Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Darlehen, die als verdecktes Stammkapital zu behandeln sind, sind keine Dauerschulden.
Normenkette
LAG § 92
Tatbestand
Die Bgin., eine Grundstücksgesellschaft mbH (kurz: GmbH), befaßt sich mit der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes. Am Währungsstichtage war sie Eigentümerin eines Grundstückes in Berlin (Ost) und eines Grundstückes in Berlin (West). In ihrer RM-Schlußbilanz zu der Erklärung über Schuldnergewinne aus ungesicherten Verbindlichkeiten nach § 92 LAG wies sie unter anderem noch einen Betrag von 52.796,46 RM als Darlehnsschulden mit sieben verschiedenen Gläubigern aus. In die DM-Eröffnungsbilanz ist der Posten mit 5.279,65 DM übernommen worden. Das Finanzamt unterwarf die GmbH nach § 92 LAG wegen der Umstellung ungesicherter Verbindlichkeiten der Hypothekengewinnabgabe und verteilte gemäß § 46 der Neunzehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz den Schuldnergewinn auf die beiden Grundstücke; dabei entfiel auf das in Berlin (West) belegene Grundstück ein Teilbetrag von 14.819,97 DM. Gegen diesen Verteilungsbescheid legte die GmbH Rechtsmittel ein.
Sie wandte sich gegen die Heranziehung zur Hypothekengewinnabgabe, da die Darlehen von ihren im Auslande ansässigen Gesellschaftern gegeben und bisher als verdecktes Stammkapital behandelt worden seien. Im Jahre 1941 hat nach Angaben der Bgin. auf diese Darlehen bereits eine Rückzahlung in Höhe von 120.000 RM stattgefunden.
Das Finanzamt sah die Verbindlichkeiten als Dauerschulden im Sinne des Gewerbesteuerrechtes an und wies den Einspruch zurück. Die Vorinstanz hob diese Entscheidung auf und änderte den vorläufigen Hypothekengewinnabgabebescheid dahin ab, daß die Abgabeschuld zum 25. Juni 1948 auf 1.324,70 DM und zum 1. April 1952 auf 1.150,82 DM festgesetzt wurde. Bei den Darlehen handele es sich nicht um Dauerschulden, sondern um verdecktes Stammkapital. Maßgebend sei nicht die äußere Form, in die die Beteiligten ihre Abmachungen kleiden, sondern ihr wirklicher Wille, wie er sich aus der tatsächlichen Gestaltung der Dinge ergebe. Eine andere Behandlung der Darlehen bei den Lastenausgleichsabgaben würde der steuerlichen Gerechtigkeit widersprechen. Nur der von Dr. E. G. hingegebene Betrag sei ein echtes Darlehen.
Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Rechtsanwendung. Die Einspruchsentscheidung befasse sich nur mit dem Verteilungsbescheide; darum hätte die Vorinstanz nicht über die Abgabeschuld entscheiden dürfen.
Die Tatsache allein, daß die Gesellschafter-Darlehen bei anderen Steuerarten als verdecktes Stammkapital behandelt worden seien, schließe nicht aus, daß diese Darlehen für die Frage der Erhebung einer Hypothekengewinnabgabe als Dauerschulden im Sinne des § 92 LAG anzusehen seien. Die Gesellschaft habe mindestens im Zeitpunkte der Währungsreform die Gesellschafter-Darlehen als Verbindlichkeiten angesehen; denn sie habe die Darlehen in der DM-Eröffnungsbilanz als im Verhältnis 10 : 1 umgestellte Verbindlichkeiten ausgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen.
Dem Bf. ist darin beizutreten, daß die Tatsache allein, daß die Gesellschafter-Darlehen bei anderen Steuern als verdecktes Stammkapital behandelt worden sind, für die Beurteilung bei der Hypothekengewinnabgabe nicht entscheidend ist. Die Vorinstanz ist aber auf Grund eigener Beurteilung zu dem Ergebnis gekommen, daß es sich zum überwiegenden Teil bei dem in Rede stehenden Posten um verdecktes Stammkapital handelt. Hierin ist ein Rechtsirrtum nicht zu erkennen.
Gesellschafter-Darlehen sind als verdecktes Stammkapital zu behandeln, wenn die Zuführung weiterer Mittel objektiv notwendig und das Einspringen der Gesellschafter zwingend war, weil das erforderliche Kapital im Wege der Aufnahme von fremden Krediten nicht hätte beschafft werden können (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 114/57 U vom 15. Juli 1960, BStBl 1960 III S. 400, Slg. Bd. 71 S. 403). Von dem Bf. ist nichts dafür vorgetragen, daß die Vorinstanz diesen Tatbestand zu Unrecht angenommen hätte. Im Gegenteil stimmt diese Rechtsansicht mit der sonstigen steuerlichen Beurteilung durch das Finanzamt überein.
Zwischen Schulden und verdecktem Stammkapital besteht für die steuerliche Beurteilung ein grundlegender Unterschied. Schulden sind vom Rohvermögen abzugsfähig und Schuldzinsen mindern den Ertrag. Verdecktes Stammkapital wird dagegen steuerlich wie Eigenkapital der Gesellschaft behandelt, das heißt es wird zum Vermögen der Gesellschaft gerechnet und den Steuern vom Vermögen unterworfen. Ausweislich der Akten (vgl. auch den Betriebsprüfungsbericht vom 27. Februar 1958) ist bei der Festsetzung des Einheitswertes der GmbH für die "Gesellschafter-Darlehen" kein Abzug vom Rohvermögen vorgenommen worden. Die selbständige Beurteilung der Vorinstanz, die anscheinend vom Bf. bestritten wird, findet darin ihren Ausdruck, daß diese nicht den gesamten bei der Einheitsbewertung vom Abzuge ausgeschlossenen Betrag als verdecktes Stammkapital behandelt, sondern das Darlehen des Dr. E. G. als echte Schuld behandelt hat, die danach auch beim Einheitswert hätte vom Rohvermögen abgezogen werden müssen. Soweit aber das Finanzamt beim Einheitswert den Schuldabzug mit Recht versagt und die Darlehen zum Eigenkapital der GmbH gerechnet hat, muß diese Betrachtung auch bei der Beurteilung nach § 92 LAG Platz greifen. Jedenfalls können die in Rede stehenden Posten nur entweder Stammkapital oder Schulden sein, nicht aber beim Einheitswert Stammkapital und bei der Hypothekengewinnabgabe Schulden; bei einer solchen Handhabung müßte die Abgabepflichtige vom gleichen Betrage sowohl Vermögensabgabe wie Hypothekengewinnabgabe bezahlen, was vom Gesetzgeber jedenfalls nicht gewollt ist.
Sind die in Rede stehenden Posten keine Schulden, so können sie auch keine Dauerschulden sein, eine Hypothekengewinnabgabe kann insoweit nicht entstehen. Andererseits ist auch gegen die Behandlung des Darlehens des Dr. E. G. als echte Verbindlichkeiten bei der Hypothekengewinnabgabe nichts einzuwenden. Es muß dahingestellt bleiben, ob dieses "Darlehen" als echte Schuld anzusehen wäre, wenn der Tatbestand vollständig aufgeklärt werden könnte; dies können die Beteiligten offenbar nicht. Aus den Akten läßt sich jedenfalls etwas Gegenteiliges nicht herleiten, die GmbH hat diese Beurteilung gebilligt und ihren Antrag in der Vorinstanz insoweit geändert. Für diesen Betrag ist die Beurteilung beim Einheitswert für das Hypothekengewinnabgabeverfahren nicht bindend.
Richtig ist aber, daß sich das vorliegende Rechtsmittel nur gegen den Verteilungsbescheid richtete, der ein selbständig anfechtbarer Grundlagenbescheid ist. Der vorläufige Hypothekengewinnabgabebescheid ist mit dem angefochtenen Bescheid nicht identisch und mit einem anderen Rechtsmittel angefochten. Die Vorinstanz hat darum mit ihrem Ausspruch über den Hypothekengewinnabgabebescheid über ein anderes Rechtsmittel entschieden, das nicht ihrer Beurteilung unterlag. Die Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 1958 werden aufgehoben. Die Sache geht zur Neuberechnung des Verteilungsbescheides entsprechend den vorstehenden Ausführungen an das Finanzamt zurück.
Bei der Kostenentscheidung ist zu beachten, daß auch bezüglich des Verteilungsbescheides die GmbH zum Teil unterlegen ist. Die Beschränkung des Rechtsmittelantrages hat keinen Einfluß auf die Kostenpflicht, weil trotz der teilweisen Zurücknahme die Pflicht der Rechtsmittelbehörde zur Prüfung auch dieses Teilanspruches von Amts wegen bestehen bleibt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 696 - 697/54 U vom 24. Januar 1957, BStBl 1957 III S. 106, Slg. Bd. 64 S. 279).
Fundstellen
Haufe-Index 410440 |
BStBl III 1962, 279 |
BFHE 1963, 26 |
BFHE 75, 26 |