Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die auf Grund von Geschäftsbesorgungsverträgen tätigen Bezirksstellenleiter der Staatlichen Sportwetten GmbH Hessen und der Staatlichen Zahlenlotto GmbH Hessen sind nicht Arbeitnehmer, sondern Unternehmer im Sinne des UStG.
Normenkette
UStG § 2 Abs. 1, § 2/2/1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Stpfl.) ist von der Staatlichen Sportwetten GmbH Hessen und der Staatlichen Zahlenlotto GmbH Hessen (GmbH) beauftragt, als Bezirksstellenleiter tätig zu werden und die Abrechnung in seinem Bezirk durchzuführen. Diese Tätigkeit übte er im Jahre 1963 auf Grund des damals maßgebenden Geschäftsbesorgungsvertrags, ergänzt durch die Geschäftsanweisung für Bezirksstellenleiter aus. Als Vergütung erhielt er einen sog. Sockelbetrag und eine nach dem Umsatz gestaffelte Provision. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) zog den Stpfl. mit der gesamten Vergütung zur Umsatzsteuer heran.
Die Sprungberufung blieb erfolglos. In der als Revision zu behandelnden Rb. (§ 184 Abs. 2, §§ 115 ff. FGO) bezieht sich der Stpfl. auf das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts (FG) V 148/60 vom 31. Juli 1964, die Entscheidung des Bundessozialgerichts 2 RU 196/62 vom 9. Dezember 1964, das Urteil des BFH IV 49/58 U vom 15. Juni 1960 (BFH 71, 270, BStBl III 1960, 349), das auch für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung bindend sein müßte, und ferner auf die Neufassung des § 4 Ziff. 17 durch das 16. UStändG vom 26. März 1965 (BGBl I 1965, 156, BStBl I 1965, 107).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat für die Frage, ob eine natürliche Person selbständig oder nicht selbständig im Sinne des § 2 UStG ist, neben anderen Entscheidungen zutreffend das BFH-Urteil I 200/59 S vom 3. Oktober 1961 (BFH 73, 827, BStBl III 1961, 567) herangezogen, dem sich der erkennende Senat im Urteil V 133/59 U vom 12. April 1962 (BFH 74, 699, BStBl III 1962, 259) angeschlossen hat. Die in diesen Entscheidungen aufgestellten Grundsätze wurden von der Vorinstanz beachtet.
Im Geschäftsbesorgungsvertrag ist vereinbart worden, daß der Stpfl. selbständiger Gewerbetreibender ist und zu den GmbH weder in einem Angestellten- noch in einem Handelsvertreterverhältnis steht. Er hat nach dem Vertrag die ihm übertragenen Aufgaben mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu erfüllen und haftet für Schäden durch Sorgfaltsverletzung. Diese klare Fassung deutet auf den Willen der Vertragsschließenden hin, ein Arbeitnehmerverhältnis nicht zu begründen. Für die steuerrechtliche Beurteilung kommt es zwar, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, nicht entscheidend auf die von den Vertragsparteien gewählten Erklärungen und Bezeichnungen, sondern auf den wirklichen Willen der Beteiligten an. Wesentlich ist, ob die bürgerlich-rechtliche Bezeichnung das von den Vertragsschließenden Gewollte und wirtschaftlich Angestrebte zutreffend wiedergibt und die tatsächlichen Verhältnisse entsprechend gestaltet sind. Dies ist zu bejahen.
Der Stpfl. hat im Verfahren vor dem FG keine Tatsachen vorgetragen, aus denen geschlossen werden könnte, die GmbH habe ihn - entgegen den Vereinbarungen - als Arbeitnehmer angesehen und behandelt, z. B. durch Einbehaltung von Lohnabzugsbeträgen, Gewährung eines bezahlten Urlaubs, Stellung von Betriebsmitteln und eines Arbeitsplatzes oder dergleichen. Er selbst hat ebenfalls die tatsächlichen Verhältnisse so gestaltet, wie dies seiner im Vertrag vorgesehenen Stellung als selbständiger Gewerbetreibender entspricht. Nach den unbestrittenen Feststellungen der Vorinstanz und nach dem eigenen Vorbringen des Stpfl. unterhält dieser - wie im Vertrag vorgesehen - auf eigene Kosten im eigenen Namen gemietete Büroräume, die mit selbst beschafften Einrichtungsgegenständen ausgestattet sind. Er beschäftigt auf seine Rechnung Arbeitnehmer, die nur zu ihm und nicht zu den GmbH in Rechtsbeziehungen stehen. Er tritt auch nach außen unter seinem Namen auf und ermittelt schließlich den Gewinn nach § 5 EStG durch Vermögensvergleich. Auf die Geschäftsausstattung nahm er Absetzungen für Abnutzung vor.
Diese Umstände lassen erkennen, daß sowohl der Stpfl. als auch die GmbH bei der tatsächlichen Durchführung des Vertrages davon ausgegangen sind, ein Arbeitnehmerverhältnis liege nicht vor. Der Stpfl. betrachtete sich demnach in übereinstimmung mit den GmbH nicht als deren Arbeitnehmer, sondern als selbständigen Unternehmer, wie es vertraglich vereinbart war.
Das Innenverhältnis zwischen dem Stpfl. und den GmbH läßt eindeutig erkennen, daß eine selbständige gewerbliche Tätigkeit des Stpfl. gewollt war und auch tatsächlich gestaltet worden ist. Diese von den Vertragsschließenden in der Vereinbarung zum Ausdruck gebrachte Beurteilung ihres Vertragsverhältnisses ist auch steuerrechtlich bedeutungsvoll und spricht für eine Selbständigkeit des Stpfl. im Sinne des UStG. Dem entspricht auch, daß der Stpfl. durch gestaffelte Provisionen entlohnt worden ist. Zwar ist die Art der Entlohnung nicht allein ausschlaggebend, aber im Zusammenhang mit anderen für die Selbständigkeit sprechenden Merkmalen ein weiteres Anzeichen dafür. Dies gilt auch für die Regelung, nach der dem Stpfl. ein Anspruch auf bezahlten Urlaub nicht zustand. Schließlich hatte er auch, wie das FG ohne Rechtsirrtum ausgeführt hat, wirtschaftlich ein Unternehmerwagnis zu tragen durch Beschäftigung eigener Arbeitnehmer, Zahlung der Miete für seine Geschäftsräume, Anschaffung der Büroeinrichtung, Aufwendungen zur Bewirtung usw. seiner Arbeitnehmer, Kuriere und Abholer und durch die übernahme aller mit seiner Stellung als Bezirksstellenleiter verbundenen Unkosten, deren Höhe er nach den Erfordernissen seiner Aufgaben selbst bestimmen konnte. Bei Einnahmen von rd. ... DM betrugen die geltend gemachten Aufwendungen etwa mehr als 80 v. H. Kosten dieser Art und Höhe sind, auch wenn sie dem Grunde nach vertraglich bedingt sind, nicht Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen eines Arbeitnehmers (§ 9 EStG), sondern typische Betriebsausgaben eines Unternehmers, der im Rahmen seiner Aufgaben selbst über die Höhe der Unkosten entscheiden und durch Auswahl zuverlässiger Hilfskräfte sowie durch eigene intensive Arbeit Schadenersatzansprüche vermeiden kann.
Auf die Art der Tätigkeit des Stpfl., aus der er seine Eingliederung in den Organismus der GmbH hergeleitet wissen will, kommt es nach der anfangs zitierten neueren Rechtsprechung des BFH nicht an, da das Gesamtbild der beruflichen Stellung entscheidend ist. Aus den vom Stpfl. vertraglich übernommenen Geschäften als Bezirksstellenleiter, die er mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu erfüllen hatte, ergibt sich zwangsläufig eine gewisse Gebundenheit an allgemeine Weisungen durch den Geschäftsbesorgungsvertrag und die Geschäftsanweisung. Solche allgemeinen, die Buchführung, Geschäftsführung, Sicherung der eingegangenen Beträge und den Zeitplan betreffenden Anweisungen sind durch den Umfang und die besondere Art des Geschäftsbetriebs der GmbH bedingt. Dies bedeutet jedoch nicht, daß der Stpfl., zumal ihm irgendwelche Einzelanweisungen nicht erteilt worden sind, wegen der Erledigung der übernommenen Aufgaben verwaltender Art nach Zeit und Ort gebunden war. Er mußte der GmbH den Erfolg seiner und seiner Hilfskräfte Arbeit zu bestimmten Terminen vorlegen, war aber nicht, wie ein Arbeitnehmer, verpflichtet, die Aufgaben zu bestimmten Dienstzeiten persönlich zu erledigen. Er konnte und in bestimmten Fällen mußte er sich vertreten lassen und auch Hilfskräfte beschäftigen.
Auf die Entscheidung des Niedersächsischen FG V 148/60 vom 31. Juli 1964 kann sich der Stpfl. nicht mit Erfolg berufen, da diese nicht rechtskräftig und mit der Auffassung des Senats nicht vereinbar ist.
Der Hinweis des Stpfl. auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 9. Dezember 1964, mit dem einem Bezirksstellenleiter eine Unfallentschädigung zugesprochen wurde, greift nicht durch. Wenn das Bundessozialgericht ausführt, daß der steuerrechtlichen Behandlung der Bezirksstellenleiter für die Beurteilung der Versicherungspflicht keine Bedeutung zukomme, so ist darauf hinzuweisen, daß bei der Eigengesetzlichkeit der Umsatzsteuer Entscheidungen auf anderen Rechtsgebieten ebenfalls nicht ohne weiteres zum Vergleich herangezogen werden können (BFH-Urteil V 277/56 U vom 26. November 1959, BFH 70, 103, BStBl III 1960, 39).
Auf das BFH-Urteil IV 49/58 U vom 15. Juni 1960 (a. a. O.) kann der Stpfl. sein Revisionsbegehren nicht stützen, da dieses Urteil noch von der früheren Rechtsprechung ausgeht und die Frage der Selbständigkeit oder Nichtselbständigkeit von der Art der Tätigkeit abhängig macht. Die Ausführungen in dem die Gewerbesteuerpflicht eines Bezirksstellenleiters betreffenden Urteil IV 49/58 U vom 15. Juni 1960 (a. a. O.) sind demnach nicht, wie der Stpfl. meint, für die Umsatzsteuer zu übernehmen und auf keinen Fall für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung bindend.
Aus der Neufassung des § 4 Ziff. 17 durch das 16. USt-ändG lassen sich zugunsten des Stpfl. keine Schlüsse ziehen. Danach sind lediglich die Umsätze aus der verwaltenden Tätigkeit der Versicherungsvertreter steuerfrei, nicht aber Umsätze aus irgendwie gearteten verwaltenden Tätigkeiten anderer Unternehmer.
Fundstellen
Haufe-Index 412557 |
BStBl III 1967, 525 |
BFHE 1967, 49 |
BFHE 89, 49 |