Leitsatz (amtlich)
1. Bestellen Eltern ihren minderjährigen Kindern den Nießbrauch an einem bebauten Grundstück, können die Kinder nur dann Einkünfte aus Vermietung i. S. des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielen, wenn zu ihren Gunsten ein bürgerlich-rechtlich wirksames Nutzungsrecht begründet worden ist.
2. Durch die Bestellung eines Nießbrauchs erlangt der Nießbraucher nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil i. S. des § 107 BGB. Wegen Verstoßes gegen § 181 BGB ist darum ein wirksames Nutzungsrecht nicht begründet worden, wenn Eltern ihren minderjährigen Kindern ohne Mitwirkung eines Pflegers den Nießbrauch eingeräumt haben.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine Ehefrau haben mit notariellem Vertrag vom 28. November 1968 ihren Kindern M (geboren 1964) und S (geboren 1965) den Nießbrauch an einem ihnen gehörenden Mietwohngrundstück eingeräumt. Nachdem bei einer Betriebsprüfung festgestellt worden war, daß bei der Bestellung des Nießbrauchs kein Pfleger mitgewirkt hatte, rechnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1971 die Einkünfte aus dem Mietwohngrundstück nicht mehr den Kindern sondern den Eltern zu. Dadurch verminderte sich der geltend gemachte Verlust um 3 472 DM.
Nach erfolglosem Einspruch wies das Finanzgericht (FG) die Klage mit im wesentlichen folgender Begründung ab: Da der Nießbrauch zugunsten der Kinder bürgerlich-rechtlich nicht wirksam bestellt worden sei, müsse er auch steuerlich unberücksichtigt bleiben. Die Kinder selbst hätten bei Abschluß der Nießbrauchsvereinbarung noch keine rechtlich beachtlichen Willenserklärungen abgeben können, da sie das 7. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten (§§ 104, 105 BGB). Einer wirksamen Vertretung der Kinder durch die Eltern stehe § 181 BGB entgegen, weil die Bestellung des Nießbrauchs den Kindern nicht nur einen rechtlichen Vorteil brachte. Daß das Vormundschaftsgericht einen Antrag des Klägers auf Bestellung eines Pflegers zum Abschluß des Vertrages abgelehnt habe, sei vom Kläger nicht dargetan.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Er führt aus: Die Schenkung eines Nießbrauchs an einem Grundstück sei entgegen der Auffassung des FG ein Rechtsgeschäft, das dem Beschenkten lediglich einen rechtlichen Vorteil bringe. Die Einräumung des Nießbrauchs zugunsten der Kinder sei zudem ernsthaft gewollt und tatsächlich durchgeführt worden.
Denn das Nießbrauchsrecht sei im Grundbuch eingetragen worden, und die Erträge aus dem Grundstück seien den Kindern zugeflossen. Bei dieser Sachlage komme es auf die zivilrechtliche Wirksamkeit des Schenkungsvertrages letztlich gar nicht an. Denn bei Unwirksamkeit des Vertrages seien die Kinder lediglich zur Aufgabe ihrer dinglichen Rechtsposition verpflichtet. Dabei müßten sie von einem Ergänzungspfleger vertreten werden. Eine solche Verzichtserklärung würde aber kein Ergänzungspfleger abgeben, solange keine eindeutige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) vorliege, daß die schenkweise Einräumung eines Grundstücksnießbrauchs an geschäftsunfähige oder beschränkt geschäftsfähige Kinder der Mitwirkung eines Ergänzungspflegers bedürfe.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG sowie die Einspruchsentscheidung des FA und den berichtigten Einkommensteuerbescheid 1971 aufzuheben und das Einkommen 1971 um 3 472 DM zu ermäßigen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Ob nach einer Nießbrauchsbestellung dem Nießbraucher oder weiterhin dem Eigentümer (Nießbrauchsbesteller) die Einkünfte zuzurechnen sind, hängt davon ab, wer von beiden den Tatbestand der Einkunftserzielung i. S. des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfüllt. Handelt es sich - wie im Streitfall - um einen Nießbrauch, den Eltern zugunsten ihrer minderjährigen Kinder bestellen, ist Voraussetzung für eine Tatbestandsverwirklichung durch die Kinder, daß ein bürgerlich rechtlich wirksames Nutzungsrecht der Kinder begründet worden ist. Unabhängig von der Frage der Ernsthaftigkeit der Vereinbarung (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. Januar 1980 I R194/77, BFHE 130, 265, BStBl II 1980, 449) ist die zivilrechtliche Wirksamkeit des Vertrags erforderlich, um eine klare Trennung zwischen Verwaltung des eigenen Vermögens und Verwaltung des Kindesvermögens durch die Eltern zu gewährleisten. Fehlt es an einem bürgerlich-rechtlich wirksamen Nutzungsrecht, so können die Eltern - obwohl sie dies gemäß § 1626 Abs. 1 BGB als Vermögenssorgeberechtigte ihrer Kinder dürften - einen Vermögensgegenstand "Nutzungsrecht am Grundstück" nicht verwalten.
2. Das FG hat im Streitfall zu Recht die Einkünfte aus der Vermietung des Grundstücks dem Kläger und seiner Ehefrau zugerechnet, weil ein bürgerlich-rechtlich wirksames Nutzungsrecht zugunsten der Kinder nicht bestellt worden ist.
a) Gemäß §§ 104, 105 BGB konnten die Töchter, da sie zum Zeitpunkt der Nießbrauchsbestellung das 7. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, keine rechtlich erheblichen Willenserklärungen abgeben. Sie waren bei der Bestellung des Nießbrauchs (§ 873 BGB) aber auch nicht wirksam vertreten, weil der Kläger und seine Ehefrau, die als gesetzliche Vertreter ihrer Kinder aufgetreten sind, gemäß § 181 BGB an der Vertretung gehindert waren.
Zwar ist nach der Rechtsprechung des BGH ein sog. Insichgeschäft - also ein Rechtsgeschäft, das jemand als Vertreter eines anderen mit sich im eigenen Namen vornimmt - über den Wortlaut des § 181 BGB hinaus auch dann zulässig, wenn dieses dem Vertretenen lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt (vgl. Urteil vom 27. September 1972 IV ZR 225/69, BGHZ 59, 236). Die Nießbrauchsvereinbarung vom 28. November 1968 brachte den Töchtern des Klägers dagegen nicht nur einen rechtlichen Vorteil, sondern auch rechtliche Nachteile.
aa) Der BGH hat die Frage, ob die Bestellung eines Nießbrauchs dem Nießbrauchsberechtigten lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt oder nicht, bisher noch nicht entschieden (vgl. Urteil vom 5. Februar 1971 V ZR 91/68, Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs - LM -, § 107 BGB Nr. 7, wo diese Frage ausdrücklich offengelassen worden ist). In der zivilrechtlichen Literatur wird überwiegend die Auffassung vertreten, daß in den kraft Gesetzes entstehenden Verpflichtungen des Nießbrauchers gegenüber dem Eigentümer der rechtliche Nachteil der Nießbrauchsbestellung liege (vgl. Heinrichs in Palandt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 39. Aufl., § 107 Anm. 2; Gitter in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 107 Anm. 24; Lange in Neue Juristische Wochenschrift 1955 S. 1339 - NJW 1955, 1339 - mit weiteren Nachweisen; anderer Ansicht: Jauernig in Jauernig-Schlechtriem-Stürner-Teichmann-Vollkommer, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 107 Anm. 2; vgl. auch Coing in Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 11. Aufl., § 107 Anm. 7, der alle gegenseitigen Vertrage für einwilligungsbedürftig i. S. des § 107 BGB hält). Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an. Mit der Begründung des Nießbrauchs an einem Grundstück (§ 1030 Abs. 1, § 873 Abs. 1 BGB) entsteht zwischen dem Nießbraucher und dem Eigentümer zugleich auch ein gesetzliches Schuldverhältnis mit beiderseitigen Rechten und Pflichten (vgl. Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 29. März 1977 2 Z 25/76, Der Rechtspfleger 1977, S. 251). Die Verpflichtungen des Nießbrauchers gegenüber dem Eigentümer ergeben sich insbesondere aus § 1041 BGB (Pflicht zur Erhaltung der Sache), § 1045 BGB (Versicherungspflicht der Sache) und § 1047 BGB (Pflicht zur Lastentragung). Da es bei der Frage, ob ein Rechtsgeschäft nur einen rechtlichen Vorteil bringt, nicht auf die wirtschaftliche Bewertung, sondern allein auf die rechtlichen Folgen ankommt (vgl. BGH in LM § 107 BGB Anm. 7), liegt in diesen persönlichen Verpflichtungen des Nießbrauchers bereits ein rechtlicher Nachteil. Entgegen der Ansicht von Jauernig (a. a. O.) ist es für die Annahme eines rechtlichen Nachteils nicht erforderlich, daß die Verpflichtungen des Nießbrauchers rechtsgeschäftlich bestimmt sind, vielmehr reicht es aus, daß - wie beim Nießbrauch -durch das Rechtsgeschäft gesetzliche Verpflichtungen begründet werden (vgl. BGH in LM, § 107 BGB Anm. 7).
Da der Kläger und seine Ehefrau danach an der Vertretung ihrer Kinder gehindert waren, hätte zum wirksamen Abschluß des Nießbrauchsvertrages gemäß § 1909 BGB ein Pfleger bestellt werden müssen (vgl. auch das rechtskräftige Urteil des FG Düsseldorf -Senate in Köln - vom 26. April 1976 VIII (VII) 84/70 F, Entscheidungen der Finanzgerichte 1976 S. 555 - EFG 1976, 555 -).
bb) Dieser Auffassung steht das BFH-Urteil vom 8. August 1978 VII R 125/74 (BFHE 125, 500, BStBl II 1978, 663) nicht entgegen. Dort ist entschieden, daß durch einen Vertrag, in dem Eltern in vorweggenommener Erbfolge ihrem minderjährigen Kind ein Grundstück unentgeltlich - aber gegen Übernahme der bestehenden dinglichen Belastungen und gegen Einräumung des Nießbrauchs - zuwenden, das Kind lediglich einen rechtlichen Vorteil i. S. des § 107 BGB erlangt. Der VII. Senat hat sich bei dieser Entscheidung auf ein Urteil des Reichsgerichts vom 10. September 1935 III 42/35 (RGZ 148, 321, 324) und die überwiegende Meinung in der zivilrechtlichen Literatur (vgl. Palandt, a. a. O., § 107 Anm. 2 mit weiteren Nachweisen) gestützt, wonach lediglich ein rechtlicher Vorteil dann gegeben ist, wenn der Minderjährige aus seinem Vermögen, das er vor Abschluß des Vertrages besaß, nichts aufgeben und keine neue Belastung auf sich nehmen muß, damit der Vertrag zustande kommt. Im Gegensatz zu diesen Fällen, in denen das Eigentum an einem belasteten Grundstück unentgeltlich übertragen wird, wird im Streitfall lediglich ein Nutzungsrecht an fremdem Eigentum eingeräumt, das eine Reihe von Verpflichtungen beinhaltet.
Ebensowenig kann die Rechtsprechung des BGH, wonach die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft für einen minderjährigen Kommanditisten, dessen gesetzlicher Vertreter als persönlich haftender Gesellschafter an derselben Gesellschaft beteiligt ist, nicht gerechtfertigt ist (vgl. Beschluß vom 18. September 1975 II ZB 6/74, BGHZ 65/93; vgl. dazu auch die BFH-Urteile vom 29. Januar 1976 IV R 102/73, BFHE 118, 181, BStBl II 1976, 328, und vom 23. Juni 1976 I R178/74, BFHE 119, 421, BStBl II 1976, 678), für den Streitfall Anwendung finden. Zwar hat der erkennende Senat unter Berufung auf diese Rechtsprechung die Bestellung eines Ergänzungspflegers für die Dauer des Nießbrauchs nicht für erforderlich gehalten (vgl. BFH-Urteil vom 13. Mai 1980 VIII R 63/79, BFHE 131, 212, BStBl II 1981, 295).
Die Dauerergänzungspflegschaft ist jedoch nicht vergleichbar mit einer Pflegschaft in dem hier vorliegenden Fall, in dem der gesetzliche Vertreter an dem Abschluß eines einzelnen Rechtsgeschäfts rechtlich gehindert ist (vgl. dazu BGHZ 65/93, 100f.).
b) Der wegen Verstoßes gegen § 181 BGB schwebend unwirksame Nießbrauchsvertrag (vgl. Palandt, a. a. O. § 181 Anm. 3; Thiele in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 181 Anm. 39) kann weder durch einen Pfleger mit steuerrechtlicher Wirkung für die Vergangenheit genehmigt werden, noch ist die schwebende Unwirksamkeit im Hinblick auf § 5 Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes StAnpG -(jetzt: § 41 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977-) ohne Bedeutung für die Besteuerung.
Die Genehmigung der Nießbrauchsbestellung durch einen noch zu bestellenden Pfleger würde zwar zivilrechtlich auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zurückwirken (§ 184 Abs. 1 BGB), steuerrechtlich könnte eine Rückwirkung dagegen nicht anerkannt werden. Denn ebenso wie die zivilrechtliche Rückbeziehung eines Vertrages steuerrechtlich grundsätzlich unbeachtlich ist, muß auch die zivilrechtliche Rückwirkung einer erst Jahre nach dem Vertragsabschluß herbeigeführten Genehmigung durch einen Pfleger für die Besteuerung außer Betracht bleiben, weil erst vom Zeitpunkt der Genehmigung an tatsächlich und rechtlich alle Folgerungen aus dem bisher schwebend unwirksamen Vertrag gezogen werden können (vgl. BFH-Urteile vom 4. Juli 1968 IV 136/63, BFHE 92, 474, BStBl II 1968, 671 und vom 1. Februar 1973 IV R 49/68, BFHE 108, 197, BStBl II 1973, 307).
Die Vereinbarung könnte selbst dann nicht berücksichtigt werden, wenn - was die Vorentscheidung offengelassen hat - die Eltern die Mietverträge mit Dritten im Namen der Kinder abgeschlossen und die Mieteinnahmen für die Kinder in der nach § 1642 BGB i. V. m. § 1807 BGB erforderlichen Form angelegt hätten. Denn die Anwendbarkeit von § 5 Abs. 3 StAnpG ist nicht nur davon abhängig, ob die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis des unwirksamen Rechtsgeschäfts eintreten lassen wollen, sondern auch davon, ob sie es können (vgl. Meßmer, Steuerberaterjahrbuch 1979/80, S. 163, 247).
Fundstellen
Haufe-Index 413389 |
BStBl II 1981, 297 |
BFHE 1981, 208 |