Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Der Einwand, eine GmbH sei zu Beginn des 21. Juni 1948 steuerlich noch nicht existent gewesen, kann nach § 232 Abs. 2 AO nur durch Anfechtung des Einheitswertbescheides für das Betriebsvermögen dieser GmbH zum 21. Juni 1948, nicht auch durch Anfechtung des Vermögensabgabenveranlagungsbescheides geltend gemacht werden. Das BFH-Urteil III 216/51 S vom 19. Dezember 1952 (BStBl 1953 III S. 54, Slg. Bd. 57 S. 135) betrifft einen besonders gelagerten Sachverhalt und kann im Streitfall nicht angewandt werden.
AO in der Fassung des § 162 Nr. 40 FGO §§ 232 Abs. 2, 238 Abs. 1 Satz 4; FGO §§ 56 Abs. 3, 184
Normenkette
AO § 232 Abs. 2, § 238 Abs. 1 S. 4; FGO § 56 Abs. 3
Tatbestand
Die Revisionsklägerin wurde mit Bescheid vom 8. September 1955 zur Vermögensabgabe veranlagt. Die verbleibende Abgabeschuld betrug 5.900 DM, der ursprüngliche Vierteljahresbetrag 100,30 DM. Als gesamtes der Abgabe unterliegendes Vermögen wurde das Betriebsvermögen der Revisionsklägerin zum 21. Juni 1948 mit dem durch Bescheid vom 17. August 1953 rechtskräftig festgestellten Einheitswert von 18.900 DM herangezogen. Mit dem Einspruch trug die Revisionsklägerin vor, sie sei zwar durch Vertrag vom 18. Juni 1948 gegründet, aber erst nach der Währungsreform in das Handelsregister eingetragen worden und habe sich auch erst nach dem 21. Juni 1948 wirtschaftlich betätigt.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ist der Auffassung, der Vermögensabgabebescheid könne nach § 232 Abs. 2 AO nicht mehr mit der Begründung angefochten werden, daß die im Bescheid über den Einheitswert des Betriebsvermögens zum 21. Juni 1948 getroffenen Feststellungen unzutreffend seien. Da dieser Bescheid im Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung schon seit über zwei Jahren rechtskräftig gewesen sei, könne das Rechtsmittel auch nicht nach § 249 Abs. 1 Satz 4 AO (jetzt § 238 Abs. 1 Satz 4 AO) in ein Rechtsmittel gegen diesen Einheitswertbescheid umgedeutet werden. Nachsicht für die Versäumung der Rechtsmittelfrist könne nach § 87 Abs. 5 AO nicht mehr gewährt werden.
Mit der Rb. wiederholt und ergänzt die Revisionsklägerin ihr bisheriges Vorbringen und beantragt, die Vorentscheidung und den Vermögensabgabebescheid aufzuheben.
Entscheidungsgründe
Die Rb., die nach der am 1. Januar 1966 in Kraft getretenen FGO als Revision zu behandeln ist (Hinweis auf § 184 Abs. 1 FGO), führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Dem FG ist darin zuzustimmen, daß ein Vermögensabgabebescheid nach § 232 Abs. 2 AO nicht mit der Begründung angefochten werden kann, daß die in einem Einheitswertbescheid, der nach § 21 Abs. 1 LAG bei der Vermögensabgabeveranlagung zugrunde zu legen ist, rechtskräftig getroffenen Feststellungen unrichtig seien. Es ist ferner richtig, daß zu diesen bindenden Feststellungen auch die im Einheitswertbescheid enthaltenen Feststellungen über die Zurechnung des Betriebsvermögens gehören (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - III 294/59 vom 1. Dezember 1961, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Lastenausgleichsgesetz, § 21, Rechtsspruch 11). Die Revisionsklägerin kann deshalb in diesem Verfahren, das die Veranlagung der Vermögensabgabe betrifft, nicht mit ihrer Einwendung gehört werden, sie sei am 21. Juni 1948 steuerlich noch nicht existent gewesen. Das Finanzamt (FA) ist bei der Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens auf den 21. Juni 1948 davon ausgegangen, daß die in diesem Zeitpunkt bereits bestehende Gründergesellschaft nach den Grundsätzen der Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil III 129/57 U vom 8. April 1960, BStBl 1960 III S. 319, Slg. Bd. 71 S. 190) steuerlich bereits als GmbH zu behandeln ist. Einwendungen dagegen hätte die Revisionsklägerin nur in dem Verfahren über die Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens vorbringen können. Der Streitfall liegt anders, als der dem BFH-Urteil III 216/51 S vom 19. Dezember 1952 (BStBl 1953 III S. 54, Slg. Bd. 57 S. 135) zugrunde liegende Sonderfall, in dem sich der Einheitswert gegen eine Person gerichtet hatte, die nicht existent war und auch niemals existent geworden ist. Da der Einheitswertbescheid für das Betriebsvermögen der Revisionsklägerin zum 21. Juni 1948 bereits rechtskräftig ist, konnte, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, das Rechtsmittel auch nicht nach § 249 Abs. 1 AO, jetzt § 238 Abs. 1 Satz 4 AO, in ein Rechtsmittel gegen diesen Einheitswertbescheid umgedeutet werden. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt wegen der Vorschrift des § 56 Abs. 3 FGO nicht in Betracht. Das FG hat zwar den Streitwert für den Einspruch und für die Berufung richtig mit 3.826 DM berechnet, hat aber im Urteilstenor den Streitwert versehentlich auf je 3.626 DM festgestellt. Das war zu berichtigen.
Fundstellen
Haufe-Index 411936 |
BStBl III 1966, 266 |
BFHE 1966, 155 |
BFHE 85, 155 |