Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Eine Gehaltslieferung liegt nicht vor, wenn lediglich die Rückgabe stofflich unveränderter Teile der gelieferten Sachen in Aussicht genommen ist.
Normenkette
UStG § 1 Ziff. 1; UStDB § 6; UStG § 3/5
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Stpfl.) ist die Erbengemeinschaft nach dem im Laufe des Verfahrens verstorbenen Gerbereibesitzer F (Erblasser).
Der Erblasser betrieb eine Gerberei und eine Landwirtschaft. Für seinen Gerbereibetrieb bezog er Häute, die die Firma S lieferte oder als sein Einkaufsagent auf Auktionen ersteigerte. Der Erblasser hatte in seinem Gewerbebetrieb nur für die Kernstücke (Croupons) Verwendung. Er trennte deshalb die Hälse und Flanken (Garnituren) von den Häuten (crouponieren) und gab die Garnituren zurück.
Streitig ist, ob die Rückgabe als steuerpflichtige Lieferung zu beurteilen ist.
Anläßlich einer Betriebsprüfung im Jahre 1954 stellte der Betriebsprüfer fest, daß über die Häute und über die Garnituren jeweils gesonderte Kaufverträge abgeschlossen und gesonderte Rechnungen ausgestellt wurden. Er sah daher die Rückgabe der Garnituren als umsatzsteuerpflichtige Lieferung an.
Das FA folgte bei den Steuerfestsetzungen nach dieser und einer weiteren Prüfung im Jahre 1958 der Auffassung der Prüfer. Der Erblasser legte gegen sämtliche Veranlagungen der Veranlagungszeiträume 1949 bis 1959 Einsprüche ein, die das FA zurückwies.
Die Berufung blieb erfolglos. Mit der als Revision zu behandelnden Rb. (§§ 184 Abs. 2, 115 ff. FGO) rügt die Stpfl. die Verletzung materiellen Rechts und verfahrensrechtlicher Vorschriften. Zur Verfahrensrüge macht sie geltend: Das FG habe seine Aufklärungspflicht vernachlässigt. Es habe nämlich lediglich auf Grund der Aussage des Zeugen S und der Angaben der Betriebsprüfer die Feststellung getroffen, zur Zeit der strittigen Geschäftsvorfälle sei das Marktverbot für das Crouponieren bereits aufgehoben gewesen. Tatsächlich bestehe dieses Verbot aber noch heute. - In sachlicher Hinsicht beanstandet die Stpfl.: Das FG habe unzutreffend einen Teil der Geschäfte mit der Firma S als Vermittlungstätigkeit dieser Firma beurteilt. In Wahrheit habe es sich stets um Lieferungen gehandelt. Fehlerhaft sei auch die Auslegung der den Lieferungen zugrunde liegenden Verträge. In übereinstimmung mit der Lehre und der Rechtsprechung hätten diese nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise nur den Kauf der in den Häuten enthaltenen Croupons zum Inhalt gehabt. Das FG sei deshalb rechtsirrig zu dem Ergebnis gekommen, sie habe umsatzsteuerrechtlich bedeutsame Rücklieferungen von Garnituren ausgeführt. Im übrigen befaßt sich die Revisionsbegründung mit der Beweiswürdigung des FG.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
- b) ...
Selbst wenn man der im Widerspruch zur Aussage des Zeugen S stehenden Behauptung der Stpfl. folgt, daß die Firma S auf der Auktion die Häute für sich und nicht für den Erblasser ersteigert habe, wäre damit nicht erwiesen, daß die Lieferung von Häuten und die Rücklieferung von Garnituren Teile eines einzigen einheitlichen Leistungsaustausches gebildet hätten. Aus den sich widersprechenden Angaben über den Inhalt der Vereinbarungen wäre nur zu schließen, daß die Geschäftspartner einem Einigungsmangel unterlegen wären.
Der Erblasser und die Firma S haben sich aber entgegen der Auffassung der Stpfl. nicht darüber geeinigt, daß die Firma S von vornherein zur Rücknahme der Garnituren verpflichtet war. Die Vorinstanz konnte auf Grund des Akteninhalts und der Zeugenaussagen zu dieser überzeugung kommen.
Zu Unrecht rügt die Stpfl., die Vorinstanz habe den Sachverhalt nicht nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise beurteilt.
Zuzustimmen ist der Stpfl. in der Rechtsauffassung, daß einheitliche Rechtsbeziehungen bei Kauf- und Tauschgeschäften nicht aus Zwecken der Steuerersparnis in eine Mehrzahl von Verträgen aufgespalten werden dürfen (Urteile des RFH C A 302/36 vom 29. Januar 1937, RStBl 1937, 462; V 16/42 vom 14. Mai 1943, RStBl 1943, 532) und daß nicht die Formulierung des oder der Verträge für die Besteuerung entscheidend ist, sondern die tatsächliche Gestaltung der Leistungen (Sölch-Ringleb, Umsatzsteuergesetz, 7. Auflage, § 1 Anmerkung 11; Hübschmann- Grabower-Beck- v. Wallis, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, Anmerkung 118 a zu § 3; BFH-Entscheidung V 117/53 S vom 30. Oktober 1953 BFH 58, 196, BStBl III 1953, 366). Die Vorentscheidung steht aber entgegen der Behauptung der Stpfl. mit dieser Rechtsauffassung nicht in Widerspruch.
Die Stpfl. beruft sich jedoch zu Unrecht auf die Rechtsprechung zu den Gehaltslieferungen.
Wollen die Beteiligten in übereinstimmung mit der Verkehrsauffassung nur den vom Verarbeiter benötigten Gehalt (Hauptbestandteil) des gelieferten Gegenstands umsetzen und haben sie daher die Rückgabe der Nebenerzeugnisse oder Abfälle von vornherein vereinbart, ist der Umsatz als Gehaltslieferung zu werten, unabhängig davon, wie die Verträge gestaltet sind. Die Hin- und Rücklieferungen und die ihnen zugrunde liegenden Vereinbarungen zwischen den Erblasser und der Firma S erfüllen aber keine der Voraussetzungen einer Gehaltslieferung.
Die Kernstücke sind nicht der Gehalt der Häute im Sinn des § 6 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB).
Von einer Gehaltslieferung kann nämlich nur gesprochen werden, wenn bei einer hingegebenen Rohware deren Hauptbestandteil - in der Regel ein ideeller, qualitativer Anteil - allein umgesetzt werden soll. Es muß deshalb aus der gelieferten Rohware, die aus verschiedenartigen Stoffen gebildet ist, unter Veränderung ihrer speziellen Natur, ein Stoff herausgezogen werden (z. B. aus der Zuckerrübe der Zucker). Im vorliegenden Fall werden aber Teile der Rohware ohne Veränderung ihrer Substanz zurückgegeben. Es wird deshalb nicht lediglich der Gehalt der Ware erworben. Daß es sich in den Fällen des § 6 UStDB um eine Gehaltslieferung handeln muß, wird durch die Beispiele, die in der Vorschrift genannt sind, bestätigt. Es kommt hinzu, daß auch die Interessenlage in den Fällen der RFH-Urteile und in dem vorliegenden Fall nicht die gleiche ist. Der Landwirt hat ein durch die Eigenart des landwirtschaftlichen Betriebs bedingtes entscheidendes Interesse daran, die Rübenschnitzel und die Magermilch für die Fütterung seines Viehs zurückzuerhalten. Die Rübenschnitzel und die Magermilch werden deshalb auch üblicherweise zurückgegeben. Von den Garnituren, die beim Crouponieren angefallen sind, läßt sich das gleiche nicht sagen. Beim Verkauf von Häuten besteht vielmehr im allgemeinen das Interesse an deren Absatz im ganzen. Aus der Tatsache, daß im Einzelfall Lieferungen und Rücklieferung stattgefunden haben, folgt nicht schon eine Vermutung, daß generell die Interessenlage von Lieferer und Rücklieferer auf einen Teil des Gegenstandes beschränkt ist. Wenn diese überlegung auch nicht in § 6 UStDB als Voraussetzung für die Annahme einer Gehaltslieferung genannt ist, so zeigt jedoch auch sie, daß zwischen den Regelbeispielen in § 6 UStDB und dem vorliegenden Fall Unterschiede bestehen.
Der Erblasser und die Firma S haben außerdem wie das FG aus der Aussage des Zeugen S geschlossen hat, nicht darin übereingestimmt, daß die Firma S nur Kernstücke liefern und der Erblasser nur Kernstücke erwerben sollte.
Nach dem eigenen Vortrag der Stpfl. hat der Erblasser anfänglich von der Firma S Kernstücke bezogen. Später aber sind die Vertragsbeziehungen geändert worden. Im Widerspruch zu den Behauptungen der Stpfl. hat der Zeuge S bekundet, daß regelmäßig Verträge über die Lieferung von Häuten und unabhängig davon außerdem Kaufverträge von Garnituren vereinbart worden sind. Selbst wenn abweichend von den Feststellungen des FG davon auszugehen wäre, daß der Erblasser die Kaufverträge mit der Firma S nur über Kernstücke abschließen wollte, dann hätten nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme seine Vorstellungen über den Inhalt der Abmachungen nicht mit denen der Firma S übereingestimmt. Insoweit lag dann ein Einigungsmangel zwischen den Vertragspartnern vor.
In diesem Fall hätte zwar bei einem Teil der Rechtsgeschäfte die Fa. S nicht gegen den Willen des Erblassers dessen Einkaufskommissionär sein können; aber der Einigungsmangel hätte auch nicht bewirkt, daß die Verträge zwischen dem Erblasser und der Firma S als Kaufverträge über Kernstücke zu beurteilen gewesen wären.
Die Vorentscheidung hat die wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht - wie die Stpfl. meint - außer acht gelassen, sondern vielmehr in übereinstimmung mit der Rechtsprechung lediglich verneint, daß sie sich im konkreten Fall auswirken kann.
Die Stpfl. beruft sich auch zu Unrecht auf das Urteil des RFH V 288/39 vom 8. November 1940 (RFH 49, 279, RStBl 1941, 127). In diesem Falle hatte die Stpfl., da die überwachungsstelle für Lederwirtschaft dem Händler das Crouponieren von inländischen Großviehhäuten verboten hatte, die ganzen Häute an den Gerber verkauft und die Abfälle zurückgekauft. Obwohl die Rechtsgeschäfte zwangsläufig ernstlich gewollt waren, hat sie der RFH für die umsatzsteuerliche Beurteilung als unbeachtlich angesehen. Der damalige Fall unterscheidet sich von dem hier zu beurteilenden Sachverhalt dadurch, daß in jenem Fall Händler und Gerber übereinstimmend nur die Kernstücke liefern bzw. erwerben wollten, sich durch das Verbot des Crouponierens rechtlich aber daran gehindert fühlten, die vertragliche Gestaltung zu wählen, die dem wirtschaftlichen Gehalt ihres Wollens entsprach, und daß tatsächlich der Lieferer dem Abnehmer nur die Verfügungsmacht an den Kernstücken verschaffte. In dem hier zu entscheidenden Fall haben sich dagegen die Firma S und der Erblasser nicht über eine Bindung zwischen Hingabe der Häute und Rücknahme der Garnituren geeinigt und tatsächlich hat der Erblasser die Verfügungsmacht an den Häuten erhalten. Es mag zutreffen, daß der Erblasser das geschäftliche Ziel gehabt hat, die Firma S möge ihm alle Garnituren zurücknehmen; er hat aber eine dementsprechende Verpflichtung der Firma S nicht durchgesetzt.
Auf die Frage, ob ein Verbot des Crouponierens noch bestand, kommt es nach alledem nicht an. Die Vorentscheidung beruht nicht darauf, daß die Vorinstanz fehlerhaft angenommen hat, das Verbot bestehe nicht mehr. Die Rüge, das FG habe den Sachverhalt insoweit mangelhaft aufgeklärt, greift daher nicht durch.
Nach den Feststellungen der Vorinstanz sind zwischen der Firma S und dem Erblasser Geschäfte verschiedenen Inhalts abgewickelt worden.
Die Firma S hat nicht nur Häute hingegeben und Garnituren zurückgenommen (teils mit, teils ohne vorherige Vereinbarung der Rücknahme). Sie hat auch Garnituren abgenommen, selbst wenn sie keine Häute geliefert hat (sei es, weil sie nicht geliefert, sondern nur die Lieferung vermittelt hatte; sei es, weil sie mehr Garnituren abgenommen als geliefert hat). Schließlich hat sie Häute geliefert, ohne Garnituren zurückzunehmen, weil sie die Lieferung der Garnituren durch den Erblasser an Dritte vermittelt hat.
Soweit die Firma S die Häute nach außen erkennbar als Einkaufsagent des Erblassers ersteigert und die Garnituren danach vom Erblasser erworben hat, sind der Lieferant der Häute und der Abnehmer der Garnituren nicht identisch. Zu Recht hat die Vorinstanz daraus gefolgert, daß Gehaltslieferungen im Sinn des § 6 UStDB in diesen Fällen nicht vorliegen können.
Soweit die Firma S die Häute geliefert, die Abnehmer der Garnituren aber nur vermittelt hat, ist die Annahme einer Gehaltslieferung ebenfalls begrifflich ausgeschlossen.
Die Rückgabe der Garnituren ist auch kein Rückgängigmachen einer Lieferung (§ 12 UStG), denn es wird nicht der Gegenstand zurückgegeben, der erworben worden ist.
Unter diesen Umständen überlagerten die tatsächlichen Verhältnisse nicht die Rechtsbeziehungen in einer Weise, daß den Rechtsbeziehungen keine wirtschaftliche Bedeutung beizumessen gewesen wäre.
Das FA hat infolgedessen die Garniturenlieferungen des Erblassers zu Recht der Umsatzsteuer unterworfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO, die Streitwertfestsetzung auf § 140 Abs. 3 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 412631 |
BStBl III 1967, 645 |
BFHE 1967, 317 |
BFHE 89, 317 |