Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer Erbschaft, Schenkung und Steuern
Leitsatz (amtlich)
Die ausschließliche Werbetätigkeit eines Verbandes für ein bestimmtes Wirtschaftsgut, das die Verbandsmitglieder herstellen, verarbeiten oder an dessen Verkauf und Publizität sie interessiert sind, beinhaltet nicht mehr eine Wahrnehmung der allgemeinen wirtschaftlichen Interessen des Wirtschaftszweiges. Ein solcher Verband ist kein Berufsverband im Sinn von § 3 Abs. 1 Ziff 8 VStG.
Normenkette
VStG § 3 Abs. 1 Ziff. 8
Tatbestand
Streitig ist, ob die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige - Stpfl. -) als Berufsverband im Sinne des § 3 Abs. 1 Ziff. 8 VStG von der Vermögensteuer befreit ist.
Die Stpfl. ist ein nichtrechtsfähiger Verein. Zweck des Vereins ist "die Wahrnehmung der Interessen der Erzeuger, Verarbeiter sowie sonstiger an dem Verkauf und der Publizität von X-Waren interessierter Unternehmen". Nach der Satzung sind "ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb sowie die Wahrnehmung der Interessen einzelner Mitglieder ausgeschlossen". Mitglied des Vereins können "alle im Bundesgebiet liegenden Unternehmen werden, die X-Waren herstellen oder verarbeiten oder die sonst an dem Verkauf und der Publizität von X-Waren interessiert sind".
Das Finanzamt (FA) hat die Stpfl. zum 1. Januar 1959 mit einem Gesamtvermögen von 46.000 DM, zum 1. Januar 1960 von 44.000 DM und zum 1. Januar 1961 von 206.000 DM zur Vermögensteuer herangezogen. In der Einspruchsbegründung hob die Stpfl. insbesondere hervor, es handle sich bei ihr keineswegs um eine Werbung für ihre Mitglieder, sondern um eine Werbung, die die Vergrößerung des Konsums von Erzeugnissen aus X-Ware anstrebe. Es handele sich wirtschaftlich gesehen um genau dasselbe, wie die allgemeine Werbung für Milch gegenüber anderen Getränken, für Bier gegenüber antialkoholischen Getränken, für Gas gegenüber Elektrizität und umgekehrt. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Die Berufung blieb ebenfalls erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung folgendes aus: Berufsverbände seien Vereinigungen, die allgemeine, aus der beruflichen oder unternehmerischen Tätigkeit erwachsende ideelle und wirtschaftliche Interessen des Berufsverbandes oder Wirtschaftszweiges wahrnehmen. Nach der Entstehungsgeschichte, dargestellt im Urteil des Reichsfinanzhofs (RFH) II A 185/29 vom 30. Juli 1929 (RStBl 1929, 526), müsse es sich um Verbände handeln, die ähnliche Aufgaben erfüllen wie die öffentlich- rechtlichen berufsständischen Vertretungen. Dem entspreche die Aufzählung von Berufsverbänden in § 13 KVStDV: Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände, Bauernvereine, Hausbesitzervereine. Diese Verbände würden die allgemeinen Interessen einer Berufsgruppe bei der Gesetzgebung, bei der Verwaltung, bei der Rechtsprechung und bei Kollektivvereinbarungen vertreten. Zu den Aufgaben eines Berufsverbandes könne auch eine Gemeinschaftswerbung gehören. Wenn aber eine Vereinigung nur eine Gemeinschaftswerbung betreibe oder nur ein sonstiges, zwar allgemeines, aber eng begrenztes Interesse ihrer Mitglieder wahrnehme, ohne in erheblichem Umfang sonst für den Berufsstand oder die Gruppe tätig zu sein, könne sie nicht als Berufsverband angesehen werden.
Mit der Rb., die nach der am 1. Januar 1966 in Kraft getretenen FGO als Revision zu behandeln ist (§ 184 Abs. 1 FGO), macht die Stpfl. unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts und Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten geltend. Sie führt aus, das FG habe die änderungen des Steuerrechts über die Berufsverbände, die sich durch das StändG vom 13. Juli 1961 (BGBl 1961 I S. 981) ergeben und die nach dem Erlaß des Finanzministers Nordrhein- Westfalen S 2513 a - 2 - VA - 2 vom 25. September 1961 (Der Betrieb - DB - 1961 S. 1305) rückwirkend anzuwenden seien, nicht berücksichtigt. So werde in den KStR 1961 (Abschnitt 17 Abs. 2) erstmals die Gemeinschaftswerbung erwähnt, und zwar in erster Linie bei der Charakterisierung des steuerlich unschädlichen Geschäftsbetriebs. Das RFH-Urteil II A 185/29 vom 30. Juli 1929 (a. a. O.), auf das sich das FG zur Darstellung der Entwicklungsgeschichte der Besteuerung der Berufsverbände berufe, sei überholt. Auf das vom FG angeführte Gutachten des Bundesfinanzhofs (BFH) I D 1/52 S vom 17. Mai 1952 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 56 S. 591 - BFH 56, 591 -, BStBl III 1952, 228) könne die vom FG vertretene Auffassung nicht gestützt werden. Wenn das FG den Erlaß des Finanzministers Baden- Württemberg vom 20. Dezember 1954 - S 2513 a - 303/53 - (Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe B, Eildienst, 1955 S. 38) heranziehe, so habe es nicht berücksichtigt, daß der Erlaß sich in seinem Abschnitt 3 mit der Gemeinschaftswerbung eines Verbandes "für seine Mitglieder" befasse, während es sich bei der Gemeinschaftswerbung der Stpfl., wie sich aus dem klaren Inhalt der Akten ergebe, um eine typische Werbung für eine Ware handele, die allen zugute komme, die diese Ware herstellen oder die hieraus hergestellten Erzeugnisse vertreiben. Die Unkostendeckung erfolge durch allgemeine Beiträge, was gegen die Vermutung der Vertretung von Einzelinteressen spreche. Folge man dem Gedanken, daß mit einer Betätigung lediglich auf dem Gebiet der Gemeinschaftswerbung die Aufgaben eines Berufsverbandes nicht erfüllt werden, so müsse man folgendes berücksichtigen: Es sei ein grundlegender Unterschied zwischen Zusammenschlüssen von Firmen, die nur die gemeinsame Werbung zusammengeführt habe und bei denen für die anderen Verbandsaufgaben kein Zusammenschluß bestehe oder beabsichtigt sei, und Zusammenschlüssen in einem Verband, dessen Mitglieder in anderen Berufsverbänden schon zusammengeschlossen seien, in denen die übrigen allgemeinen Verbandsaufgaben erledigt würden. Dies sei schon in der Berufsbegründung vorgetragen worden; das FG sei darauf aber nicht eingegangen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. -
Nach § 3 Abs. 1 Ziff 8 VStG in der Fassung vom 10. Juni 1954 (BGBl 1954 I S. 137) waren von der Vermögensteuer befreit. Berufsverbände ohne öffentlichrechtlichen Charakter, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Diese Vorschrift wurde durch das StändG vom 13. Juli 1961 ergänzt. Nach der Neufassung wird die Steuerbefreiung durch die Unterhaltung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs nicht ohne weiteres verwirkt. Dient der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb dem Verbandszweck, so besteht nur insoweit Steuerpflicht. Unterhält jedoch der Berufsverband einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, der nicht dem Verbandszweck dient, so ist nach wie vor volle Steuerpflicht gegeben. Das StändG 1961 enthält keine Anordnung über eine rückwirkende Anwendung dieser Vorschrift. Deshalb ist § 3 Abs. 1 Ziff. 8 VStG in der Fassung des StändG 1961 erst auf Veranlagungsstichtage ab 1. Januar 1962 anwendbar. Da der Rechtsstreit die Veranlagungszeitpunkte 1. Januar 1959, 1. Januar 1960 und 1. Januar 1961 betrifft, ist noch § 3 Abs. 1 Ziff. 8 VStG in der Fassung vom 10. Juni 1954 anzuwenden. Der für die Stpfl. zuständige Finanzminister hat durch Erlaß vom 25. September 1961 (a. a. O.) angeordnet, daß auch schon für die Zeit vor dem 1. Januar 1961 nach der im StändG 1961 getroffenen Neuregelung zu verfahren ist, wenn der Berufsverband dadurch gegenüber der bisherigen Behandlungsweise bessergestellt wird. Dieser Erlaß bezieht sich aber nur auf die Körperschaftsteuer, nicht auch auf die Vermögensteuer. Im übrigen betreffen die änderung des § 3 Abs. 1 Ziff. 8 VStG und auch der angeführte Erlaß allein den Begriff des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs und nicht den Begriff des Berufsverbandes, worauf es im Streitfalle entscheidend ankommt. Die Einwendungen der Stpfl., die Vorinstanz habe die änderung der Vorschrift des § 3 Abs. 1 Ziff. 8 VStG nicht berücksichtigt, liegen somit neben der Sache und sind nicht begründet. Aus dem gleichen Grunde kann der Hinweis der Stpfl. auf die Ausführungen in Abschnitt 17 Abs. 2 KStR 1961 der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Dort wird die "Gemeinschaftswerbung" nur im Zusammenhang mit der Frage des Vorliegens eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs angesprochen.
Nach § 3 Abs. 1 Ziff. 8 VStG in der Fassung vom 10. Juni 1954 und in der Fassung von Art. 11 Nr. 2 Buchst. e StändG 1961 sind nur Berufsverbände von der Vermögensteuer befreit. Die KStR (Abschnitt 17 Abs. 1) umschreiben den Begriff "Berufsverbände" dahin, daß dies "Vereinigungen von natürlichen Personen oder von Unternehmen sind, die allgemeine, aus der beruflichen oder unternehmerischen Tätigkeit erwachsende ideelle und wirtschaftliche Interessen des Berufsstandes oder Wirtschaftszweiges wahrnehmen". Ein Berufsverband ist nach den dortigen Ausführungen auch dann gegeben, "wenn er die sich aus der Summe der Einzelinteressen der Mitglieder ergebenden allgemeinen wirtschaftlichen Belange eines Berufsstandes oder Wirtschaftszweiges vertritt und die Ergebnisse der Interessenvertretung dem Berufsstand oder Wirtschaftszweig als solchem unabhängig von der Mitgliederschaft der Angehörigen des Berufsstandes oder Wirtschaftszweiges beim Verband zugute kommen". Wenn es sich bei dieser Begriffsbestimmung auch nur um Richtlinien handelt, die die Steuergerichte nicht binden, so ergebe sich die dort angeführten Merkmale aus der Rechtsprechung (vgl. die in Abschnitt 17 Abs. 1 KStR 1961 angeführte Rechtsprechung und das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil III 190/64 vom 17. Mai 1966). Berufs- und Wirtschaftsverbände haben somit die Aufgabe, die allgemeinen wirtschaftlichen Interessen eines Berufsstandes oder Wirtschaftszweiges gegenüber der Verwaltung, d. h. den verschiedenen Behörden, gegenüber den gesetzgebenden Körperschaften usw. zu vertreten und seine Wünsche als eine gemeinsame einheitliche Vertretung geltend zu machen. Dabei können sich auch Mitglieder verschiedener, indes verwandter Berufe, auch selbst verschiedener, nicht verwandter Zweige der gewerblichen Wirtschaft (wie z. B. die Mitglieder einer Fachgruppe) in einem Verband zusammenschließen (vgl. Gutachten I D 1/52 S vom 17. Mai 1952, BFH 56, 591, BStBl III 1952, 228; Urteile I 44/52 U vom 22. Juli 1952, BFH 56, 572, BStBl III 1952, 221 und I 104/53 U vom 12. Juli 1955, BFH 61, 190, BStBl III 1955, 271).
Die persönliche Freistellung der Berufsverbände von der Steuerpflicht beruht auf der gesetzespolitischen Anerkennung ihres Wirkens als eines Wirkens im Interesse der Allgemeinheit. Sie tritt deshalb nicht ein oder geht notwendig verloren, wenn neben oder an die Stelle der Wahrnehmung der allgemeinen wirtschaftlichen und allen Angehörigen des Zusammenschlusses eigentümlichen Interessen die Wahrnehmung der besonderen geschäftlichen Interessen der einzelnen Mitglieder tritt, selbst wenn sämtliche Mitglieder an ihr interessiert sind und sie wünschen (Urteil I 110/53 U vom 26. April 1954, BFH 58, 766, BStBl III 1954, 204). Sie geht aber auch verloren, wenn neben oder an die Stelle der Wahrnehmung der allgemeinen wirtschaftlichen Interessen der Verband in nicht unbeachtlichem Maße Geschäfte im Interesse der einzelnen Mitglieder tätigt, die zur regelmäßigen Tätigkeit eines gewerblichen Unternehmens gehören (Urteil I 44/52 U vom 22. Juli 1952, a. a. O.).
II. - Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall hat die Vorinstanz im Ergebnis zu Recht die Befreiung von der Vermögensteuer versagt. Nach den unbestrittenen Feststellungen der Vorinstanz befaßt sich die Stpfl. nur mit der Gemeinschaftswerbung. Eine solche ausschließliche Werbetätigkeit eines Verbandes für ein bestimmtes Wirtschaftsgut, das die Verbandsmitglieder herstellen, verarbeiten oder an dessen Verkauf und Publizität sie interessiert sind, beinhaltet nicht mehr eine Wahrnehmung der allgemeinen wirtschaftlichen Interessen des Wirtschaftszweiges; sie ist vielmehr bereits auf spezielle wirtschaftliche Absatzinteressen abgestellt. Durch eine solche Tätigkeit macht sich der Verband zum Fürsprecher der einzelnen Mitglieder in bezug auf den Erfolg ihrer geschäftlichen Unternehmen, weil Zweck der Werbetätigkeit die Vergrößerung des Absatzes dieses Wirtschaftsgutes ist. Diese rechtliche Beurteilung wird auch durch den Einwand der Stpfl., ihre Mitglieder seien schon in anderen Berufsverbänden zusammengeschlossen, in denen die allgemeinen Verbandsaufgaben erledigt würden, nicht geändert. Die Stpfl. ist als ein nichtrechtsfähiger Verein ein selbständiges Rechtsgebilde und deshalb kann ihre Steuerpflicht oder Steuerfreiheit nur aus ihrer eigenen tatsächlichen Tätigkeit beurteilt werden. Es geht nicht an, für die Frage der Steuerpflicht oder Steuerfreiheit die Stpfl. mit den eigentlichen Berufsverbänden ihrer Mitglieder als eine Einheit anzusehen. Hiernach bedarf es keines Eingehens mehr auf die Frage, inwieweit das RFH-Urteil II A 185/29 vom 30. Juli 1929 (a. a. O.) überholt ist, sowie auf den Einwand, der Erlaß des Finanzministers Baden-Württemberg vom 20. Dezember 1954 befasse sich nur mit der Gemeinschaftswerbung eines Verbandes "für seine Mitglieder".
Fundstellen
Haufe-Index 412198 |
BStBl III 1966, 638 |
BFHE 1966, 656 |
BFHE 86, 656 |