Leitsatz (amtlich)
Ein medizinischer Fußpfleger übt keinen dem Beruf des Heilpraktikers oder des Krankengymnasten ähnlichen Beruf i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG aus.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) unterhielt seit April 1967 eine eigene Praxis als medizinischer Fußpfleger. Außerdem betrieb er den Verkauf von Fußpflegemitteln, Schuhen usw. Streitig ist bei der Gewerbesteuerfestsetzung 1968, ob der Kläger freiberuflich tätig war.
Der Kläger ist gelernter Orthopädie-Mechaniker. Seine Kenntnisse auf dem Gebiet der medizinischen Fußpflege erwarb er durch eine Fachausbildung mit Abschlußprüfung bei einem privaten Lehrinstitut und durch verschiedene Ausbildungskurse beim Zentralverband der Fußpfleger Deutschlands e. V. Eine staatliche Prüfung, die es für seinen Beruf nicht gibt, hat er nicht abgelegt. Er übernahm keine Aufträge für kosmetische Fußpflege (Pediküre), sondern behandelte erkrankte Füße. Vornehmlich behandelte er Hornschichten, Hühneraugen, Schwielen und Warzen, ferner Nagelmißbildungen und -verwachsungen aller Art. u. a. mit Hilfe der Spangentechnik (Orthonyxie) und der Nagelprothetik. Er korrigierte verlagerte Zehen und brachte entsprechende Schutzvorrichtungen an (Orthoplastik). Außerdem wandte er physikalisch-therapeutische Verfahren im Bereich von Fuß und Bein an. Diese Tätigkeit unterlag keiner Aufsicht durch die Gesundheitsbehörde. Der Kläger übte sie in enger Zusammenarbeit mit Ärzten aus und rechnete direkt mit den Krankenkassen ab, obwohl er keine Zulassung zu ihnen hatte. Sein Umsatz entfiel etwa zur Hälfte auf die medizinische Fußpflege und zur anderen Hälfte auf den Verkauf von Fußpflegemitteln, orthopädischen Erzeugnissen, Schuhen, Sandalen, Einlagen usw. Am Gesamtrohgewinn waren die Fußpflege mit ca. 75 v. H. und der Verkauf mit ca. 25 v. H. beteiligt.
Der Beklagte und Revisionskläger (FA) unterwarf den Gewinn der Gewerbesteuer. Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der Klage statt. Es führte in der in EFG 1972, 504 veröffentlichten Entscheidung u. a. aus: Der Beruf des medizinischen Fußpflegers sei ein dem Heilpraktiker ähnlicher Beruf i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG. Entscheidend komme es darauf an, daß sich die Angehörigen beider Berufe der Behandlung kranker Menschen widmeten. Der medizinische Fußpfleger behandle Leiden und Krankheiten, übe also auf einem medizinischen Spezialgebiet eine der Heilkunde ähnliche Tätigkeit aus. Die gesetzliche Definition des Begriffs "Ausübung der Heilkunde" in § 1 Abs. 2 des Heilpraktikergesetzes vom 17. Februar 1939, RGBl I 1939, 251 ("Ausübung der Heilkunde im Sinne dieses Gesetzes ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden beim Menschen, auch wenn sie im Dienst von anderen ausgeübt wird") sei auch auf den Bereich der medizinischen Fußpflege anzuwenden. Danach übe der medizinische Fußpfleger zumindest eine Heilhilfstätigkeit aus und werde in ähnlicher Weise heilberuflich tätig wie der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genannte Heilpraktiker. Beide behandelten erkrankte Menschen. Diese Übereinstimmung genüge für die Bejahung der Ähnlichkeit der beiden Berufe. Soweit in den Urteilen des BFH vom 13. April 1951 IV 216/50 und vom 6. Dezember 1955 I 200/54 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Gewerbesteuergesetz, § 2 Abs. 1 Rechtssprüche 84 und 88) das Vorliegen weiterer Voraussetzungen verlangt werde, könne man dem nicht folgen. Auf eine Erlaubnis für die Berufsausübung könne es nicht ankommen, weil es auch eine erlaubnisfreie Heilhilfstätigkeit gebe (Urteil des BVerwG vom 25. Juni 1970 I C 53/66, Neue Juristische Wochenschrift 1970 S. 1987). Die vom BFH geforderte Zulassung zu den Krankenkassen sei - jedenfalls de facto - gegeben. Schließlich sei die mangelnde Aufsichtspflicht durch die Gesundheitsbehörde kein Grund, die Ähnlichkeit des Heilpraktikerberufes mit dem Beruf des medizinischen Fußpflegers zu verneinen. - Die freiberufliche Tätigkeit (medizinische Fußpflege) und die gewerbliche Tätigkeit (Verkauf) des Klägers seien steuerlich getrennt zu behandeln. Eine Trennung sei ohne besondere Schwierigkeiten möglich.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung des § 2 GewStG i. V. m. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG und trägt u. a. vor: Nach der Rechtsprechung des BFH müsse ebenso wie für die Ausübung des Heilpraktikerberufs auch für den zu vergleichenden Beruf eine staatliche Zulassung bzw. eine Erlaubnis für die Berufausübung vorgeschrieben sein. Daran fehle es im Streitfall. Eine Vergleichbarkeit der Berufsausübung des Fußpflegers mit der Berufstätigkeit eines Heilpraktikers könne daher nicht gegeben sein. - Die Tätigkeit als Fußpfleger und der Handel mit Fußpflegemitteln könnten auch nicht voneinander getrennt werden. Beide Tätigkeiten seien miteinander verflochten und bedingten sich gegenseitig unlösbar. - Außerdem sei im allgemeinen nach strengen berufsständischen Grundsätzen das Führen eines Handelsgeschäftes mit der Ausübung eines freien Berufes unvereinbar. So sei es einem Arzt und einem Heilpraktiker untersagt, Medikamente entgeltlich abzugeben. Auch aus diesem Grunde sei es nicht gerechtfertigt, die Tätigkeit des Klägers der eines Heilpraktikers gleichzusetzen.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen. Er ist der Auffassung, daß eine staatliche Anerkennung oder eine staatliche Prüfung nicht unbedingtes Merkmal eines freien Berufes sei. Allein die Tätigkeitsmerkmale seien maßgebend. In § 18 EStG sei der Krankengymnast ausdrücklich aufgeführt, die Tätigkeit des medizinischen Fußpflegers sei mit noch größerer Berechtigung als freiberuflich anzusehen. Er führe keine Kosmetik durch, erbringe vielmehr ausschließlich medizinische Leistungen an erkrankten Füßen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage.
Zu Unrecht hat das FG den Beruf des medizinischen Fußpflegers als einen dem Heilpraktiker ähnlichen Beruf i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG angesehen. Wie der V. Senat des BFH in der gleichfalls das Streitjahr 1968 betreffenden Umsatzsteuersache des Klägers im ersten Rechtsgang mit Urteil vom 6. Juni 1973 V R 88/72 (BFHE 110, 66, BStBl II 1975, 522) entschieden hat, übt der medizinische Fußpfleger keine der Tätigkeit eines Heilpraktikers ähnliche heilberufliche Tätigkeit (§ 4 Nr. 14 des UStG 1967) aus. Denn i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, auf den in § 4 Nr. 14 UStG 1967 verwiesen wird, besteht keine Ähnlichkeit zwischen den Berufen des medizinischen Fußpflegers und des Heilpraktikers. Wie in dem BFH-Urteil V R 88/72 ausgeführt, gehört es wegen ihres inneren Zusammenhangs mit der durch Berufsordnungen abschließend geregelten ärztlichen Tätigkeit zum Wesen der Heilpraktikertätigkeit, daß sie als Ausübung der Heilkunde einer Erlaubnis bedarf und der Überwachung durch die Gesundheitsämter unterliegt. Der Heilpraktikertätigkeit ähnlich kann daher nur eine Berufsausübung sein, die ebenfalls von diesen Voraussetzungen abhängig ist. Dies entspricht auch der Rechtsprechung der Ertragsteuersenate des BFH, wie sich aus den im FG-Urteil angeführten BFH-Urteilen IV 216/50 und I 200/54 und aus dem Urteil des erkennenden Senats vom 26. Oktober 1967 IV 246/63 (BFHE 90, 328, BStBl II 1968, 77) ergibt, das auf die beiden vorher genannten Urteile verweist. Da die Tätigkeit des Klägers als medizinischer Fußpfleger weder auf einer besonderen Erlaubnis beruht noch der Aufsicht durch die Gesundheitsbehörde unterliegt, ist eine Ähnlichkeit zu der Tätigkeit eines Heilpraktikers nicht gegeben.
Entgegen der Meinung des Klägers kann auch eine Ähnlichkeit seiner Tätigkeit als medizinischer Fußpfleger mit der eines Krankengymnasten nicht angenommen werden. Wie der V. Senat des BFH in Ergänzung seines Urteils V R 88/72 mit dem Urteil vom 30. Januar 1975 V R 102/74 (BStBl II 1975, 523) entschieden hat, übt ein medizinischer Fußpfleger auch keine der Tätigkeit eines Krankengymnasten ähnliche heilberufliche Tätigkeit aus. Der V. Senat des BFH billigte damit die im zweiten Rechtsgang in der Umsatzsteuersache 1968 des Klägers ergangene Entscheidung des FG. Das FG hatte ausgeführt, daß der Krankengymnast für die Ausübung seiner Tätigkeit nach § 1 des Gesetzes über die Ausübung der Berufe des Masseurs, des Masseurs und medizinischen Bademeisters und des Krankengymnasten vom 21. Dezember 1958 - MMBKG - (BGBl I 1958, 985) ebenfalls der staatlichen Erlaubnis bedarf und nach § 20 der Dritten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens vom 30. März 1935 (Reichsministerialblatt I S. 327) der Aufsicht durch die Gesundheitsbehörden unterliegt, sowie, daß sich der Beruf des Krankengymnasten auch noch durch die gesetzlich geschützte Berufsbezeichnung (§ 1 MMBKG) und durch Umfang und Art der gesetzlich geregelten Ausbildung (§§ 2, 8 bis 10 MMBKG) von dem des medizinischen Fußpflegers unterscheidet. Der Entscheidung des V. Senats des BFH, daß demnach auch zwischen dem Beruf des medizinischen Fußpflegers und dem des Krankengymnasten eine Ähnlichkeit nicht besteht, ist zu folgen. Die Ansicht der Vorinstanz, es komme auf die Ähnlichkeit der Tätigkeit, nämlich des Heilens und Linderns von Krankheiten, Leiden und Körperschäden bei Menschen an, kann nicht gebilligt werden. Entscheidend ist die Ähnlichkeit des einzuordnenden Berufes mit den in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG aufgezählten Berufen inden Berufsmerkmalen. Bei den Berufen im Bereich des Gesundheitswesens, also des Heilens und Behandelns von Leiden und Krankheiten, kann die staatliche Erlaubnis und die staatliche Aufsicht nicht weggedacht werden.
Fundstellen
Haufe-Index 71415 |
BStBl II 1975, 576 |
BFHE 1975, 265 |