Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

In den Fällen der §§ 3 und 4 GSW erstreckt sich die Grundsteuerbefreiung der Kleinwohnungen auch auf einen entsprechenden Teil der Grundfläche.

 

Normenkette

WoBauG; GSWBY 3; GSWBY 4

 

Tatbestand

Es ist mündliche Verhandlung beantragt. Es erschien dem Senat jedoch zweckmäßig, zunächst ohne mündliche Verhandlung durch Vorbescheid (ß 294 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung - AO -) zu erkennen.

Für das gemischtgenutzte Grundstück (Altbau) ... in N (Bayern) betrug der Einheitswert 1935 34.400 RM. Im Kriege wurden die Gebäude des Grundstücks teilweise zerstört. Die Fortschreibung des Einheitswerts zum 21. Juni 1948 ergab 19.100 DM. In den Jahren 1948/1949 wurden die Gebäude des Grundstücks vom Beschwerdeführer (Bf.) wiederhergestellt. Nach der Wiederherstellung enthielt das Grundstück im Vorderhaus eine Gastwirtschaft und acht Wohnungen sowie im Rückgebäude einen Fabrikraum, zwei Garagen und zwei Wohnungen. Die Fortschreibung des Einheitswerts zum 1. Januar 1950 (gemischtgenutztes Grundstück, Neubau) ergab nunmehr 54.400 DM. Für die acht Wohnungen im Vorderhaus erhielt der Bf. von der zuständigen Stelle die Bestätigung, daß es sich um neugeschaffene Kleinwohnungen im Sinne des Gesetzes über die Grundsteuerfreiheit und Gebührenfreiheit für den sozialen Wohnungsbau (GSW) handle. Demgemäß setzte das Finanzamt unter Befreiung dieser Wohnungen von der Grundsteuer den Grundsteuermeßbetrag für das ganze Grundstück zum 1. Januar 1950 nur auf 195,02 DM fest. Bei dieser Festsetzung ging das Finanzamt davon aus, daß sich die Steuerbefreiung lediglich auf den Gebäudewert der acht Kleinwohnungen mit 26.539 DM, nicht aber auf den Gebäudewert der übrigen Gebäude mit 16.461 DM und den Bodenwert des Grundstücks mit 11.400 DM erstreckt. Der Bf. ist demgegenüber der Auffassung, daß zusammen mit den steuerbefreiten Kleinwohnungen auch ein entsprechender Anteil des Bodenwerts mitzubefreien sei. Auf den steuerbefreiten Teil würden vom festgestellten Einheitswert nicht 26.539 DM, sondern 33.600 DM und auf den steuerpflichtigen Teil nicht 27.861 DM, sondern nur 20.800 DM entfallen.

Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

I. - Das GSW unterscheidet: 1 Neubauten, die nur Kleinwohnungen enthalten (ß 2),

Neubauten, die neben Kleinwohnungen auch andere Wohnungen oder gewerbliche Räume enthalten (ß 3), und

neugeschaffene Kleinwohnungen in bereits vorhandenen Gebäuden oder in wieder aufgebauten, kriegszerstörten Gebäuden (ß 4).

In den Fällen der Ziff. 1 (bei Neubauten, die nur Kleinwohnungen enthalten) erstreckt sich nach § 2 Abs. 4 GSW die Grundsteuerbefreiung nicht nur auf das Gebäude als solches, sondern auch auf die Grundfläche, auf der das Gebäude steht (bebaute Grundfläche). Weder § 3 noch § 4 GSW verweisen auf § 2 Abs. 4 GSW; sie enthalten auch keine eindeutige Vorschrift, ob und inwieweit in diesen Fällen die Grundfläche steuerpflichtig ist. Lediglich in § 3 GSW ist bestimmt, daß bei Neubauten im Fall des Zusammentreffens von steuerbefreiten Kleinwohnungen mit anderen Wohnungen oder gewerblichen Räumen die Grundsteuer nur für den Teil des Grundstücks erhoben wird, der auf die anderen Wohnungen und die gewerblichen Räume entfällt, und daß der grundsteuerpflichtige Teil des Grundstücks bei Mietwohngrundstücken und bei gemischtgenutzten Grundstücken nach dem Verhältnis der Jahresrohmiete, bei Geschäftsgrundstücken und bei Einfamilienhäusern nach dem Verhältnis des umbauten Raums zu ermitteln ist. Demgegenüber bestimmt jedoch § 11 der Durchführungsbestimmungen zum Gesetz über die Grundsteuerfreiheit und Gebührenfreiheit für den sozialen Wohnungsbau (GSWDB), daß sich in den Fällen der §§ 3 und 4 GSW die Befreiung nicht auf die Grundfläche erstreckt.

Nach der Auffassung der Vorinstanz lassen die genannten Vorschriften nicht den Schluß zu, daß in den Fällen der §§ 3 und 4 GSW die Grundfläche anteilsmäßig befreit werden muß. Zur Stütze ihrer Auffassung beruft sie sich auf das Urteil des Senats III 129/54 U vom 17. September 1954 (Slg. Bd. 59 S. 325, Bundessteuerblatt - BStBl - 1954 III S. 335). In diesem Urteil war jedoch nicht die Frage zu entscheiden, ob sich in den Fällen der §§ 3 und 4 GSW die Steuerbefreiung der Kleinwohnungen auch auf einen entsprechenden Teil der Grundfläche erstreckt. Soweit aus dem genannten Urteil etwa die Vereinigung dieser Frage entnommen werden könnte, könnte das nicht aufrechterhalten werden. Darüber hinaus enthält das Urteil auch keine Entscheidung, ob die Bestimmung in § 11 GSWDB mit dem GSW vereinbar ist.

Die Vorschrift in § 3 GSW, wonach beim Zusammentreffen von steuerbefreiten Kleinwohnungen mit anderen Wohnungen oder gewerblichen Räumen die Grundsteuer nur für den Teil des Grundstücks erhoben wird, der auf die anderen Wohnungen und die gewerblichen Räume entfällt, enthält - das muß dem Bf. zugegeben werden keine Anordnung, daß in einem solchen Fall die ganze Grundfläche steuerpflichtig ist. Vielmehr ist nach dem Aufbau des GSW anzunehmen, daß in Fällen der §§ 3 und 4 GSW die Steuerbefreiung der Kleinwohnungen, wenn dies auch nicht ausdrücklich ausgesprochen ist, sich auf einen entsprechenden Teil der Grundfläche erstreckt. Die Rechtslage ist eine ganz andere als in den Fällen der Grundsteuervergünstigung nach dem Ersten Wohnungsbaugesetz (WoBauG). In diesem Gesetz war von Anfang an auch bei der Errichtung von Neubauten mit nur steuerbegünstigten Wohnungen keine vollständige Steuerbefreiung des Grundstücks vorgesehen; die Steuervergünstigung erstreckte sich nicht auf die bebaute Grundfläche.

Dem Bf. ist auch darin beizutreten, daß die Ermächtigungsvorschrift des § 9 Abs. 2 GSW, wonach das Bayer. Staatsministerium der Finanzen im Benehmen mit dem Bayer. Staatsministerium des Innern die zum Vollzug des GSW erforderlichen Bestimmungen erläßt, nicht dazu ausreichte, die nach den §§ 3 und 4 GSW anzunehmende anteilsmäßige Grundsteuerbefreiung der Grundfläche auszuschließen. Die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung des Finanzamts unterliegen daher der Aufhebung. Die Sache selbst ist aber nicht spruchreif.

II. - Die Angaben des Bf. über die neugeschaffenen Kleinwohnungen sind nicht eindeutig. Während er im Antrag auf Anerkennung der Grundsteuerbefreiung vom 23. Februar 1952 angegeben hat, daß keine der acht neugeschaffenen Wohnungen teilweise auch zu gewerblichen Zwecken mitbenutzt wird, ist in der Anlage zu diesem Antrag eine dieser acht Wohnungen (1. Stock rechts, Miete 871 DM) nicht bei den Kleinwohnungen, sondern bei den "sonstigen Wohnungen" aufgeführt. Da unter diesen sonstigen Wohnungen auch solche Wohnungen anzugeben waren, die zu mehr als der Hälfte gewerblich genutzt werden, wäre aufzuklären, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß die genannte Wohnung zu gewerblichen Zwecken mitbenutzt wird. Nach den Akten ist Inhaber dieser Wohnung der Pächter der im Hause (Erdgeschoß) befindlichen Gastwirtschaft, Karl S. Als Inhaberin der daneben befindlichen Wohnung des 1. Stocks ist Anna S. angegeben. Es wird zu prüfen sein, ob nicht etwa Karl S. Inhaber der beiden Wohnungen im I. Stock ist. Die Sache geht zweckmäßig an das Finanzamt zurück, das unter Nachprüfung der sachlichen Angaben des Bf. auf ihre Richtigkeit und unter Beachtung der Ausführungen unter I oben den Grundsteuermeßbetrag erneut festzusetzen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408591

BStBl III 1956, 366

BFHE 1957, 440

BFHE 63, 440

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