Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die spätere Entlassung eines Gesellschafters aus einer Bürgschaft (ß 3 Abs. 2 Satz 1 KVStG 1955) kann nicht dazu führen, den bereits verwirklichten Tatbestand rückwirkend zu beseitigen.
Ein Gesellschafter leistet dann keine Sicherheit im Sinne von § 3 Abs. 2 KVStG, wenn er eine Bürgschaft vertraglich von vornherein nur kurzfristig übernommen hat.
Wurde eine Bürgschaft unter irrtümlichen Voraussetzungen gewährt, so ist dieser Irrtum nur dann beachtlich, wenn das Bürgschaftsversprechen angefochten und die Anfechtung mit Erfolg durchgeführt worden ist.
Normenkette
KVStG § 3; StAnpG § 5 Abs. 4
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Gesellschafterverbürgtes Darlehen eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt und ob gegebenenfalls ein Gesellschafter hierfür Sicherheit im Sinne von § 3 Abs. 2 KVStG 1955 geleistet hat.
Die Bfin., eine GmbH, hat im Juli 1956 von einer Kreissparkasse ein Darlehen von 140.000 DM aufgenommen, wovon sie 80.000 DM für den Erwerb des bisher nur gepachteten Betriebsgrundstücks verwendet hat. Als Sicherung für diesen Kredit bestellt die Bfin. eine Grundschuld an einem ihr gehörenden Grundstück; außerdem ging der Gesellschafter-Geschäftsführer der Bfin. folgende notariell beurkundete Verpflichtung ein:
"Für den Eingang des Grundschuldbetrages nebst Zinsen übernehme ich auch die persönliche Haftung, aus der mich die Gläubigerin schon vor der Vollstreckung in den Grundbesitz in Anspruch zu nehmen berechtigt ist. Auch dieserhalb unterwerfe ich mich hiermit der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in mein gesamtes Vermögen."
Im September 1958 hat die Kreissparkasse den Gesellschafter aus dieser Verpflichtung entlassen. Das Finanzamt erhob gemäß § 3 KVStG 1955 Gesellschaftsteuer wegen eines Teilbetrages des Darlehens von 80.000 DM. Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Auch die Rb. ist nicht begründet.
Wie das Bundesverfassungsgericht im Beschluß vom 10. Oktober 1961 2 BvL 1/59 (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 13 S. 153 ff., BStBl 1961 I S. 716) ausgesprochen hat, war § 3 Abs. 1 KVStG in der Fassung vom 22. September 1955 (BGBl I S. 590) mit dem Grundgesetz vereinbar. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Bfin. sind hiernach nicht begründet. Für die Entscheidung bleibt allein maßgeblich, ob das der Bfin. gewährte Darlehen eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt und ob ein Gesellschafter für das Darlehen eines Dritten Sicherheit geleistet hat.
Wie der erkennende Senat in dem Urteil II 207/57 U vom 30. August 1962 (BStBl 1962 III S. 445) ausgeführt hat, auf das verwiesen wird, sind alle Aufwendungen der Gesellschafter (oder ihnen zuzurechnende Aufwendungen) für das Anlagevermögen der Gesellschaftsteuer zu unterwerfen, es sei denn, die Kapitalgesellschaft hätte diesen betrieblichen Aufwand mit Eigenkapital finanzieren können. Der Erwerb eines Betriebsgrundstücks durch eine Kapitalgesellschaft mit Hilfe von Gesellschafterdarlehen oder gesellschafterverbürgten Darlehen Dritter ist stets eine derartige Aufwendung für das Anlagevermögen. Sie konnte im Streitfall nicht mit Eigenkapital finanziert werden. Auszugehen ist, da eine den Grundsätzen der allgemeinen Bewertungsvorschriften des BewG (§§ 2 bis 17 BewG) entsprechende Bilanz zum Tage der Darlehnsgewährung nicht aufgestellt worden ist, von der Bilanz zum 31. Dezember 1955. Wegen der Doppelseitigkeit der Bilanz ist es gleichgültig, ob von der Erfolgsbilanz (Seite 1/2 des Schriftsatzes vom 26. Mai 1959) oder von der um die stillen Reserven berichtigten Bilanz (Seite 5 des oben angegebenen Schriftsatzes) ausgegangen wird, denn der Unterschiedsbetrag zwischen Anlagevermögen und Eigenkapital, auf den es für die Beurteilung allein ankommt, bleibt mit einem überschuß des Wertes des Anlagevermögens über den des Eigenkapitals von 7.586 DM stets der gleiche. Deckt aber das Eigenkapital, schon bevor neu investiert wird, das Anlagevermögen nicht, so ist jedenfalls gesellschaftsteuerrechtlich, stets das gesamte Investitionsdarlehen steuerpflichtig, falls die anderen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Auffassung der Bfin., daß es auf das Verhältnis von Anlagevermögen und Eigenkapital im Sinne eines bestimmten Vomhundertsatzes ankommt, hat der Senat in dem schon erwähnten Urteil II 207/57 U vom 30. August 1962 abgelehnt. Hiernach hat das Darlehen der Kreissparkasse in Höhe von 80.000 DM eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt.
Die Gesellschaftsteuer ist demnach zu Recht gefordert worden, wenn das Darlehen einem Gesellschafter zuzurechnen ist. Durch die notariell beurkundete Erklärung aus Anlaß der Grundschuldbestellung hat der Gesellschafter-Geschäftsführer die persönliche Haftung übernommen und sich der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterworfen. Er hat damit als Gesellschafter für ein Darlehen eines Dritten Sicherheit im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 KVStG 1955 geleistet. Soweit sich die Bfin. wegen dieser Bürgschaft auf Umstände beruft, die nach Abgabe des Bürgschaftsversprechens eingetreten sind, insbesondere auf die spätere Entlassung aus der Verpflichtung, kann sie keinen Erfolg haben. Wie der Senat schon in dem nicht veröffentlichten Urteil II 177/56 vom 16. April 1958 ausgeführt hat, kann die spätere Entlassung aus der Bürgschaft nicht dazu führen, den bereits verwirklichten Tatbestand rückwirkend zu beseitigen. Die Bfin. kann insoweit auch nicht mit dem Einwand gehört werden, ihr Gesellschafter habe das Darlehen nur kurzfristig gesichert. Wie allerdings der Reichsfinanzhof entschieden hat (vgl. Urteile II A 310/25 vom 9. Juni 1925, Mrozek-Kartei, Kapitalverkehrsteuergesetz, § 6 zu c, Rechtsspruch 14; II A 422/25 vom 9. Oktober 1925, Mrozek Kartei, Kapitalverkehrsteuergesetz, § 6 zu c Rechtsspruch 30, und II A 302/30 vom 29. Juli 1930, Mrozek, Kartei, Kapitalverkehrsteuergesetz, § 6 zu c Abt. II, Rechtsspruch 7), löst die vorübergehende Gewährung eines Darlehens durch einen Gesellschafter keine Steuerpflicht aus. Einem solchen kurzfristigen Gesellschafterkredit steht ein von einem Nichtgesellschafter zwar langfristig gegebenes, aber von einem Gesellschafter vertraglich von vornherein nur kurzfristig gesichertes Darlehen gleich. Im Streitfall war die Bürgschaft aber nicht von vornherein für kurze Dauer vereinbart, sondern für die ganze Laufzeit des Kredits. Die spätere tatsächlich nur kurzfristige Dauer kann zu keiner rückwirkenden änderung des Tatbestands, der nach den Verhältnissen am Stichtag zu beurteilen ist, führen. Ebenso unbeachtlich ist das Vorbringen der Bfin., die Bürgschaft sei unter irrtümlichen Voraussetzungen gewährt worden; es könnte nur dann berücksichtigt werden, wenn das Bürgschaftsversprechen angefochten und die Anfechtung mit Erfolg durchgeführt worden wäre (ß 5 Abs. 4 des Steueranpassungsgesetzes). Das ist aber nicht der Fall.
Nach alledem konnte die Rb. keinen Erfolg haben.
Fundstellen
Haufe-Index 410650 |
BStBl III 1963, 44 |
BFHE 1963, 121 |
BFHE 76, 121 |