Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Darlehen der Gesellschafter im Rahmen eines Pachtvertrages an die Betriebs-GmbH stellen bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens verdecktes Stammkapital dar, wenn ein Dritter das erforderliche Kapital als Darlehen zu gleichen Bedingungen nicht gegeben hätte.
Normenkette
BewG § 62 Abs. 1, § 103/1, § 66/4, § 109/4
Tatbestand
Es ist streitig,
ob die Warenbestände der Bfin. von der Besitz-OHG gepachtet oder als verdecktes Stammkapital dem Betriebsvermögen der Bfin. zuzurechnen sind,
.... Die Bfin. wurde durch Vertrag vom 30. Juni 1949 als Betriebs- GmbH der gleichnamigen OHG gegründet; später wurde die OHG in eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes umgewandelt. Gesellschafter der Bfin. sind die drei Gesellschafter der OHG; die GmbH-Anteile gehören zum Privatvermögen. Das Stammkapital beträgt 90.000 DM und ist nur zu 1/4 = 22.500 DM eingezahlt worden. Zwei der Gesellschafter wurden zu Geschäftsführern bestellt. Die Besitz- Gesellschaft verpachtete an die Bfin. durch Vertrag vom 1. Juli 1949 den gesamten Betrieb auf 2 3/4 Jahre, durch einen späteren Abänderungsvertrag der inzwischen in eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes umgewandelten OHG auf sechs Jahre, mit stillschweigender Verlängerung um jeweils ein bzw. zwei Jahre, sofern der Vertrag nicht fristgerecht gekündigt werden sollte. Die bei Vertragsschluß vorhandenen Vorräte im Bilanzwert von 1.045.034 DM übertrug die OHG der Bfin. mit der Verpflichtung, bei Auflösung des Pachtverhältnisses die entsprechende Menge zurückzugeben. Als Pachtzins wurden für das Anlagevermögen die steuerliche Abschreibung und die sparkassenübliche Verzinsung, für die Vorräte die sparkassenübliche Verzinsung nach dem Bilanzwerte bei Vertragsabschluß und schließlich zusätzlich 1/2 % des Umsatzes vereinbart. Die Gesamtpacht für das Wirtschaftsjahr vom 1. Juli 1949 bis 30. Juni 1950 betrug 213.024 DM.
Bei der Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1951 behandelte das Finanzamt die von der OHG der Bfin. überlassenen Bestände unter Ablehnung eines Pachtverhältnisses als Sachdarlehen nach § 607 BGB und als verdecktes Stammkapital. Bei der unzureichenden Kapitalausstattung der Bfin. sei eine Kapitalerhöhung das wirtschaftlich Gebotene und allein Mögliche gewesen. Kein Fremder hätte der Bfin. ein derartiges Darlehen im Werte von über 1 Million DM auf unbestimmte Zeit und ohne Sicherheit zur Verfügung gestellt. Die Vorräte und Bestände seien nicht an die Bfin. verpachtet, sondern seien ein Sachdarlehen. Dieses wiederum stelle eine verdeckte Stammeinlage dar und sei daher bei der Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens nicht abzuziehen.
Nach Einlegung der Sprungberufung hat das Finanzgericht zur Frage der Warenverpachtung von der Vereinigung fachständischer Industrie ein Gutachten eingeholt. Das Gutachten vertrat den Standpunkt der Bfin. Das Finanzgericht ist in seinem Teilurteil diesen Ausführungen jedoch nicht gefolgt. Es hat der Vereinbarung über die Verpachtung der Vorräte unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung die steuerliche Anerkennung versagt, weil bei der unzureichenden Kapitalausstattung der Bfin. ein fremder Gläubiger Vorräte in diesem Ausmaße nicht ohne Sicherheit zur Verfügung gestellt hätte. Außerdem sei das Restkapital nicht eingefordert worden, und das in zwei Gesellschaften aufgespaltene Unternehmen habe sich praktisch wie eine Einheit betätigt und lediglich verrechnungsmäßig die Erträge verteilt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs seien bei der Einheitsbewertung Darlehen der Gesellschafter in weiterem Umfange als verdecktes Stammkapital anzusehen als bei der Körperschaftsteuer.
über die Streitpunkte lief gleichzeitig wegen der Körperschaftsteuer ein Rechtsmittelverfahren, in dem das Finanzgericht ebenfalls die Anerkennung des Pachtverhältnisses ablehnte.
Inzwischen ist in der Körperschaftsteuersache der Bfin., in der von ihr Rb. eingelegt worden war, das Urteil des Bundesfinanzhofs ergangen. In ihm wurde dahin erkannt, das Pachtverhältnis zwischen der Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes und der Bfin. hinsichtlich des überlassenen Warenbestandes, entgegen der Auffassung des Finanzgerichtes, steuerlich anzuerkennen.
Mit der Rb. macht die Bfin. geltend, bei der Einheitsbewertung sei das Pachtverhältnis hinsichtlich der Warenvorräte nebst der darauf beruhenden Schuld anzuerkennen. Aber selbst bei der Ablehnung des Pachtverhältnisses und Annahme eines Darlehens liege keine verdeckte Stammeinlage vor.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Nach den Ausführungen des erkennenden Senates in dem Urteil III 103/52 S vom 15. Mai 1953 (BStBl 1953 III S. 208, Slg. Bd. 57 S. 541) ist ein Gesellschafterdarlehen bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens einer Kapitalgesellschaft, auch wenn kein Fall offenbaren Mißbrauches vorliegt, als verdeckte Stammeinlage zu behandeln, wenn nach den Feststellungen der Finanzbehörde die Zuführung weiterer Mittel objektiv notwendig und das Einspringen eines Gesellschafters deshalb zwingend war, weil das erforderliche Kapital im Wege der Aufnahme von fremden Krediten nach den Umständen des Einzelfalles nicht hätte beschafft werden können. Dabei geben die Vereinbarungen der Beteiligten über Verzinsung, Kündbarkeit und Sicherstellung Anhaltspunkte für die Frage, ob die Erlangung entsprechender Mittel auch durch Aufnahme von Fremdkrediten möglich gewesen wäre. Im vorliegenden Falle ist ein Tatbestand gegeben, der zur Annahme einer verdeckten Stammeinlage in Höhe des Wertes der Vorräte (1.045.034 DM) führt. Die damals vorhandene Kapitalgrundlage der Bfin. von tatsächlich nur 22.500 DM steht bei wirtschaftlicher Betrachtung zu dem Darlehnsbetrage in einem offenbaren Mißverhältnis. Es muß als ausgeschlossen gelten, daß ein Fremder Mittel in dieser Höhe bei nur mäßiger Verzinsung ohne Sicherheitsleistung gegeben hätte. Maßgeblicher Zeitpunkt für diese Beurteilung ist der Vertragsabschluß am 1. Juli 1949, so daß die Anreicherung der Bfin. in den späteren Jahren ohne Bedeutung ist. Der Vertrag über die Verpachtung und die Darlehnsgewährung beruhte inhaltlich auf der wirtschaftlichen Identität der Inhaber der OHG und der Bfin., die in der vorangegangenen Betriebsaufspaltung ihre Grundlage hatte. Nur diese besonderen Umstände ermöglichten die gewählte Vertragsgestaltung, die unter Fremden jeder vernünftigen wirtschaftlichen Handlungsweise widersprochen hätte. Durch Fremdkredite hätte der Betrag von über 1 Million DM für Umlaufzwecke nicht beschafft werden können, zumal auch das Anlagevermögen nicht Eigentum der Bfin. war.
Der Senat hält für das Gebiet der Einheitsbewertung an der Annahme verdeckten Stammkapitals für den Fall, daß kein Fernstehender die Mittel unter entsprechenden Bedingungen gegeben hätte, trotz der für die Körperschaftsteuer abweichenden Auffassung des I. Senates fest. Wenn dieser in dem Urteil I 178/55 U vom 20. März 1956 (BStBl 1956 III S. 179, Slg. Bd. 62 S. 482) nicht schon deshalb verdecktes Stammkapital annimmt, weil Darlehen zu gleich günstigen Bedingungen nicht am Kapitalmarkt zu beschaffen gewesen wären und in dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 44/57 U vom 13. Januar 1959 (BStBl 1959 III S. 197, Slg. Bd. 68 S. 515), auf das er in dem oben genannten Urteil in der Körperschaftsteuersache der Bfin. besonders verweist, ausführt, der Gesellschafter könne seiner Gesellschaft ohne steuerliche Folgen günstigere Bedingungen gewähren als ein fremder Gläubiger und sie z. B. durch zinslose Darlehen langfristig finanzieren, so kann sich der erkennende Senat dieser Auffassung nicht anschließen. Es besteht entgegen den Ausführungen in dem Urteil I 178/55 U vom 20. März 1956, a. a. O., in dieser Frage keine grundsätzliche übereinstimmung der beiden Senate.
Fundstellen
Haufe-Index 409755 |
BStBl III 1960, 400 |
BFHE 1961, 403 |
BFHE 71, 403 |