Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Steuerliche Förderungsgesetze Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Unrichtigkeit einer Rechtsmittelbelehrung gegenüber einem Ausländer über die Möglichkeit der Anrufung der Schiedskommission für Güter, Rechte und Interessen in Deutschland.
Verweigert ein beschränkt Abgabepflichtiger, der die Berücksichtigung von Kriegssachschäden bei der Vermögensabgabe beantragt hat, die Angabe seines Gesamtvermögens (einschließlich seines ausländischen Vermögens), so daß das Finanzamt nicht in der Lage ist, die Voraussetzungen für die Gewährung einer Schadensermäßigung zu prüfen, so ist die Versagung der Schadensermäßigung nicht rechtswidrig.
AO § 246 Abs. 3; Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (überleitungsvertrag) 10. Teil Art. 12 Abs. 1 Buchst. d; Satzung der Schiedskommission für Güter, Rechte und Interessen in Deutschland Art. 6 Abs. 4; LAG §§ 17, 21 Abs. 1 Nr. 2, 39 Abs. 3, 47 Abs. 3
Normenkette
AO § 246 Abs. 3, § 237/2; ÜbV 12/1/d; LAG §§ 17, 21 Abs. 1 Nr. 2, § 39 Abs. 3, § 47/3/1, § 56a; BewG §§ 77, 121
Tatbestand
Der Bf. ist dänischer Staatsangehöriger. Er wurde vom Finanzamt mit seinem Inlandsvermögen zur Vermögensabgabe herangezogen. Eine Kriegsschadensermäßigung wurde trotz erheblicher Kriegssachschäden nicht gewährt, weil der Bf. es abgelehnt hatte, sein Gesamtvermögen bekanntzugeben. Von der gesamten Abgabeschuld wurde an Stelle der nicht erhobenen Soforthilfeabgabe das Dreifache des Jahresgrundbetrages der Vermögensabgabe abgezogen. Die Vierteljahresbeträge vom 1. April 1952 bis 31. März 1955 sind auf 0 DM gemindert, die Vierteljahresbeträge ab 1. April 1955 in voller Höhe festgesetzt worden. Mit dem Einspruch ließ der Bf. vortragen, das Verlangen der Finanzverwaltung, vor Berücksichtigung seiner Kriegssachschäden eine Erklärung über sein gesamtes Vermögen abzugeben, sei für ihn unzumutbar, da über diesen Umweg das ausländische Vermögen indirekt der Vermögensabgabepflicht unterworfen würde. Außerdem dürften seiner Meinung nach Angehörige der Vereinten Nationen nicht zu den Lastenausgleichsabgaben herangezogen werden. Einspruch und Berufung waren ohne Erfolg. In seiner Rechtsmittelbelehrung hat das Finanzgericht im Anschluß an die übliche Belehrung über die Rb. darauf hingewiesen, daß gegen das Urteil auch gemäß Art. 12 Abs. 1 Buchst. d des Zehnten Teiles des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (überleitungsvertrag) vom 23. Oktober 1954 (BGBl 1955 II S. 405 ff.) innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung des Urteils die Entscheidung der Schiedskommission für Güter, Rechte und Interessen in Deutschland mit dem Sitz in Koblenz angerufen werden könne.
Das Urteil ist der Vertreterin des Bf. am 14. Januar 1960 mit Postzustellungsurkunde zugestellt worden. Mit Schreiben vom 11. Februar 1960 teilte der Sekretär der Schiedskommission für Güter, Rechte und Interessen in Deutschland (Schiedskommission) dem Finanzgericht mit, daß gegen das Urteil Berufung bei der Schiedskommission eingelegt worden sei, und bat um Aktenübersendung. Am 31. März 1960 ging beim Bundesfinanzhof ein Schriftsatz der Vertreterin des Bf. ein, in welchem sie erklärte, vorsorglich Rb. gegen das Urteil des Finanzgerichts einzulegen. Sie teilte hierzu mit, entsprechend der im Urteil gegebenen Rechtsmittelbelehrung sei von der daselbst genannten Möglichkeit, die Schiedskommission anzurufen, Gebrauch gemacht worden. Inzwischen habe sie aber Bedenken bekommen, ob sich die Schiedskommission im Falle ihres Mandanten für zuständig erklären würde, weil er Däne sei und Dänemark der Satzung der Schiedskommission noch nicht beigetreten sei. Erkläre sich die Schiedskommission für unzuständig, so würde dies bedeuten, daß die vom Finanzgericht gegebene Rechtsmittelbelehrung, in seinem Falle könne auch die Schiedskommission angerufen werden, unzutreffend gewesen sei. Nach § 246 Abs. 3 AO sei aber bei unzutreffender Rechtsmittelbelehrung die Rechtsmittelfrist noch nicht in Lauf gesetzt, so daß die vorsorglich eingelegte Rb. nicht verspätet sei. Nachdem die 2. Kammer der Schiedskommission die Berufung gegen das Urteil des Finanzgerichts wegen Unzuständigkeit als unzulässig zurückgewiesen und das Plenum der Schiedskommission den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil der 2. Kammer der Schiedskommission zurückgewiesen hatte, bat der Bf. um Aussetzung der Entscheidung über die Rb. bis zum Vorliegen einer Grundsatzentscheidung der Schiedskommission über die Vermögensabgabepflicht von Angehörigen der Vereinten Nationen. Zur Begründung der Rb. wurde auf den Schriftsatz an die Schiedskommission Bezug genommen, in welchem wiederum geltend gemacht wurde, die Angehörigen der Vereinten Nationen könnten nicht zur Vermögensabgabe herangezogen werden. Auch sei es unzumutbar, als Voraussetzung für eine Kriegsschadensermäßigung im Rahmen der Vermögensabgabe von einem Angehörigen der Vereinten Nationen die Abgabe einer Gesamtvermögenserklärung die auch das Auslandsvermögen umfasse, zu verlangen.
Entscheidungsgründe
Auch der Rb. muß der Erfolg versagt werden.
Die von der Vorinstanz erteilte Rechtsmittelbelehrung ist, soweit sie die Einlegung der Rb. betrifft, zutreffend. Die Belehrung über die Möglichkeit der Berufung an die Schiedskommission nimmt Bezug auf Art. 12 Abs. 1 Buchst. d des Zehnten Teiles des überleitungsvertrages. Auch diese Belehrung entspricht den genannten Bestimmungen in Art. 12 a. a. O. Daß die Schiedskommission sich dennoch für sachlich unzuständig erklärt hat, beruht auf den Bestimmungen der Satzung der Schiedskommission (BGBl 1955 II S. 459 ff.), insbesondere auf Art. 6 Abs. 4, wonach Streitigkeiten der Schiedskommission nur von den Unterzeichnerstaaten und den Staaten, die der Satzung beigetreten sind, sowie den Angehörigen dieser Staaten usw. unterbreitet werden können. Da Dänemark im Zeitpunkt der Einlegung der Berufung an die Schiedskommission deren Satzung noch nicht beigetreten war, der Beitritt vielmehr erst nach Ablauf der Berufungsfrist vollzogen wurde, hat sich die Schiedskommission für unzuständig erklären und die Berufung als unzulässig verwerfen müssen. Damit ist die Rechtsmittelbelehrung insoweit als objektiv unrichtig anzusehen, als sie die Berufung an die Schiedskommission betrifft. Eine Rechtsmittelbelehrung muß so beschaffen sein, daß auch ein rechtsunkundiger Steuerpflichtiger ohne Kenntnis von den in der Rechtsmittelbelehrung nicht erwähnten Vorschriften aus dieser selbst eindeutig das entnehmen kann, was für ihn zur Einhaltung der Form und Frist der Einlegung des Rechtsmittels erforderlich ist (vgl. auch Entscheidung des Bundesfinanzhofs II 97/56 U vom 22. August 1956, BStBl 1956 III S. 296, Slg. Bd. 63 S. 253). Aus dem Wortlaut der Rechtsmittelbelehrung der Vorinstanz konnte gefolgert werden, daß wie bei anderen Angehörigen der Vereinten Nationen, die zu den Unterzeichnerstaaten der Satzung der Schiedskommission gehören oder deren Staaten der Satzung beigetreten sind, so auch in diesem Falle zwei Rechtsmittelwege gegeben seien. Die zusätzliche und objektiv unrichtige Belehrung über die Möglichkeit einer Berufung an die Schiedskommission war geeignet, das verfahrensmäßige Verhalten des Bf. zu beeinflussen, und ist insoweit auch bestimmend für die Nichteinlegung der Rb. gewesen. Ist aber eine gesetzlich vorgeschriebene Rechtsmittelbelehrung unrichtig erteilt und deshalb geeignet, zu irrtümlichen Auffassungen über die Möglichkeiten der Rechtsmitteleinlegung zu führen, so wird gemäß § 246 Abs. 3 AO die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt. Demzufolge ist die am 31. März 1960 eingegangene Rb. rechtzeitig eingelegt; sie ist jedoch sachlich nicht begründet.
Die Frage der Heranziehung der Angehörigen der Vereinten Nationen zur Vermögensabgabe ist Gegenstand von Verfahren vor der Schiedskommission und auch beim Bundesfinanzhof gewesen. In dem Urteil der Schiedskommission vom 23. März 1962 - AC/2/J (62) 1 - (veröffentlicht in BStBl 1963 I S. 127 ff.) hat die 2. Kammer ausgesprochen, daß durch Art. 6 Abs. 2 des Zehnten Teiles des überleitungsvertrages die Befreiung der Angehörigen der Vereinten Nationen und ihrer Güter von der Vermögensabgabe auf sechs von dreißig Jahren beschränkt ist, so daß die Angehörigen der Vereinten Nationen demnach für die restlichen Jahre in vollem Umfange zur Vermögensabgabe herangezogen werden. Das Plenum der Schiedskommission hat den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil mit Verfügung vom 14. Dezember 1962 zurückgewiesen (BStBl 1963 I S. 139). Der erkennende Senat hat in dem Urteil III 106/60 U vom 10. Mai 1963 (BStBl 1963 III S. 415) ebenfalls entschieden, daß die Angehörigen der Vereinten Nationen ab 1. April 1955 zur Vermögensabgabe heranzuziehen sind, und eine Befreiung über die ersten 6 Jahre, d. h. über den 31. März 1955 hinaus, nicht vorgesehen ist. Eine weitergehende Befreiung der Angehörigen der Vereinten Nationen ergibt sich weder aus dem überleitungsvertrage (Art. 6 des Zehnten Teiles) noch nach allgemeinen Regeln des Völkerrechtes. Auf die Entscheidungsgründe des vorgenannten Urteiles und die daselbst angeführte weitere Rechtsprechung wird verwiesen.
Den Vorentscheidungen ist auch hinsichtlich der Frage der Kriegsschadensermäßigung bei der Vermögensabgabe des Bf. beizupflichten. Während sich bei beschränkt Abgabepflichtigen gemäß § 17 in Verbindung mit § 21 Abs. 1 Nr. 2 LAG die Abgabepflicht nur auf das sogenannte Inlandsvermögen im Sinne des § 77 BewG erstreckt, das auf den Geltungsbereich des Grundgesetzes (GG) einschließlich Berlin (West) entfällt, ist durch die ausdrückliche Vorschrift des § 47 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 LAG bestimmt, daß für die Berücksichtigung der Kriegssachschäden auch bei beschränkt Abgabepflichtigen die Schäden zu dem Gesamtvermögen zu Beginn des 21. Juni 1948 ins Verhältnis zu setzen sind. Diese Vorschrift ist eindeutig und bedarf keiner Auslegung. Eine Einbeziehung des ausländischen Vermögens der beschränkt Abgabepflichtigen in die Vermögensabgabe erfolgt hierdurch nicht. Die festgestellten Kriegssachschäden können jedoch nur dann zu einer Minderung der aus dem Inlandsvermögen ermittelten 50%igen Abgabe führen, wenn die in § 47 LAG vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Schadensermäßigung wird nicht von Amts wegen gewährt, sondern ist von einem Antrage abhängig (ß 39 Abs. 3 LAG). Wer einen solchen Antrag stellt, muß von sich aus dazu beitragen, daß der Verwaltung die Unterlagen zur Verfügung stehen, die sich nach den gesetzlichen Vorschriften benötigt, um über den Antrag entscheiden zu können. Da die Schadensermäßigung aber nach dem klaren Willen des Gesetzgebers nur in dem Verhältnis gewährt werden soll, in welchem die Kriegssachschäden zum gesamten Vermögen des Abgabepflichtigen stehen, so bedarf es zur Berechnung dieser Verhältniszahl der Angabe des Gesamtvermögens. Dies hat der Bf. nicht getan, er hat vielmehr ausdrücklich erklärt, daß er nicht gewillt sei, die von ihm verlangte Gesamtvermögenserklärung zum Zwecke der Anerkennung einer Kriegssachschadensermäßigung im Rahmen der Vermögensabgabe abzugeben. Damit hat der Bf. die Verwaltung außerstande gesetzt, den Schadensermäßigungsantrag zu prüfen. Es ist daher nicht zu beanstanden, daß die Vorinstanzen die Versagung einer Schadensermäßigung durch das Finanzamt gebilligt haben. Inwiefern die für die Schadensermäßigung in Betracht kommenden Bestimmungen dem GG widersprechen sollten, wie der Bf. im Schriftsatz vom 20. Juni 1959 anzudeuten scheint, ist nicht ersichtlich. Der Senat vermag in der Regelung des § 47 Abs. 3 in Verbindung mit § 21 Abs. 1 Nr. 1 LAG keine Verfassungswidrigkeit zu erblicken.
Fundstellen
Haufe-Index 410848 |
BStBl III 1963, 447 |
BFHE 1964, 349 |
BFHE 77, 349 |