Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Hat der Erwerber eines Grundstückes auf den Beginn desjenigen Kalenderjahres, in dem er das Grundstück erworben hat, Wertfortschreibung beantragt, und ist der Veräußerer des Grundstückes von Amts wegen zu dem Rechtsmittelverfahren zugezogen worden, so ist dieser am Verfahren beteiligt. Seine Beteiligung am Verfahren erlischt nicht mit seinem Ableben, geht vielmehr auf seine Erben über.
Zur Frage der Fortschreibung für ein Grundstück vor dem Fortschreibungszeitpunkt.
Normenkette
AO §§ 225a, 240/1, §§ 234, 240/2; BewG § 22
Tatbestand
Die Bfin. hat mit Vertrag vom 25. Juni 1952 ein Einfamilienhaus käuflich erworben. Der Einheitswert des Grundstückes betrug 66.300 DM. Das Finanzamt rechnete bereits mit Bescheid vom 9. September 1952 das Grundstück zum 1. Januar 1953 der Bfin. zu. Ein Rechtsmittel wurde nicht eingelegt. Am 16. Oktober, eingegangen beim Finanzamt am 18. Oktober 1952, beantragte die Bfin., den Einheitswert zum 1. Januar 1952 auf 40.000 DM (den von ihr gezahlten Kaufpreis) fortzuschreiben. Auf Grund einer Ortsbesichtigung, bei der noch erhebliche Kriegssachschäden festgestellt wurden, erklärte sich das Finanzamt bereit, den Einheitswert zum 1. Januar 1953 auf 44.600 DM fortzuschreiben. Obwohl die Bfin. auf Fortschreibung des Einheitswertes zum 1. Januar 1952 bestand, schrieb das Finanzamt nunmehr mit Bescheid vom 25. August 1954 den Einheitswert zum 1. Januar 1953 nicht auf 44.600 DM, sondern (unter Berichtigung eines bei der Berechnung unterlaufenen Bewertungsfehlers) auf 56.200 DM fort. Der Einspruch blieb erfolglos. Dagegen hatte die Berufung teilweise Erfolg. Das Finanzgericht kam zu der Auffassung, daß die Bfin. den Antrag auf Wertfortschreibung zum 1. Januar 1952 habe stellen können und einen solchen Antrag auch fristgemäß gestellt habe. Im Berufungsverfahren sei auch der Vorbesitzer hinzugezogen worden; dieser habe sich auch durch seinen Bevollmächtigten den Anträgen der Bfin. angeschlossen. Der Bevollmächtigte habe jedoch nach dem inzwischen erfolgten Ableben des Vorbesitzers seine Beitrittserklärung wieder zurückgezogen, da er keine Prozeßvollmacht habe beibringen können. Den Einheitswert selbst stellte das Finanzgericht zum 1. Januar 1952 auf 54.300 DM fest.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
I. - Das Vorgehen des Finanzamtes ist insofern zu beanstanden, als es sich - obwohl im Schreiben vom 16./18. Oktober 1952 Wertfortschreibung zum 1. Januar 1952 beantragt war - nicht auf die Entscheidung dieses Antrages beschränkt, sondern statt dessen eine Wertfortschreibung zum 1. Januar 1953 durchgeführt hat. Der Erwerber eines Grundstückes kann, worauf das Finanzgericht zutreffend hingewiesen hat, an Stelle des Veräußerers auf den Beginn desjenigen Kalenderjahres, in dem er das Grundstück erwirbt, die Wertfortschreibung beantragen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 63/53 S vom 26. Juni 1953, BStBl 1953 III S. 235, Slg. Bd. 57 S. 614). Mit dem Hinweis, daß sich der Veräußerer des Grundstückes dem Antrage der Bfin. auf Wertfortschreibung nicht angeschlossen habe, konnte der Antrag der Bfin. auf Wertfortschreibung zum 1. Januar 1952 nicht abgetan werden. Aber auch der Auffassung des Finanzgerichts, daß nach dem Ableben des Veräußerers der Bevollmächtigte desselben die Beitrittserklärung zurückgezogen habe, kann nicht gefolgt werden. Es liegt kein Beitritt zum Verfahren, sondern die Zuziehung eines Beteiligten zum Verfahren vor. Der Grundstücksveräußerer ist am Stichtage (1. Januar 1952), auf den die Grundstückserwerberin Wertfortschreibung beantragt hat, noch Eigentümer des Grundstückes gewesen. Seine Interessen werden daher durch die Entscheidung der Vorinstanz berührt. Die Voraussetzungen der Zuziehung von Amts wegen zum Verfahren waren gegeben (ß 240 Abs. 2 AO). Tatsächlich ist nach den Akten die Zuziehung des Grundstücksveräußerers durch Beschluß des Finanzgerichts verfügt worden. Die Beteiligung des Grundstücksveräußerers am Verfahren ist mit seinem Ableben nicht erloschen. Vielmehr ist seine Rechtsstellung auf seine Erben übergegangen. Die Vorinstanz hätte daher ihre Entscheidung auch dem Grundstücksveräußerer (den Erben desselben) bekanntgeben müssen. Da dies nicht geschehen ist, unterliegt die Vorentscheidung der Aufhebung.
2. - In sachlicher Hinsicht ist folgendes zu bemerken: Soweit bei der Feststellung des Einheitswertes tatsächliche Feststellungen von dem Finanzgericht ordnungsgemäß getroffen werden, ist der Bundesfinanzhof wegen der beschränkten Rechtsnatur der Rb. gemäß §§ 288, 296 AO gebunden. Ist der Sachverhalt entscheidungsreif festgestellt worden, ist das Gericht nicht gehalten, ein weiteres Gutachten einzuholen (ß 278 AO). Es bedeutet auch keinen Verstoß gegen Treu und Glauben, daß sich das Finanzamt zunächst bereit erklärt hat, einen niedrigeren Einheitswert festzustellen, zumal die Bfin. auf dieses Anerbieten nicht eingegangen ist.
Der Bescheid über die Zurechnung des Grundstückes zum 1. Januar 1953 an die Bfin. ist bereits am 9. September 1952 - also vorzeitig - erlassen worden. Da nach den Akten gegen diesen Bescheid kein Rechtsmittel eingelegt worden ist, muß angenommen werden, daß der Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Die Frage ist, ob und gegebenenfalls welche Folgen sich hieraus für die Wertfortschreibung zum 1. Januar 1952 ergeben.
Eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift darüber, in welchem Zeitpunkte der Fortschreibungsbescheid über einen Einheitswert zu erlassen ist, besteht nicht. Jedoch schreibt § 22 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes vor, daß in allen Fällen der Fortschreibung (Wert-, Art- und Zurechnungsfortschreibung) die Verhältnisse vom Fortschreibungszeitpunkte (Beginn des maßgebenden Kalenderjahres) zugrunde gelegt werden. Die Verhältnisse vom Beginne eines Kalenderjahres können aber logischerweise erst zugrunde gelegt werden, wenn das betreffende Kalenderjahr begonnen hat. Es ist daher nicht zweckmäßig, den Feststellungsbescheid über einen Einheitswert vorzeitig, d. h. vor dem Fortschreibungszeitpunkte, herausgehen zu lassen. Einmal besteht die Möglichkeit, daß bis zum Fortschreibungszeitpunkte ein weiterer Eigentumswechsel eintritt; in einem solchen Falle würde die vorzeitige, rechtskräftige Zurechnung an den Ersterwerber unter Umständen einer Zurechnung an den Zweiterwerber auf den gleichen Zeitpunkt im Wege stehen. Außerdem kommt es häufig vor, daß der Erwerber alsbald nach dem Erwerbe am Bestande des Grundstückes etwas ändert. Obwohl Wert-, Art- und Zurechnungsfortschreibung selbständig nebeneinander stehen, sollten Zurechnungsfortschreibungen vor dem Fortschreibungszeitpunkte unterbleiben. Die Bfin. konnte bis zum 31. Dezember 1952 an Stelle des Veräußerers noch zum 1. Januar 1952 einen Antrag auf Wertfortschreibung stellen (Urteil des Bundesfinanzhofs III 63/53 S vom 26. Juni 1953). Zum mindesten empfiehlt es sich, Bescheide über die Zurechnung eines Einheitswertes bis nach dem Fortschreibungszeitpunkte zurückzuhalten. Keinesfalls durfte aber das Finanzamt den Antrag der Bfin. auf Wertfortschreibung zum 1. Januar 1952 als Wertfortschreibung zum 1. Januar 1953 behandeln.
Fundstellen
Haufe-Index 424065 |
BStBl III 1962, 4 |
BFHE 1962, 6 |
BFHE 74, 6 |