Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Bedarf die übertragung eines Geschäftsanteils einer GmbH der Genehmigung der Militärregierung, so entsteht die Börsenumsatzsteuerschuld erst mit der Genehmigung.
Normenkette
KVStG §§ 17-18; StAnpG § 3 Abs. 1
Tatbestand
Am 29. April 1949 haben die beiden Gesellschafter der Beschwerdeführerin (Bfin.) Teilbeträge ihrer Geschäftsanteile an die Bfin. veräußert und abgetreten. Die Bfin. hat diese Beträge am gleichen Tage an den Kaufmann Y. in London weiter übertragen. Wie in § 1 der übertragungsurkunde erwähnt, hatte sich die Bfin. verpflichtet, dem Kaufmann Y. zur Abwendung der diesem zustehenden Restitutionsansprüche die fraglichen Stammanteile zu übertragen.
Das Finanzamt forderte zu beiden Verträgen die Börsenumsatzsteuer. Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück, indem es die Befreiungsvorschrift des Artikels 77 des am 12. Mai 1949 in Kraft getretenen Gesetzes Nr. 59 der Militärregierung - Rückerstattungsgesetz -, die die Bfin. in Anspruch genommen hatte, nicht für anwendbar erachtete.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) hat Erfolg.
Die Bfin. weist zutreffend auf Artikel I Absatz 2 zu b des Gesetzes Nr. 53 (Artikel I Absatz 1 zu d der Neufassung vom September 1949) hin, nach dem das Geschäft Bfin. / Y. der Genehmigung der Militärregierung bedarf. Die Bfin. gibt außerdem glaubhaft an, daß diese Genehmigung nicht erteilt worden ist. Bedurfte das Geschäft der Bfin. der Genehmigung der Militärregierung, so war dieses Geschäft schwebend unwirksam. Der Reichsfinanzhof hat in dem Urteil vom 6. Oktober 1933 II A 600/32, Slg. Bd. 34 S. 143, entschieden, daß das Veräußerungsgeschäft nicht börsenumsatzsteuerpflichtig ist, wenn nach dem Gesellschaftsvertrage einer GmbH die Abtretung von Geschäftsanteilen der Genehmigung der Gesellschaft bedarf und die Genehmigung versagt wird. Darüber hinaus erachtet der Senat das Veräußerungsgeschäft, dessen Wirksamkeit von einer gesetzlich vorgeschriebenen Genehmigung abhängig ist, erst mit der Erteilung der Genehmigung für steuerpflichtig, zumal es der Gesetzgeber sogar für erforderlich gehalten hat, für die aufschiebend bedingten Geschäfte, die bis zum Eintritt der Bedingung nur schwebend wirksam sind, die Vorschrift des § 18 Absatz 2 Ziffer 3 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KapVStG) zu erlassen. Die gesetzlich erforderliche Genehmigung ist im Gegensatz zu der vertragsmäßig vorbehaltenen Genehmigung Voraussetzung der Wirksamkeit des Geschäfts; dieses ist vor der Erteilung der Genehmigung noch nicht vollständig. § 18 Absatz 2 Ziffer 3 KapVStG ist nicht anwendbar, weil die gesetzlich erforderliche Genehmigung keine Bedingung ist.
Die vorstehenden Ausführungen betreffen unmittelbar nur das Geschäft Bfin. / Y. Für das Geschäft Gesellschafter / Bfin. gilt folgendes: Nach § 139 BGB ist in dem Falle, daß ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig ist, das ganze Geschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, daß es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Diese Vorschrift gilt entsprechend für andere Arten der Unwirksamkeit, insbesondere der schwebenden Unwirksamkeit wegen Fehlens einer gesetzlich erforderlichen Genehmigung (vgl. Palandt, Anm. 1 zu § 139). Was die Einheitlichkeit des Rechtsgeschäfts im Sinn des § 139 BGB betrifft, so sind, wie Palandt in Anm. 2 zutreffend bemerkt, mehrere tatbestandlich getrennte Geschäfte, die miteinander rechtlich verbunden sind, als einheitliches Geschäft und die Einzelgeschäfte als dessen Teile zu werten. Solche Verbindung besteht, wenn das eine Geschäft nach dem Willen aller Beteiligten nicht ohne das andere abgeschlossen worden wäre. So liegt es hier. Das Geschäft Gesellschafter (Bfin. ist derart Teil der einheitlichen Maßnahme der Befriedigung der Restitutionsansprüche des Kaufmanns Y., daß der Senat keine Bedenken trägt, anzunehmen, daß die Beteiligten - die ihre Teilgeschäftsanteile zur Verfügung stellenden Gesellschafter waren die einzigen Gesellschafter der Bfin. - ihre übertragung nicht ohne die am gleichen Tage erfolgte Weiterübertragung der Anteile durch die Bfin. vorgenommen hätten.
Hiernach war die Bfin. unter Aufhebung der Vorentscheidungen von der Steuer freizustellen. Damit ist aber nur entschieden, daß die strittigen Geschäfte ohne Vorliegen der Genehmigung als unvollständige Geschäfte nicht der Steuer unterliegen. Die Rechtskraft dieser Entscheidung hindert nicht, sofern nicht eine Befreiungsvorschrift Platz greift, eine Steuer auf Grund veränderten Sachverhalts oder veränderter Rechtslage erneut anzufordern.
Bei vorliegender Entscheidung war auf die Ausführungen des Finanzgerichts zu Artikel 77 des Rückerstattungsgesetzes nicht mehr einzugehen; es sei aber erwähnt, daß diese Befreiungsvorschrift nicht nur auf die im Rückerstattungsverfahren behandelten Fälle anwendbar ist, sondern auch auf Einigungen der Beteiligten außerhalb eines solchen Verfahrens, sofern die Beteiligten Maßnahmen vereinbaren, die im Gesetz als Rückstattung oder deren Ersatz vorgesehen sind und deshalb von den Wiedergutmachungsbehörden angeordnet werden könnten.
Fundstellen
Haufe-Index 407247 |
BStBl III 1951, 143 |
BFHE 1952, 364 |
BFHE 55, 364 |