Leitsatz (amtlich)

Als sogenannte Weinkommissionäre im Sinne des § 53 UStDB kommen auch solche Unternehmer in Betracht, die als Einkaufskommissionäre den Wein nicht unmittelbar vom Erzeuger, sondern vom Handel kaufen; dabei kann es sich auch um ausländischen Wein handeln.

 

Normenkette

UStDB 1951 § 53 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Bgin., eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, betreibt den Weinkommissionshandel. Sie hat im Jahre 1957 u. a. vier Kommissionsgeschäfte von Weinhandel zu Weinhandel getätigt, und zwar zwei mit deutschen und zwei mit ausländischen Weinen. Streitig ist, ob für diese Umsätze die Vergünstigungsvorschrift des § 53 Abs. 1 Satz 1 UStDB anzuwenden ist, mit anderen Worten, ob die Bgin. gemäß dieser Vorschrift befugt ist, der Steuer lediglich die Vermittlungsgebühr zugrunde zu legen, oder ob sie den vollen, von den Weinhändlern gezahlten Kaufpreis (mit dem Großhandelssteuersatz von 1 v. H.) zu versteuern hat. Das Finanzamt vertritt die letztgenannte, die Bgin. die erstgenannte Auffassung. Das Finanzgericht hat auf die Sprungberufung der Bgin. entschieden, daß bei allen vier Geschäften lediglich die Vermittlungsgebühr, und zwar zum allgemeinen Steuersatz von 4 v. H., zu versteuern ist.

Hiergegen richtet sich die Rb. des Vorstehers des Finanzamts, mit der unrichtige Anwendung des § 53 Abs. 1 Satz 1 UStDB gerügt wird.

 

Entscheidungsgründe

Sie kann keinen Erfolg haben.

§ 53 Abs. 1 Satz 1 UStDB bestimmt: "Die Werbungsmittler und die sogenannten Hopfen- und Weinkommissionäre in den Hopfen- und Weinbaugebieten sind befugt, der Berechnung der Steuer lediglich die Vermittlungsgebühr zugrunde zu legen." Das Finanzamt schließt aus der Fassung des § 53 Abs. 1 Satz 1 UStDB, insbesondere aus den Worten "sogenannten" und "in den Hopfen- und Weinbaugebieten", sowie aus der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck der Vorschrift, daß nur solche Weinkommissionsgeschäfte begünstigt sein sollen, bei denen der Wein vom inländischen Erzeuger (Winzer) erworben wird.

Auszugehen ist vom handelsrechtlichen Begriff "Kommissionar", der in § 383 HGB erläutert wird (Entscheidung des Bundesfinanzhofs V 88/58 U vom 7. April 1960, BStBl 1960 III S. 261, Slg. Bd. 71 S. 39). Danach ist Kommissionär, wer es gewerbsmäßig übernimmt, Waren oder Wertpapiere für Rechnung eines anderen (des Kommittenten) im eigenen Namen zu kaufen und zu verkaufen. Eine Einschränkung dahingehend, daß der Einkaufskommissionär vom Erzeuger kaufen müßte, ist dem Handelsrecht fremd.

Auch aus der Fassung des § 53 Abs. 1 Satz 1 UStDB ist eine solche Einschränkung nicht herauszulesen. Die Worte "sogenannten ... Weinkommissionäre" lassen sich damit erklären, daß der Verordnungsgeber auf den im Weinhandelsverkehr üblichen Sprachgebrauch Rücksicht nehmen wollte, nach dem oft alle im Weinhandel auf Provisionsbasis tätigen Personen als "Weinkommissionäre" bezeichnet werden, gleichgültig, ob sie als echte Kommissionäre, als Makler oder als Agenten im Rechtssinne anzusehen sind (vgl. auch Abs. 3 der Begründung des von Bayern eingebrachten Antrags vom 7. Juni 1921 zur Verordnung vom 30. Juni 1921, Zentralblatt für das Deutsche Reich 1921 S. 631, und Urteil des Senats V 281/60 U vom 8. August 1963, BStBl 1963 III S. 430, Slg. Bd. 77 S. 304).

Ebensowenig rechtfertigen die Worte "Weinkommissionäre in den ... Weinbaugebieten" die vom Finanzamt vertretene einschränkende Wortauslegung. Es ist dem Finanzamt zuzugeben, daß die sprachlich am nächsten liegende Auslegung, der Weinkommissionär müsse im Weinbaugebiet seinen Wohnsitz, seine Geschäftsleitung oder eine Betriebstätte haben, ausscheidet, weil ein vernünftiger Grund für eine solche Abgrenzung nicht ersichtlich ist. Eher schon läßt sich die Annahme der Oberfinanzdirektion Frankfurt in ihrer Rundverfügung S 4204 A -- 2 -- BSt 10 vom 9. Mai 1956 (USt-Kartei der Oberfinanzdirektion Frankfurt S 4204 Karte 102 Nr. 1), die vom Finanzgericht geteilt wird, begründen, es komme auf die "Tätigkeit des Kommissionärs in diesen Gebieten" an. Denn durch die Einführung der Begünstigungsvorschrift sollte -- wie sich aus dem oben angeführten Antrag Bayerns vom 7. Juni 1921 ergibt -- im Hinblick auf die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse im damals besetzten Gebiet, das besonders notleidend war (Hereinfluten großer Mengen französischer Weine), die Lage der am Weinbau und Weinhandel beteiligten Kreise gebessert werden.

Möglich ist aber auch, daß den Worten "in den ... Weinbaugebieten" seinerzeit eine rechtlich erhebliche Bedeutung überhaupt nicht beigemessen wurde, sondern durch sie lediglich zum Ausdruck gebracht werden sollte, daß in den Weinbaugebieten alle Vermittler, mögen sie nun Kommissionäre im Rechtssinn oder Makler bzw. Agenten sein, als Weinkommissionäre bezeichnet werden. Dieser Wortsinn gewinnt an Wahrscheinlichkeit, wenn man die Worte "in den ... Weinbaugebieten" mit dem Wort "sogenannten" in Verbindung bringt und weiterhin berücksichtigt, daß es nach der unwidersprochenen Behauptung der Bgin. Weinkommissionäre damals nur in den Weinbaugebieten gab und daß auch heute außerhalb dieser Gebiete echte Kommissionäre im Weinhandel nicht anzutreffen sind. Danach würden die Worte "sogenannten" und "in den Hopfen- und Weinbaugebieten" die Begriffe "Hopfen- und Weinkommissionäre" nur in dem oben angeführten Sinne erläutern, ähnlich wie der in Satz 1 des § 53 Abs. 1 UStDB außerdem erwähnte Begriff "Werbungsmittler" in den nachfolgenden Sätzen 2 und 3 dieser Vorschrift näher umschrieben wird. Demgegenüber läßt sich die Auffassung des Finanzamts -- wie dieses einräumt -- aus dem Wortlaut der streitigen Vorschrift allein nicht herleiten.

Das Finanzamt greift daher zur Stützung seiner Rechtsauffassung auf die Entstehungsgeschichte des § 53 Abs. 1 Satz 1 UStDB, insbesondere auf die Begründung in dem oben angeführten Antrag Bayerns vom 7. Juni 1921, zurück. Dort wird in Abschnitt 1, der die Weinkommissionäre betrifft, der "Verkäufer" des Weines durch eine Klammereinfügung als "Winzer" und in Abschnitt 2, der sich mit dem Hopfenkommissionsgeschäft befaßt, der Hopfenkommissionär als "zwischen dem Produzenten und dem Handel stehend" bezeichnet. Was zunächst die zuletzt erwähnte Bemerkung über die angebliche Funktion des Hopfenkommissionärs anbelangt, so hat sie sich in einem die gleiche Rechtsfrage im Hopfen kommissionshandel betreffenden Rechtsstreit (vgl. das Urteil des Senats V 281/60 U vom 8. August 1963, a. a. O.) als unzutreffend herausgestellt. Nach den in diesem Rechtsstreit getroffenen Feststellungen sind Hopfenkommissionsgeschäfte unmittelbar mit dem Erzeuger im Jahre 1921 nur in geringem Umfang getätigt worden. Die Nürnberger Marktkommissionäre, die durch die beantragte Verordnung gegenüber dem aufkommenden Hopfengroßhandel wettbewerbsfähig erhalten werden sollten, haben in der Regel den Hopfen von den in den Anbaugebieten ansässigen, in eigenem Namen und für eigene Rechnung auftretenden Platzhändlern und Aufkäufern und nicht unmittelbar von den Hopfenerzeugern erworben. Wenngleich die Verhältnisse im Weinkommissionsgeschäft anders gelagert sind und die Weinkommissionäre -- wie die Bgin. zugibt -- seit jeher den Wein in der Hauptsache von den Winzern bezogen haben, so verliert die Sachdarstellung in dem Antrag vom 7. Juni 1921 durch die Fehlbegründung beim Hopfenkommissionsgeschäft an Überzeugungskraft. Es kommt hinzu, daß die Gleichstellung des Weinverkäufers mit dem Winzer in Abschnitt 1 dieses Antrages nur nebenbei -- nämlich anläßlich der Frage, wer die Kommissionsgebühr zu tragen hat -- erfolgt ist und die Klammereinfügung möglicherweise lediglich den Hauptfall des Kommissionsgeschäfts andeuten sollte.

Durch die Besteuerung der Weinkommissionsgeschäfte nur mit den Vermittlungsgebühren sollten -- wie das Finanzamt in der Rechtsbeschwerdeschrift zutreffend ausführt -- Weinbau und Weinhandel gefördert werden. Es läßt sich aber nicht feststellen, daß die Absicht bestand, die Vorteile aus der niedrigeren Besteuerung jedes einzelnen Weinhandelsgeschäfts beiden Sparten unmittelbar und in gleicher Höhe zugute kommen zu lassen. Eine niedrigere Umsatzsteuer bei den Weinkommissionsgeschäften kann sich über eine Beschleunigung und Steigerung des Absatzes und einen gebietsweisen Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage auch bei Umsätzen von Weinhandel zu Weinhandel mittelbar für den Weinbau günstig auswirken. Eine übermäßige wirtschaftliche Belastung der Weinkommissionäre durch zu hohe Steuer anderseits schadet infolge der dadurch eintretenden Verringerung ihrer Leistungsfähigkeit letztlich auch dem Weinbau. Das Finanzamt verkennt diese wirtschaftlichen Zusammenhänge, wenn es glaubt, der Zweck der Verordnung vom 30. Juni 1921 und des heutigen § 53 Abs. 1 Satz 1 UStDB spreche eindeutig für eine einschränkende Auslegung dieser Vorschrift in dem von ihm angenommenen Sinne.

Es ist richtig, daß die Vermittlung ausländischer Weine der inländischen Wein erzeugung im Einzel falle eher schaden als nützen wird. Sie kann aber in schlechten Weinjahren dem Wein handel und dem Weinkommissionshandel, deren Förderung § 53 Abs. 1 Satz 1 UStDB ebenfalls dient, über Krisenzeiten hinweghelfen. Bei der -- vom Finanzamt nicht bestrittenen -- sehr geringen Bedeutung der Vermittlung ausländischer Weine im Weinkommissionshandel sieht der Senat mangels entsprechender Vorschriften keine Möglichkeit, diese Geschäfte anders zu behandeln, als die Vermittlungsgeschäfte mit inländischen Weinen. § 53 Abs. 1 Satz 1 UStDB bezweckt, den Beruf des Weinvermittlers, der für fremde Rechnung tätig und nur mit einer geringen Vermittlungsgebühr entlohnt wird, zu begünstigen, nicht aber bestimmte Weinvermittlungsgeschäfte (vgl. das Urteil des Senats V 88/58 U vom 7. April 1960, a. a. O.).

In jedem Falle bleibt die Frage offen, warum der Verordnungsgeber bei der Abfassung der Verordnung vom 30. Juni 1921 und bei den zahlreichen Änderungen der UStDB in den letzten Jahrzehnten, wenn er das Weinkommissionsgeschäft nur beim Erwerb inländischer Weine unmittelbar vom inländischen Winzer begünstigen wollte, dies nicht klar zum Ausdruck gebracht hat. Der Senat ist der Ansicht, daß eine mehrdeutige Vorschrift grundsätzlich nicht zuungunsten der Steuerpflichtigen ausgelegt werden darf, insbesondere dann nicht, wenn Sinn und Zweck dieser Vorschrift und ihre Entstehungsgeschichte selbst eine verschiedene Deutung zulassen.

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts war daher als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411436

BStBl III 1965, 107

BFHE 1965, 299

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