Leitsatz (amtlich)
1. In den in § 11 d Abs. 1 EStDV 1965 geregelten Fällen sind Absetzungen für Substanzverringerung nur zulässig, wenn Anschaffungskosten für ein Wirtschaftsgut i. S. des Einkommensteuerrechts entstanden sind.
2. Ein Kiesvorkommen wird erst dann zu einem Wirtschaftsgut, wenn begründete Vorstellungen über den Umfang und die Abbauwürdigkeit des Bodenschatzes bestehen und mit einem Abbau des Vorkommens zu rechnen ist.
Normenkette
EStG 1965 § 7 Abs. 6, § 9 Nr. 6; EStDV 1965 § 11d
Tatbestand
Der Großvater des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) hatte durch Kaufvertrag vom 8. Juli 1904 das Gut W für 767 800 Mark (= 2 575 Mark je ha) erworben. 1908 wurden Teile dieses Grundbesitzes u. a. "zur Gewinnung von Ton und Kies" verpachtet. Nach dem Tode des Großvaters erbte der Vater des Klägers den Grundbesitz und verpachtete 1963 ebenfalls Teile davon zur Kiesausbeute. Nachdem der Kläger den Grundbesitz 1964 geerbt hatte, verpachtete auch er andere bestimmte Teile davon zur Kiesausbeute, u. a. durch Vertrag vom 1. Juli 1965 an die Firma B und durch Vertrag vom 7. Februar 1966 an die K.
In seiner Einkommensteuererklärung für 1966 machte der Kläger bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung von Grundstücken zur Ausbeutung der Kiesvorkommen an die Firmen B und K Absetzungen für Substanzverringerung - AfS - (50 351 DM und 64 551 DM) geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das FA) hielt unter Hinweis auf § 11 d Abs. 2 EStDV 1965 diese AfS nicht für zulässig und erließ einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid für 1966. Der Einspruch hiergegen blieb erfolglos.
Das FG gab mit seiner in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1974 S. 369 (EFG 1974, 369) veröffentlichten Entscheidung der Klage statt und führte dazu im wesentlichen aus:
Daß der Kläger die AfS vornehmen könne, ergebe sich aus § 9 Abs. 1 Nr. 7, § 7 Abs. 6 und Abs. 1, § 51 Abs. 1 Nr. 2 p des Einkommensteuergesetzes (EStG) i. V. m. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG und § 84 Abs. 3, § 11 d und § 10 a EStDV 1965.
Unterstelle man die Rechtsgültigkeit des § 11 d Abs. 2 EStDV 1965, dann hänge die Zulässigkeit der AfS davon ab, ob das Kiesvorkommen auf dem Grundbesitz in W bei dessen Erwerb durch den Großvater des Klägers bereits bekannt gewesen und von diesem nicht unentgeltlich erworben worden sei. Dies sei der Fall. Aufgrund des Kaufvertrags vom 8. Juli 1904, des Pachtvertrags aus 1908 und der Pachtverträge zur Kiesausbeute aus späteren Jahren sowie nach Zeugenvernehmungen habe das FG die Überzeugung gewonnen, daß den Parteien des Kaufvertrags vom 8. Juli 1904 das Vorhandensein von Kies-, Sand- und Tonvorkommen auf dem Gebiet des Guts W bei Abschluß des Vertrags hinreichend bekannt gewesen sei. Daher sei bei diesem Vertrag unter Fremden nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, daß sich dieser Umstand kaufpreiserhöhend ausgewirkt habe.
Hiervon abgesehen ergebe sich die Zulässigkeit der AfS auch daraus, daß § 11 d Abs. 2 EStDV auf bereits vor Inkrafttreten dieser Vorschrift entdeckte und verpachtete Bodenschätze nicht anwendbar sei. Es fehle an einer Ermächtigungsgrundlage mit der nowendigen Bestimmtheit für eine Änderung des bisherigen Rechtszustands. Außerdem verbiete sich unter den Gesichtspunkten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes ein Eingriff in bestehende Rechtsverhältnisse.
Mit der Revision rügt das FA fehlerhafte Anwendung der §§ 7 Abs. 1 und 6, 9 Nr. 6 EStG 1965 sowie des § 11 d Abs. 2 EStDV 1965 und macht dazu geltend:
Unzutreffend sei das FG zu dem Ergebnis gelangt, daß der Rechtsvorgänger des Klägers für die Kiesvorkommen, die der Kläger in 1966 habe ausbeuten lassen, in 1904 Anschaffungskosten gehabt habe und der Kläger deshalb AfS vornehmen dürfe. Die in Rede stehenden Kiesvorkommen seien zum Zeitpunkt des Kaufvertrags in 1904 weder entdeckt gewesen, noch seien dafür besondere Aufwendungen gemacht worden.
Für die Entdeckung i. S. von § 11 d Abs. 2 EStDV komme es nicht auf das bloße Vorhandensein von Bodenschätzen, sondern auf deren Abbaubarkeit an. Für letzteres ergebe sich weder etwas aus den vom FG angezogenen Verträgen noch aus dem früheren Abbau anderer Kiesvorkommen. Die umstrittenen Kiesvorkommen seien erstmals Mitte der sechziger Jahre nach vorangegangenen Probebohrungen für abbauwürdig erkannt worden, sie lägen auch räumlich entfernt von früher abgebauten Flächen.
Hinsichtlich der Frage nach Anschaffungskosten müsse ebenfalls auf die jetzt verpachteten Vorkommen abgestellt werden. Es fehle jeder Anhaltspunkt, daß deren Vorhandensein sich bereits 1904 beim Erwerb des Guts W kaufpreiserhöhend ausgewirkt habe. Der damalige Kaufpreis und die spätere Bereitschaft des Großvaters des Klägers, für andere ausgebeutete Grundstücke in der Nachbarschaft einen höheren Preis zu zahlen, sprächen gegen die Annahme des FG.
Unrichtig sei auch die Auffassung des FG über die Rechtsgültigkeit und Anwendbarkeit der §§ 11 d Abs. 2, 84 Abs. 3 EStDV.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung.
1. Die Vorentscheidung kann keinen Bestand haben, weil sie in fehlerhafter Anwendung der §§ 7 Abs. 1 und 6, 9 Nr. 6 EStG 1965 sowie des § 11 d Abs. 1 und 2 EStDV 1965 die Zulässigkeit von AfS bei den Einkünften des Klägers aus der Verpachtung von Grundstücken zur Ausbeutung von Kiesvorkommen an die Firmen B und K bejaht hat.
a) Soweit das FG Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit und Anwendbarkeit der Vorschrift des § 11 d Abs. 2 EStDV 1965 geäußert hat, greifen diese nicht durch.
Der erkennende Senat hat sich in seinem Urteil vom 5. Juni 1973 VIII R 118/70 (BFHE 109, 513, BStBl II 1973, 702) mit der Rechts- und Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung in § 11 d EStDV 1965 befaßt und diese nach Prüfung der dafür maßgebenden Gesichtspunkte in vollem Umfange bejaht. Nach dieser Entscheidung, von der abzugehen kein Anlaß besteht, gilt: Die Regelung in § 11 d EStDV 1965 über die Zulässigkeit von AfS bei unentgeltlich erworbenen, nicht zu einem Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern (Abs. 1) sowie bei vom Steuerpflichtigen entdeckten Bodenschätzen (Abs. 2) hält sich im Rahmen der Ermächtigung des § 51 Abs. 1 Nr. 2 p EStG 1965 und entspricht den Grundsätzen des Einkommensteuerrechts. In den in Abs. 1 dieser Vorschrift geregelten Fällen sind ab dem Veranlagungszeitraum 1966 AfS nur noch zulässig, wenn tatsächlich Anschaffungskosten entstanden sind; bei den in Abs. 2 geregelten Fällen - Entdeckung von Bodenschätzen - sind ab dem genannten Veranlagungszeitraum AfS nicht mehr zulässig. Hinsichtlich der Absetzungsbefugnis nach Abs. 1 tritt der unentgeltlich Erwerbende in die Rechtsstellung seines Rechtsvorgängers ein; das Einrücken in die Rechtsstellung des Rechtsvorgängers gilt entsprechend bei der Entdeckung von Bodenschätzen nach Abs. 2.
In Anwendung dieser Grundsätze ist auch im vorliegenden Fall für die Zulässigkeit von AfS zu prüfen, ob der Kläger oder einer seiner Rechtsvorgänger Anschaffungskosten für die verpachteten Kiesvorkommen gehabt hat oder ob diese Vorkommen vom Kläger oder einem Rechtsvorgänger entdeckt worden sind.
b) Soweit das FG für die Frage nach einem Anschaffungsaufwand oder nach einer Entdeckung darauf abgestellt hat, ob das Vorhandensein von Kies bekannt war und ob für Kies etwas aufgewendet wurde, ist dies rechtsirrtümlich. Das FG hat dabei übersehen, daß der Anschaffungsaufwand oder die Entdeckung sich auf ein Wirtschaftsgut beziehen muß und daß ein Bodenschatz, wie z. B. Kies, nicht ohne weiteres als Wirtschaftsgut anzusehen ist.
aa) Das Erfordernis eines Zusammenhangs zwischen Anschaffungsaufwand oder Entdeckung und einem Wirtschaftsgut ergibt sich aus dem Wortlaut und dem Zweck der §§ 7 Abs. 1 und 6, 9 Nr. 6 EStG 1965 sowie des § 11 d EStDV 1965. Nach dem Wortlaut dieser Vorschriften werden die AfS bei Wirtschaftsgütern zugelassen und von Anschaffungskosten für diese Wirtschaftsgüter abhängig gemacht. Nach dem Zweck dieser Vorschriften soll nicht ein Wertverlust, der beim Abbau von Bodenschätzen am Grundstück entsteht, ausgeglichen werden; es soll vielmehr der Aufwand für den Erwerb eines Wirtschaftsguts auf den Zeitraum seiner Nutzung verteilt werden. Für die Zulässigkeit von AfS reicht es deshalb nicht aus, daß etwas für einen Gegenstand oder einen Bestandteil aufgewendet wurde. Der Aufwand muß für die Anschaffung eines Wirtschaftsguts i. S. des Einkommensteuerrechts entstanden sein. Etwas anderes ist auch nicht daraus zu entnehmen, daß in § 11 d Abs. 2 EStDV 1965 von Bodenschätzen und nicht von Wirtschaftsgütern die Rede ist. Aus der Stellung dieser Vorschrift und ihrem Zusammenhang mit dem Abs. 1 in § 11 d EStDV 1965 folgt, daß der Begriff Bodenschatz nicht im weitesten Sinne, sondern in der Begrenzung auf ein Wirtschaftsgut gemeint ist.
bb) Ein Bodenschatz wird nicht schon durch sein bloßes Vorhandensein zu einem Wirtschaftsgut. Bürgerlichrechtlich bildet er mit dem Grund und Boden eine Einheit. Solange der Eigentümer den zum Grund und Boden gehörenden Bodenschatz nicht selbst nutzt oder durch einen anderen nutzen läßt, ist dieser einer selbständigen Bewertung nicht zugänglich und damit ertragsteuerrechtlich ohne Bedeutung. Als Wirtschaftsgut greifbar und damit zum Wirtschaftsgut im einkommensteuerrechtlichen Sinne wird der Bodenschatz erst dann, wenn der Eigentümer über ihn verfügt, ihn zu verwerten beginnt (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs vom 18. Oktober 1939 VI 774/38, RStBl 1940, 238; Urteile des BFH vom 9. Mai 1957 IV 186/56 U, BFHE 65, 32, BStBl III 1957, 246; vom 30. Juni 1960 IV 150/58 U, BFHE 71, 259, BStBl III 1960, 346; vom 30. Oktober 1967 VI 331/64, BFHE 90, 215, BStBl II 1968, 30). Das ist im gewerblichen Bereich der Fall, wenn der Bodenschatz zur nachhaltigen gewerblichen Nutzung in den Verkehr gebracht wird, d. h. wenn z. B. mit seiner Aufschließung begonnen wird oder mit ihr zu rechnen ist (vgl. BFH-Urteil vom 23. Juni 1977 IV R 17/73, BFHE 123, 140, BStBl II 1977, 825). Für den privaten Bereich kann nichts anderes gelten. Dort wird ein Bodenschatz ebenfalls erst dann ein - nicht zu einem Betriebsvermögen gehörendes - Wirtschaftsgut, wenn mit dem Abbau des Vorkommens zu rechnen ist. Dafür müssen Anhaltspunkte gegeben sein, die einen hinreichend sicheren Schluß auf eine alsbaldige Verwirklichung der Ausbeutungsabsicht zulassen. In der Regel ist zumindest erforderlich, daß begründete Vorstellungen über den Umfang und die Abbauwürdigkeit des Bodenschatzes bestehen.
2. Die Vorentscheidung, die ersichtlich auf anderen Rechtserwägungen beruht, war danach aufzuheben. Der Senat kann selbt entscheiden und gelangt zur Klageabweisung.
Der Kläger kann bei seinen Einkünften aus der Verpachtung von Grundstücken zur Ausbeutung der Kiesvorkommen an die Firmen B und K keine AfS vornehmen, weil für die Wirtschaftsgüter Kiesvorkommen keine Anschaffungskosten aufgewendet wurden. Die durch Erbgänge auf den Kläger unentgeltlich übergegangenen Kiesvorkommen wurden vom Großvater des Klägers als Bodenbestandteile erworben, ohne damals schon Wirtschaftsgüter zu sein. Weder aus dem Kaufvertrag vom 8. Juli 1904 noch aus anderen insoweit bedeutsamen Feststellungen des FG ist etwas dafür zu entnehmen, daß beim Erwerb des Guts W durch den Großvater des Klägers ein alsbaldiger Abbau der jetzt in Rede stehenden Kiesvorkommen beabsichtigt war und im Hinblick darauf etwas gezahlt wurde. Es sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, daß bei dem damaligen Kauf Klarheit über den Umfang und die Abbauwürdigkeit dieser Vorkommen bestand.
Fundstellen
Haufe-Index 72732 |
BStBl II 1978, 343 |
BFHE 1978, 450 |