehmen in die auf den 1. Januar 1963 gegründete Klägerin, eine Kommanditgesellschaft, ein. An der Klägerin sind als Kommanditisten außer G. (zu 45 v. H.) seine Frau und seine drei Kinder beteiligt. Zum Vermögen des eingebrachten Unternehmens gehört u. a. eine auf fremdem Grund und Boden stehende Betriebshalle. Der Einbringungsvorgang wurde dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt (FA) nicht angezeigt.
Auf Grund einer Prüfungsanordnung des FA X vom 8. Juni 1966 fand in der Zeit vom 23. Juni mit 6. Juli 1966 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch einen Prüfer dieses FA statt. Nach der Prüfungsanordnung sollte sich die Prüfung erstrecken auf die einheitliche Gewinnfeststellung, den Einheitswert des Betriebsvermögens, die Gewerbesteuer und die Umsatzsteuer. Darüber hinaus waren Umsatzsteuervergünstigungen zu prüfen. Am Ende der Prüfungsanordnung heißt es: "Der Betriebsprüfer ist außerdem verpflichtet, auf Tatbestände zu achten, die für andere Steuern (z. B. Erbschaftsteuer, Grunderwerbsteuer ...) von Bedeutung sein könnten."
In seinem Betriebsprüfungsbericht erwähnte der Prüfer den Einbringungsvorgang und wertete ihn als der Grunderwerbsteuer unterliegend. Der entsprechende Auszug des Prüfungsberichts ging dem beklagten FA erst am 2. Mai 1972 zu. Mit Bescheid vom 21. Juli 1972 setzte das FA die Grunderwerbsteuer auf insgesamt 6 838,55 DM fest.
Der nach erfolgloser Durchführung des Einspruchsverfahrens erhobenen Klage, mit der die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheids begehrt wird, hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben. Seine Entscheidung ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1975 S. 131 (EFG 1975, 131) veröffentlicht.
Mit der Revision begehrt das FA (Beklagter) unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen. Es rügt Verletzung von § 146 a Abs. 3 der Reichsabgabenordnung (AO). Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das angefochtene Urteil erweist sich im Ergebnis als zutreffend. Der Steueranspruch war im Zeitpunkt seiner Festsetzung verjährt.
1. Da der Steueranspruch im Jahre 1963 entstanden ist (§ 3 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -), begann die fünfjährige Verjährungsfrist (§ 144 Abs. 1 Satz 1 AO i. V. m. Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 des bayerischen Gesetzes über die Anwendung von bundesrechtlichen Vorschriften des allgemeinen Abgabenrechts auf landesrechtlich geregelte Abgaben - AOAnwG -) mit Ablauf des Jahres 1963, (§ 145 Abs. 1 AO) und endete mit Ablauf des Jahres 1968, sofern nicht die Verjährung nach § 147 AO in der vor dem 1. Januar 1966 geltenden Fassung (AO a. F.) unterbrochen wurde oder der Ablauf der Verjährung nach § 146 a AO gehemmt war.
2. a) Nach den (bindenden, vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) Feststellungen des FG hat im zeitlichen Geltungsbereich des § 147 AO a. F. keine verjährungsunterbrechende Handlung stattgefunden.
b) Der Ablauf der Verjährungsfrist wurde nicht gemäß § 146 a Abs. 3 AO gehemmt. Nach § 146 a Abs. 3 AO verjähren Ansprüche, auf die sich eine Betriebsprüfung erstreckt, nicht, bevor die auf Grund der Betriebsprüfung ergangenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder dem Steuerpflichtigen die Mitteilung zugegangen ist, daß eine Festsetzung unterbleibt, wenn vor Ablauf der Verjährungsfrist mit einer Betriebsprüfung begonnen wurde. Betriebsprüfungen im Sinne der genannten Vorschrift sind Maßnahmen der Finanzbehörden, die ihre Rechtsgrundlage in den § 162 Abs. 10 und Abs. 11, §§ 193 mit 195 AO finden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Mai 1977 I R 36/75, BFHE 122, 248, BStBl II 1977, 652), wobei der Begriff der Betriebsprüfung eine besonders qualifizierte Maßnahme der Verwaltung voraussetzt, die für den Steuerpflichtigen als Betriebsprüfung erkennbar ist (vgl. BFH-Urteile vom 3. Juni 1975 VII R 46/72, BFHE 116, 95, BStBl II 1975, 786, und vom 21. Februar 1978 VII R 117/74, BFHE 124, 416, BStBl II 1978, 360). Um eine derart als Betriebsprüfung, die sich auf die Grunderwerbsteuer erstreckte, zu qualifizierende Maßnahme handelt es sich nicht, wenn der Prüfer auftragsgemäß auch auf Vorgänge achtet, die für andere Steuern von Bedeutung sind. Er erstreckt dabei nicht etwa die Betriebsprüfung tatsächlich auf derartige Vorgänge im Sinne des Urteils des BFH vom 10. Dezember 1971 III R 35/71 (BFHE 104, 282, BStBl II 1972, 331).
Ob der Prüfer im Zusammenhang mit der Beachtung von für andere Steuern als diejenigen, auf die sich der Prüfungsauftrag erstreckte (und erstrecken konnte), bedeutsamen Vorgängen die für diese Steuern bestimmten Hinweise in seinen Bericht aufnimmt oder sie auf andere Weise dem zuständigen FA zur Kenntnis bringt, ist ohne Bedeutung. Allein die Aufnahme derartiger Hinweise in den Prüfungsbericht bewirkt nicht, daß die Steuern, für die sie von Bedeutung sind, mitgeprüft worden sind, sich also die Betriebsprüfung im Sinne des § 146 a Abs. 3 AO auf sie erstreckte. Es handelt sich bei der Beachtung solcher Vorgänge nicht einmal um eine sonstige Ermittlungshandlung eines unzuständigen FA, sondern um Hinweise im Rahmen allgemeiner Amtshilfe.
Fundstellen
BStBl II 1979, 250 |
BFHE 1979, 121 |