Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Ein Organverhältnis mit Ergebnisabführungsvereinbarung zwischen einem Freiberufler (Rechtsanwalt) als Organträger und einer von ihm beherrschten Kapitalgesellschaft wird einkommensteuerlich nicht anerkannt.
Normenkette
EStG §§ 2, 15, 18
Tatbestand
Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1959, ob der beschwerdeführende Ehemann (Bf.) als Rechtsanwalt seine Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 74.171 DM um einen Verlust in Höhe von 46.162 DM vermindern kann, den eine GmbH erlitten hat, an der er zu 99 % neben seiner Ehefrau (Bfin.) beteiligt ist, und mit der er als Organträger einen Organschafts- und einen Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen hat. Der Bf. war alleiniger Geschäftsführer der GmbH, die sich mit der Vermittlung von Finanzierungen aller Art, der Anlagenberatung (unter besonderer Berücksichtigung der Interessen und Bedürfnisse von Kapitalsammelstellen) und der Vermögensverwaltung befaßte.
Das Finanzamt lehnte die Verlustverrechnung ab. Die Berufung gegen die hieran festhaltende Einspruchsentscheidung des Finanzamts blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht führte im wesentlichen aus: Steuerlich könne eine Organschaft nur anerkannt werden, wenn der Organträger ein gewerbliches Unternehmen sei. Hiervon gingen, wenn auch meist unausgesprochen, die höchstrichterlichen Entscheidungen aus (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs I A 75/27 vom 11. November 1927, Slg. Bd. 22 S. 183, 186; Urteil des Bundesfinanzhofs I 22/55 U vom 25. Juni 1957, BStBl 1958 III S. 174, Slg. Bd. 66 . 449). Es könnten durch die Ergebnisabführung nicht gewerbliche Einkünfte in Einkünfte aus freier Berufstätigkeit umgewandelt werden.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet.
Dem Finanzgericht ist darin beizupflichten, daß ein Organverhältnis mit Ergebnisabführung zwischen einem Freiberufler als Organträger und einer Kapitalgesellschaft als Organ ertragsteuerlich nicht anerkannt werden kann und daß deshalb die Gewinne und Verluste der Kapitalgesellschaft die Einkünfte des Freiberuflers nicht berühren. Diese Auffassung entspricht der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs und folgt aus dem Wesen der Organschaft. Der Organträger muß ein eigenes Unternehmen betreiben, in das das Organ nach Art einer Geschäftsabteilung eingegliedert ist. Das eigene Unternehmen des Organträgers muß ohne Berücksichtigung der Organschaft und der Ergebnisabführung ein Gewerbebetrieb sein.
Aus der weitergehenden Begriffsbestimmung in § 2 UStG, der als Unternehmer bezeichnet, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt, kann nicht gefolgert werden, daß auf dem Gebiet der Ertragsteuern auch ein Freiberufler Organträger sein könne. Das ergibt sich schon daraus, daß jedenfalls im Gewerbesteuerrecht Organträger, der in § 2 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 GewStG als ein inländisches Unternehmen bezeichnet wird, dessen Willen ein anderes Unternehmen derart untergeordnet ist, daß es keinen eigenen Willen hat, nur ein gewerbliches Unternehmen sein kann. Denn die Gewerbesteuer erstreckt sich nur auf gewerbliche Unternehmen. Wenn deshalb die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs fordert, daß der Organträger ein geschäftliches Unternehmen hat und eine betriebliche Tätigkeit ausübt, die als Betätigung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nach außen in Erscheinung tritt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhof I 119/56 U vom 25. Juni 1957, BStBl 1957 III S. 303, Slg. Bd. 65 181), so kann das nur so verstanden werden, daß die Voraussetzungen eines Unternehmens im Sinne des § 2 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 GewStG gegeben sein müssen. Das EStG spricht in § 15 von einem Unternehmen nur im Zusammenhang mit den Einkünften aus Gewerbebetrieb. Nur in diesem Sinne hat die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs den Begriff des geschäftlichen Unternehmens im Zusammenhang mit der Organschaft auf einkommensteuerlichem und körperschaftsteuerlichem Gebiet gebraucht. Einen anderen Unternehmensbegriff gibt es hier nicht. Die Tätigkeit des Freiberuflers bildet kein solches Unternehmen.
Die Auffassung, daß der Freiberufler nicht Organträger im Verhältnis zu einer Kapitalgesellschaft als Organ sein kann, ergibt sich auch aus dem Sinn und Zweck der Organschaft, wie sie besonders in der jüngsten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum Ausdruck kommen. Wie der I. Senat im Grundsatzurteil I 249/61 S vom 4. März 1965 (BStBl 1965 III S. 329) hervorhebt, mißt die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs der rechtlichen Selbständigkeit des Organs ein größeres Gewicht bei als die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs; es soll durch die Organschaft mit Ergebnisabführungsvertrag in erster Linie die Möglichkeit geschaffen werden, die mehrfache Belastung des Gewinns mit Körperschaftsteuer beim Organ und Organträger zu vermeiden und zudem Verluste des Organs mit Gewinnen des Organträgers auszugleichen. Mit diesem Zweck wäre es unvereinbar anzuerkennen, daß durch eine zwischen einem Freiberufler und der von ihm beherrschten Kapitalgesellschaft vereinbarte Ergebnisabführung gewerblicher Einkünfte der Kapitalgesellschaft durch die Besteuerung bei einem Einzelunternehmen als Organträger in Einkünfte aus freier Berufstätigkeit umgewandelt werden. Eine solche Möglichkeit widerspricht dem System des deutschen Einkommensteuerrechts. Die Einordnung von Einkünften einer natürlichen Person in eine Einkunftsart bestimmt sich danach, welchen Tatbestand der in den §§ 13 bis 24 EStG aufgeführten Einkunftsarten der Steuerpflichtige in seiner Person erfüllt. In besonders gelagerten Fällen besteht allerdings die Möglichkeit, daß Einkünfte, die ihrem Wesen nach zu einer anderen Einkunftsart gehören, gleichwohl z. B. den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb oder aus selbständiger Arbeit zugerechnet werden, wenn sie zu diesen gehören (§§ 20 Abs. 3; 21 Abs. 3 EStG). Es kann auch ein Freiberufler neben seinen Einkünften aus freier Berufstätigkeit noch Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb oder aus einer anderen Einkunftsart haben. Es ist aber nicht vertretbar, gewerbliche Einkünfte, die der Körperschaftsteuer unterliegen, als Einkünfte aus freier Berufstätigkeit allein deshalb zu behandeln, weil der Steuerpflichtige eine gesetzlich nicht vorgesehene Zurechnung der Einkünfte vertraglich vereinbart. Eine solche Umwandlung von gewerblichen Einkünften einer Kapitalgesellschaft in Einkünfte aus freier Berufstätigkeit ist mit dem System des Einkommensteuerrechts unvereinbar.
Der Senat hat erwogen, ob etwa der zwischen dem Bf. und der GmbH geschlossene Ergebnisabführungsvertrag die Wirkung habe, daß damit die freie Berufstätigkeit des Bf. zu einem Gewerbebetrieb werde, der als Organträger gegenüber der GmbH als Organ in Betracht komme. Zu der sich dann ergebenden Zweifelsfrage, ob überhaupt noch ein Organverhältnis mit Ergebnisabführung zu einer Einzelperson oder einer Personengesellschaft als Organträger anerkannt werden kann, braucht der Senat deshalb nicht Stellung zu nehmen, weil der Organträger ohne Berücksichtigung des Organverhältnisses und der vereinbarten Gewinnabführung ein gewerbliches Unternehmen haben muß. Selbst wenn man annehmen würde, daß die Einkünfte der GmbH auf Grund einer Eingliederung in den Betrieb des Bf. unmittelbar als vom Bf. bezogen anzusehen seien, so würde es doch beim Bf. an einem gewerblichen Unternehmen fehlen, in das der Betrieb der GmbH nach Art einer Geschäftsabteilung eingegliedert ist, weil die abtrennbare freie Berufstätigkeit auch dann nicht ein Gewerbebetrieb sein würde.
Dem Bf. kann darin nicht gefolgt werden, daß diese Beschränkung der Anerkennung einer Organschaft mit Ergebnisabführung gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes verstoße. Denn besonders dann, wenn es sich um die Abgrenzung eines von der Rechtsprechung selbst entwickelten Rechtsinstituts handelt, das in seinen Rechtsgrundlagen wegen der änderung der Auffassung über die Möglichkeit von Richterrecht auf dem Gebiet der Besteuerung zweifelhaft geworden ist, muß es der Rechtsprechung weitgehend gestattet sein, Sinn und Zweck dieses Instituts in den Vordergrund zu stellen und die Vereinbarkeit der steuerlichen Folgen im Rahmen des Systems des Ertragsteuerrechts zu berücksichtigen.
Fundstellen
Haufe-Index 411760 |
BStBl III 1965, 589 |
BFHE 1966, 245 |
BFHE 83, 245 |