Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Ist ein Kaufanwärter als wirtschaftlicher Eigentümer eines Kaufeigenheims wie der Ersterwerber behandelt worden, so verliert er rückwirkend das Recht auf die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG, wenn es wegen der Auflösung des Kaufanwartschaftsverhältnisses nicht zur rechtlichen übertragung des Eigentums kommt.
Normenkette
EStG § 7b/2/5/b
Tatbestand
Streitig ist, ob die Bg. für ihr Kaufeigenheim die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG in Anspruch nehmen können. Das Kaufeigenheim ist von der Treuhandstelle für Bergmannswohnstätten, einem Organ der Staatlichen Wohnungspolitik, im Jahre 1956 gebaut worden. In der Zeit vom 1. Dezember 1956 bis zum 10. März 1961 haben die Eheleute A das Haus bewohnt. In dem am 11. Dezember 1956 geschlossenen Träger-Bewerber-Vertrag, der dem vom Minister für Wiederaufbau des Landes Nordrhein-Westfalen vorgeschriebenen "Muster 11 Berg" entspricht, war den Eheleuten ein Anwartschaftsrecht auf übertragung des Eigentums eingeräumt und der Träger zur übereignung des Eigenheims bis zum Ablauf von sechs Monaten ab Anerkennung der Schlußabrechnung verpflichtet, sofern die Bewerber ihre Verpflichtungen gegenüber dem Träger ordnungsgemäß erfüllt und die erforderlichen Eigenleistungen erbracht hatten. Zur Eigentumsübertragung an die Eheleute A ist es nicht gekommen, weil das Kaufanwartschaftsverhältnis aus Gründen in der Person des Ehemanns mit dem Dienstverhältnis aufgelöst wurde.
Seit dem 1. Januar 1962 bewohnen die Bg. (Eheleute) das Haus. Sie haben mit der Treuhandstelle am 22. November 1962 ebenfalls einen Träger-Bewerber-Vertrag nach "Muster 11 Berg" geschlossen. Am 5. November 1964 ist der notarielle Kauf- und übereignungsvertrag geschlossen worden. Seit dem 4. Januar 1965 sind die Bg. als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.
Für das Jahr 1962 beantragten sie die Einkommensteuerveranlagung nach § 46 Abs. 2 Ziff. 5 b EStG, um in den Genuß der erhöhten Absetzungen nach § 7 b Abs. 3 EStG zu kommen. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab, weil die Bg. Zweiterwerber seien; das Haus genüge zwar den Voraussetzungen des § 7 b Abs. 3 EStG; die erhöhten Absetzungen seien aber bereits den Eheleuten A als wirtschaftlichen Eigentümern für die Jahre 1957 bis 1959 gewährt worden. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Die Berufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht, dessen Urteil in den "Entscheidungen der Finanzgericht" 1965 S. 321 abgedruckt ist, betrachtet die Bg. als Ersterwerber. Es führt aus, die Eheleute A seien weder Bauherren noch Ersterwerber gewesen. Sie seien auch nicht wirtschaftliche Eigentümer gewesen, weil es nicht zur übertragung des rechtlichen Eigentums gekommen sei; die erhöhten Absetzungen seien ihnen zu Unrecht zugesprochen worden.
Mit seiner Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Nach seiner Ansicht waren die Eheleute A wirtschaftliche Eigentümer, weil sie als Kaufanwärter in den Besitz des Hauses gekommen seien; sie hätten später allerdings das wirtschaftliche Eigentum verloren, aber nicht etwa rückwirkend, sondern erst mit der Auflösung des Vertrages. Die Bg. seien darum Zweiterwerber und könnten die erhöhten Absetzungen nicht in Anspruch nehmen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. kann keinen Erfolg haben.
Zu Recht hat das Finanzgericht weder die Eheleute A noch die Bg. als Bauherren im Sinne des § 7 b Abs. 1 EStG 1955/61 angesehen. Die Träger-Bewerber-Verträge sind in beiden Fällen erst nach der Fertigstellung des Kaufeigenheims geschlossen worden. In dem Urteil IV 519/52 U vom 15. Mai 1953 (BStBl 1953 III S. 198, Slg. Bd. 57 S. 515) hat der Bundesfinanzhof zwar den Beschwerdeführer, einen Siedler-Kaufanwärter, als Bauherrn angesehen. Dort lagen die Verhältnisse aber insofern anders, als der Siedler den Vertrag vor der Fertigstellung geschlossen und ein gewisses Risiko getragen hatte. Bauherr ist im Streitfall eindeutig der Bauträger. Es kommt hier, wie das Finanzgericht ausführt, allein darauf an, ob die Eheleute A oder die Bg. Ersterwerber im Sinne des § 7 b Abs. 3 EStG sind. Nur wenn die Bg. Ersterwerber sind, stehen ihnen die erhöhten Absetzungen zu. Daß der Bauträger die erhöhten Absetzungen nicht in Anspruch genommen hat, ist unstreitig. Daß die Eheleute A die erhöhten Absetzungen in Anspruch genommen und erhalten haben, steht dem Begehren der Bg. nicht entgegen, wenn die Eheleute A nicht Ersterwerber waren.
Wenn § 7 b Abs. 4 EStG von "Ersterwerber" des Kaufeigenheims spricht, so ist, wie das Finanzgericht zutreffend darlegt, grundsätzlich nur begünstigt, wer das Kaufeigentum wirklich erwirbt. Bei Erwerben der vorliegenden Art setzt das neben der überlassung der Nutzung die Eintragung in das Grundbuch voraus. Diese Voraussetzung ist nur in der Person der Bg., nicht aber bei den Eheleuten A, erfüllt.
Würde man für die Anwendung des § 7 b Abs. 3 EStG allein auf den Erwerb des Eigentums abstellen, so wären den Eheleuten A, wie anscheinend das Finanzgericht das annimmt, die erhöhten Absetzungen von vornherein zu Unrecht gewährt worden. Dann könnten die erhöhten Absetzungen aber auch den Bg. nicht gewährt werden, jedenfalls nicht für das Streitjahr 1962, weil die Bg. in diesem Jahr noch nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen waren.
Daß das Finanzamt den Eheleuten A die erhöhten Absetzungen gewährte, beruht offenbar auf Abschn. 56 Abs. 1 EStR 1956/57, wonach die erhöhten Absetzungen dem Käufer eines Eigenheims als Ersterwerber auch schon vor dem rechtlichen Eigentumsübergang zu gewähren sind; wenn der als wirtschaftlicher Eigentümer angesehen werden kann. Diese Auffassung ist nicht, wie das Finanzgericht meint, eine Billigkeitsmaßnahme, sondern eine zutreffende Auslegung des Gesetzes. Daß gegebenenfalls nicht das rechtliche, sondern das wirtschaftliche Eigentum maßgebend ist, entspricht der wirtschaftlichen Betrachtungsweise des Steuerrechts. Der Ersterwerber im Sinne des § 7 b Abs. 3 EStG hat danach nicht erst auf Grund des rechtlichen Eigentumsübergangs, sondern bereits als wirtschaftlicher Eigentümer den Anspruch über die erhöhten Absetzungen.
In dem Urteil VI 240/58 U vom 30. September 1960 (BStBl 1960 III S. 465, Slg. Bd. 71 S. 577) hat der Senat dargelegt, daß ein Steuerpflichtiger, der als wirtschaftlicher Eigentümer eines auf Grund eines Kaufanwärtervertrages errichteten Gebäudes die erhöhten Absetzungen nach § 7 b Abs. 1 EStG in Anspruch genommen hat, diese Vergünstigung nicht dadurch verliert, daß er, bevor er rechtlicher Eigentümer geworden ist, versetzt wird und den Kaufanwärtervertrag im Einverständnis mit dem Vertragspartner "rückwirkend" in der Weise auflöst, daß er nunmehr unter Rückerstattung der gegenseitigen Leistungen lediglich als Mieter behandelt wird. Dabei ist der Senat davon ausgegangen, daß das wirtschaftliche Eigentum des Steuerpflichtigen zu Recht bejaht worden war und allenfalls für die Zukunft, nicht aber für die Vergangenheit wegfallen konnte. Inwieweit dies verallgemeinert werden kann (vgl. die kritische Anmerkung zu dem Urteil in Wetter- Barske, Leitsatz-Kartei, I 2 § 4 Abs. 3 Ziff. 2 StAnpG L 10), braucht nicht geprüft zu werden. Der Streitfall liegt jedenfalls anders. Während damals die Tatsache, daß der Steuerpflichtige Bauherr gewesen war und das Risiko des Bauherrn getragen hatte, durch die änderung der Verhältnisse nicht rückwirkend in Frage gestellt werden konnte, hat im Streitfall die änderung der Verhältnisse bewirkt, daß die Eheleute A tatsächlich nicht die ersten Erwerber des Kaufeigenheims geworden sind. Die erhöhten Absetzungen sollen aber nicht bloß nach dem Wortlaut, sondern auch nach dem Zweck des § 7 b Abs. 3 EStG, wie erwähnt, denjenigen begünstigen, der das Kaufeigenheim als erster Käufer auch wirklich erwirbt. Wenn die Vergünstigung des § 7 b Abs. 3 EStG in Fällen der vorliegenden Art gleichwohl bereits dem wirtschaftlichen Eigentümer gewährt wird, so geschieht das unter der Voraussetzung, daß der Kaufanwärter auch Kaufeigentümer wird. Wird diese Voraussetzung später nicht erfüllt, so ist ein Merkmal, dessen Vorliegen das Gesetz für die "Steuervergünstigung fordert" und das auf Grund der Verhältnisse zunächst als gegeben unterstellt wurde, "nachträglich mit Wirkung für die Vergangenheit weggefallen", mit der Folge, daß die unter Berücksichtigung der Vergünstigung durchgeführte Veranlagung zu berichtigen ist (§ 4 Abs. 3 Ziff. 2 StAnpG).
Daraus ergibt sich, daß die Eheleute A, wenngleich sie nur wirtschaftliche Eigentümer waren, die erhöhten Absetzungen zunächst zu Recht in Anspruch genommen hatten, daß ihre Berechtigung aber mit Wirkung für die Vergangenheit weggefallen ist, nachdem das Kaufanwartschaftsverhältnis aufgelöst und es nicht zum Eigentumsübergang gekommen ist. Ob die Veranlagungen der Eheleute A noch berichtigt werden können, ist für die Entscheidung des Streitfalles ohne Bedeutung. Es kommt allein darauf an, daß die Eheleute A, nachdem es nicht zur Eigentumseintragung gekommen ist, nicht Ersterwerber im Sinne des § 7 b Abs. 3 EStG sind. Ersterwerber sind die Bg. Ihnen stehen als wirtschaftlichen Eigentümern die erhöhten Absetzungen auch bereits für das Jahr 1962 zu.
Fundstellen
Haufe-Index 411810 |
BStBl III 1965, 709 |
BFHE 1966, 576 |
BFHE 83, 576 |