Leitsatz (amtlich)

Qualitätswein und Verschnitte von Tafel- und Qualitätsweinen sind keine Tafelweine im Sinne des Ausfuhrerstattungsrechts.

 

Normenkette

EWGV 816/70 Art. 1 Abs. 4 Buchst. b, Abs. 5, Art. 26 Abs. 1-2; EWGV 398/76

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 15.09.1988; Aktenzeichen 2 BvR 57/84)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin führte in den Jahren 1977 und 1978 "K Weißwein Tafelwein" nach Japan aus, den sie in den Ausfuhrpapieren als weißen EWG-Tafelwein --Verschnitt aus mehreren Tafelweinen-- anmeldete. Den Zollstellen wurden Bescheinigungen zweier Lehr- und Versuchsanstalten für Weinbau vorgelegt. Nach diesen Bescheinigungen entsprach der "K Weißwein" der Gemeinschaftsnorm für Tafelwein. Für die Ausfuhren im Jahre 1977 zahlte das Hauptzollamt --HZA-- Ausfuhrerstattung. Für die weiteren Ausfuhren lehnte das HZA eine Erstattung ab, weil festgestellt worden war, daß die Weine aus Verschnitten von Qualitätsweinen bestimmter Anbaugebiete (b.A.) aus Frankreich und Italien mit einem geringeren Anteil an Traubenmostkonzentraten und Tafelweinen stammten, die Erstattungsvoraussetzungen für Tafelwein somit fehlten. Mit dieser Begründung forderte das HZA den bereits gezahlten Betrag an Ausfuhrerstattung zurück.

Die Klage wies das Finanzgericht (FG) mit der Begründung ab, Erstattungen kämen nach den maßgebenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts nur für Tafelwein i.S. der Verordnung (EWG) Nr.816/70 (VO Nr.816/70) des Rates vom 28.April 1970 zur Festlegung ergänzender Vorschriften für die gemeinsame Marktordnung für Wein (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- L 99/1 vom 5.Mai 1970) in Betracht, nicht für Qualitätswein b.A., auch nicht für einen Verschnitt aus solchem Wein und Tafelwein. Ein derartiger Verschnitt --mit hier nur geringen Teilen Tafelwein-- könne nicht als Tafelwein angesehen werden. Die strikte Unterscheidung zwischen Tafelwein und Qualitätswein b.A. entspreche dem Zweck der Erstattungsregelung, die Erstattungen nur auf die Ausfuhren bestimmter Tafelweinsorten beschränken wolle. Ob weinrechtlich Tafelwein mit Qualitätswein verschnitten werden dürfe, sei unerheblich. Da ein Verschnitt mit Qualitätswein keinen Tafelwein ergebe, bestehe auch kein Anspruch auf Ausfuhrerstattung für den im Verschnitt enthaltenen Tafelweinanteil.

Mit ihrer Revision gegen dieses Urteil macht die Klägerin geltend, nach der VO Nr.816/70 seien der Verschnitt und die Anreicherung von Tafelwein zugelassen. Im übrigen habe das FG die in der Verordnung enthaltene Vorschrift über zur Gewinnung von Tafelwein geeigneten Wein übersehen. Die Verordnung stelle nur Mindestanforderungen an die Qualität der verwendeten Weine. Der Verschnitt von Tafelwein mit höherwertigem Wein sei daher nicht untersagt, sondern werde als zulässig vorausgesetzt. Untersagt worden sei ein solcher Verschnitt erst mit Wirkung vom 11.Januar 1980, und zwar durch die Verordnung (EWG) Nr.45/80 (VO Nr.45/80) der Kommission vom 10.Januar 1980 (ABlEG L 7/12 vom 11.Januar 1980). Diese Vorschrift dürfe aber nicht rückwirkend auf den hier maßgebenden Zeitraum angewandt werden. Vor dem 11.Januar 1980 sei ein Verschnitt von Tafelwein mit Qualitätswein b.A. aus Mitgliedstaaten als Tafelwein zu beurteilen gewesen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat die Klage mit Recht abgewiesen, weil die von der Klägerin nach Japan ausgeführten Weine keine Tafelweine im erstattungsrechtlichen Sinne waren, der Klägerin mithin die erhaltenen und die von ihr begehrten Erstattungsbeträge nicht zustehen. Diese Beträge ständen der Klägerin nur zu, wenn es sich bei den ausgeführten Weinen um --weiße-- Tafelweine im Sinne der hier maßgebenden Verordnung (EWG) Nr.398/76 (VO Nr.398/76) der Kommission vom 24.Februar 1976 zur Festsetzung der Erstattungen bei der Ausfuhr von Wein (ABlEG L 49/7 vom 25.Februar 1976) gehandelt hätte. Diese Voraussetzungen lagen jedoch nicht vor.

1. Dies gilt zunächst für die Hauptbestandteile der Verschnitte, die Qualitätsweine, somit keine Tafelweine waren.

Durch die VO Nr.398/76 --Anlage zu Art.1-- waren für die Ausfuhr von näher bestimmten "Tafelweinen" in verschiedene Drittländer, zu denen auch Japan gehört, Ausfuhrerstattungen festgesetzt worden. Die VO Nr.398/76 war gestützt auf die VO Nr.816/70, die inzwischen durch die Verordnung (EWG) Nr.337/79 (VO Nr.337/79) des Rates über die gemeinsame Marktordnung für Wein vom 5.Februar 1979 (ABlEG L 54/1 vom 5.März 1979) abgelöst worden ist. Die VO Nr.816/70 enthielt in Art.1 Abs.4 Buchst.b i.V.m. Anhang II Nr.10 "in bezug auf die Erzeugnisse mit Ursprung in der Gemeinschaft" eine Definition des Begriffs "Tafelwein" (Wein aus bestimmten Rebsorten, in der Gemeinschaft hergestellt, mit bestimmtem Alkohol- und Säuregehalt), die durch die Begriffsbestimmung für "Qualitätsweine b.A." in Art.1 Abs.5 VO Nr.816/70 i.V.m. Art.1 der Verordnung ((EWG) Nr.817/70 (VO Nr.817/70) des Rates vom 28.April 1970 zur Festlegung besonderer Vorschriften für Qualitätsweine b.A. (ABlEG L 99/20 vom 5.Mai 1970) näher eingegrenzt war. "Tafelwein" war danach solcher Wein im Sinne der Grunddefinition von Anhang II Nr.10 der VO Nr.816/70, der nicht Qualitätswein b.A. war (ebenso Hochbaum, Die Europäische Marktordnung für Wein, Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern 1970, 193, 197; vgl. nunmehr Anhang II Nr.11 der VO Nr.337/79, in der Tafelwein ausdrücklich als "Wein außer Qualitätswein b.A." definiert wird). Diese Unterscheidung zwischen Tafelwein und Qualitätswein b.A. lag im übrigen auch der aufgrund der VO Nr.816/70 ergangenen Verordnung (EWG) Nr.3282/73 (VO Nr.3282/73) der Kommission vom 5.Dezember 1973 bezüglich der Definition von Verschnitt und Weinbereitung (ABlEG L 337/20 vom 6.Dezember 1973) zugrunde, die für die Anwendung der VO Nrn.816/70 und 817/70 bestimmte, daß Tafelwein und Qualitätswein b.A. als verschiedene "Kategorien" von Wein gelten (Art.1, 2 Abs.2, 2.Gedankenstrich der VO Nr.3282/73). Von dieser Unterscheidung, die es verbietet, Qualitätswein als Tafelwein anzusehen, ist auch für den Streitfall auszugehen.

2. Die von der Klägerin ausgeführten Weinverschnitte waren auch nicht etwa deshalb Tafelwein, weil sie Anteile solchen Weins enthielten.

Nach Art.26 Abs.1 der VO Nr.816/70 waren bei Verschnitt nur solche Erzeugnisse Tafelweine, die aus dem Verschnitt von Tafelweinen untereinander und von Tafelweinen mit zur Gewinnung von Tafelweinen geeigneten Weinen (mit einem bestimmten natürlichen Gesamtalkoholgehalt) gewonnen wurden. Zusätzlich bestimmte Art.26 Abs.2, 1.Unterabsatz der VO Nr.816/70, daß der Verschnitt eines zur Gewinnung von Tafelwein geeigneten Weines einer bestimmten Weinbauzone mit einem Tafelwein einer anderen Weinbauzone nur dann einen Tafelwein ergeben kann, wenn dies --der Verschnitt-- in der Weinbauzone geschieht, in der der zur Gewinnung eines Tafelweines geeignete Wein erzeugt wurde. Diese Vorschrift (Art.26) ist zwar in Titel IV der VO Nr.816/70 --Regeln über önologische Verfahren und das Inverkehrbringen-- enthalten, nicht in Titel II --Regelung des Handels mit Drittländern--, doch ist kein Grund ersichtlich, der dafür sprechen könnte, ihre Anwendung auf Behandlungen von Wein zu beschränken, der in der Gemeinschaft vermarktet werden sollte. Art.26 Abs.1 und 2 der VO Nr.816/70 galt mithin auch für in der Gemeinschaft vorgenommene Verschnitte von Wein mit Ursprung in der Gemeinschaft, der zur Ausfuhr bestimmt war.

Die Voraussetzungen, unter denen Weinverschnitte Tafelweine ergeben konnten, lagen im Streitfall nicht vor. Die ausgeführten Weine stammten nicht aus Verschnitten von Tafelweinen untereinander. Sie waren auch keine Verschnitte mit zur Gewinnung von Tafelweinen geeigneten Weinen, die einen Tafelwein ergeben hätten. Qualitätsweine b.A., wie sie zur Herstellung der Verschnitte verwendet wurden, müssen höheren Anforderungen entsprechen als denjenigen, die an zur Gewinnung von Tafelwein geeigneten Wein (vgl. Anhang II Nr.9 der VO Nr.816/70) gestellt werden. Wenn schon auszuschließen ist, daß Qualitätswein Tafelwein ist, so ist auch --erst recht-- auszuschließen, daß er zur Gewinnung von Tafelwein geeigneter Wein ist, also Wein, der nicht alle Voraussetzungen eines Tafelweines zu erfüllen braucht, mögen auch Qualitätsweine den Mindestanforderungen an zur Gewinnung von Tafelwein geeigneten Wein auf jeden Fall genügen. Als zur Gewinnung von Tafelwein geeigneter Wein i.S. der VO Nr.816/70 wäre Qualitätswein allenfalls anzusehen, wenn er "herabgestuft" worden wäre, was bei der Vermarktung nur aufgrund festgestellter Qualitätseinbußen möglich war (vgl. Art.12 Abs.5 der VO Nr.817/70). Von einer Herabstufung der zur Herstellung der ausgeführten Verschnitte verwendeten Qualitätsweine kann im Streitfall indessen nicht ausgegangen werden. Aber selbst wenn die verwendeten Qualitätsweine --ohne Herabstufung-- als zur Gewinnung von Tafelwein geeignete Weine zu gelten hätten, hätte ihr Verschnitt mit Tafelwein keinen solchen Wein ergeben, weil der Verschnitt nicht in der Weinbauzone erfolgt ist, in dem die Qualitätsweine erzeugt wurden (vgl. Art.26 Abs.2, 1.Unterabsatz der VO Nr.816/70).

3. Dieses Ergebnis, nach dem es sich bei den von der Klägerin ausgeführten Verschnitten nicht um Tafelweine im erstattungsrechtlichen Sinne handelte, folgt bereits aus den in den Ausfuhrjahren geltenden Vorschriften. Im übrigen bestätigen die später erlassenen Gemeinschaftsvorschriften über die önologischen Verfahren (Art.4a der Verordnung (EWG) Nr.1972/78 --VO Nr.1972/78-- der Kommission vom 16.August 1978 zur Festsetzung der Durchführungsbestimmungen zu den önologischen Verfahren, ABlEG L 226/11 vom 17.August 1978, i.d.F. der Änderungsverordnung Nr.45/80), die ausdrücklich nur zur Klarstellung ergangen sind (vgl. den ersten Erwägungsgrund der Änderungsverordnung), daß der Verschnitt eines Qualitätsweines b.A. mit einem anderen Wein keinen Tafelwein --und auch keinen Qualitätswein-- ergibt.

Der in dem Verschnitt enthaltene Tafelweinanteil war auch selbst kein Tafelwein mehr, dessen Ausfuhr eine Erstattung begründen konnte (vgl. auch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- vom 30.November 1978 Rs.88/78, EuGHE 1978, 2477, 2489, durch das ein anteiliger Währungsausgleich für Bestandteile eines Weinverschnitts verneint wurde).

4. Demgegenüber kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, der Verschnitt und die Anreicherung von Tafelwein seien nach der VO Nr.816/70 zulässig gewesen. Denn weder aus der Zulässigkeit önologischer Verfahren nach Titel IV der VO Nr.816/70 --Erhöhung des Alkoholgehalts, Säuerung/Entsäuerung, Süßung von Tafelwein (unter bestimmten Voraussetzungen, z.B. mit Traubenmostkonzentrat), Verschnitt-- noch aus der Verkehrsfähigkeit behandelten Weines, die im übrigen bei anderem als Qualitäts- oder Tafelwein oder zur Gewinnung von Tafelwein geeigneten Wein aus zum Anbau in der Gemeinschaft zugelassenen Rebsorten stark beschränkt war (Art.27 Abs.3 Buchst.a der VO Nr.816/70; vgl. auch --für die spätere Zeit-- Art.4a der VO Nr.1972/78), folgt, daß derart behandelter Wein die erstattungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt.

5. Erstattungsrechtlich unerheblich wäre es auch, wenn der Verschnitt von Tafelwein mit Qualitätsweinen b.A. eine Qualitätsverbesserung des Verschnittweines bewirkt hätte. Denn die Ausfuhrerstattung für Wein bezweckt gerade nicht die Förderung der Ausfuhr von Weinen mit einer höheren Qualität als Tafelwein. Vielmehr soll die Erstattung eine "wirtschaftlich bedeutende Ausfuhr" auf der Grundlage der im internationalen Handel geltenden Preise ermöglichen (Art.10 Abs.1 der VO Nr.816/70). Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Ausfuhrerstattungen waren zwar für Ausfuhren von Tafelwein gegeben (vgl. den 5. Erwägungsgrund der VO Nr.398/76), der in der Gemeinschaft in großer Menge erzeugt wird, nicht aber für Ausfuhren von Qualitätsweinen, die nicht in dieser Menge gewonnen werden und deren Drittlandsvermarktung ohne Ausfuhrförderung möglich ist. Dies hat das FG zutreffend erkannt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 60677

BFHE 144, 100

BFHE 1986, 100

HFR 1985, 507-507 (ST)

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