Leitsatz (amtlich)
1. Auch wenn im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung nur Fragen streitig sind, die die Gewinnverteilung oder die Interessen eines einzelnen Gesellschafters betreffen, sind auch die zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter zur Einlegung von Rechtsbehelfen befugt.
2. Die Beiladung (§ 60 FGO) erfordert einen förmlichen Beschluß.
Normenkette
FGO § 48 Abs. 1, § 60 Abs. 3-4; AO a.F. § 239 Abs. 1, 3; AO n.F. § 233 Abs. 1, § 241 Abs. 3
Gründe
Aus den Gründen:
Im Verfahren vor dem FG waren zwei Fragen streitig, nämlich
1. die Verteilung des Gewinns der KG, der der Höhe nach feststand. Durch diese Verteilung waren betroffen alle Gesellschafter der KG;
2. die Zurechnung der Geschäftsführervergütung an X. Insoweit war nur er betroffen.
Die Sprungberufung wurde nur von der KG eingelegt.
Der Senat hatte zunächst zu prüfen, ob die KG zur Einlegung eines Rechtsmittels befugt war, da es sich bei der Streitfrage 1. um eine solche nach § 239 Abs. 1 Nr. 1 AO a. F. (= § 233 Abs. 1 Nr. 1 AO n. F. = § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO), bei der Streitfrage 2. um eine solche nach § 239 Abs. 1 Nr. 2 AO a. F. (= § 233 Abs. 1 Nr. 2 AO n. F. = § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO) handelte. Es wären also die jeweils betroffenen Gesellschafter selbst rechtsmittelbefugt gewesen. Für einen solchen Fall entschied der BFH in dem Urteil III 25/65 U vom 30. April 1965 (BFH 82, 603, BStBl III 1965, 464), daß auch die geschäftsführenden Gesellschafter der KG (also die KG selbst) ein Rechtsmittel einlegen könnten. Er folgerte das aus dem Sinn der Vorschrift. Das Gesetz gehe davon aus, daß die Gesellschafter die Geschäftsführer mit der Wahrnehmung ihrer Interessen betraut hätten, so daß grundsätzlich nur diese rechtsmittelbefugt seien. Durch die Gewährung eines eigenen Rechtsmittelrechts der nicht zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter in besonderen, nur sie berührenden Fällen würden deren Befugnisse erweitert, nicht aber die Befugnisse der Geschäftsführer beschränkt. Allerdings seien in den Fällen, in denen die Geschäftsführer ein Rechtsmittel eingelegt hätten, die übrigen rechtsmittelbefugten Gesellschafter wegen ihrer Interessen beizuladen (§ 239 Abs. 3 Satz 1 AO a. F. = § 241 Abs. 3 Satz 1 AO n. F. = § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO).
Gegen diese Ansicht des BFH hat Meßmer (Steuer und Wirtschaft 1966 S. 33) Einwände erhoben. Er ist der Ansicht, daß in derartigen Fällen nur die nach den genannten Bestimmungen in Nr. 1 und 2 zur Einlegung von Rechtsmitteln befugten Gesellschafter, nicht auch die Geschäftsführer Rechtsmittel einlegen könnten. Er stützt sich dabei einmal auf den Wortlaut der Nr. 3, in der es heißt, "im übrigen", das heiße aber, wenn die Nr. 1 und 2 nicht zuträfen, seien die zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter rechtsmittelbefugt. Zum anderen meint Meßmer, man könne nicht Fragen, die nur die Einkommensteuerveranlagung einzelner Gesellschafter berührten, ohne oder gar gegen deren Willen zum Gegenstand eines Rechtsbehelfsverfahrens machen (ohne nähere Begründung wie Meßmer auch Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, § 48, Anm. 9 und 16).
Der Senat schließt sich der Ansicht des III. Senats des BFH an, nach der die Rechtsmittelbefugnis der geschäftsführenden Gesellschafter bejaht wird. Die Worte "im übrigen" können auch dahin ausgelegt werden, daß bei allen Fragen, die nicht in Nr. 1 und 2 angesprochen werden, "nur" die Geschäftsführer rechtsmittelbefugt sind. Es dient der Prozeßökonomie, wenn alle streitigen Fragen in einem Verfahren geklärt werden, wenn also die geschäftsführenden Gesellschafter auch Fragen der Nrn. 1 und 2 mit aufgreifen dürfen. Die betroffenen und zur Geschäftsführung nicht berufenen Gesellschafter haben ganz allgemein die Geschäftsführer mit der Wahrnehmung ihrer Belange, und zwar auch der aus der Betätigung der Gesellschaft entstehenden steuerlichen Belange, betraut. Ihr evtl. abweichendes Interesse wird durch das zwingende Gebot der Beiladung hinreichend gewahrt.
Diese notwendige Beiladung der bei den Streitfragen Beteiligten, nämlich der GmbH und der Gesellschafter X, Y und Z, wurde indessen vom FG unterlassen. Nach § 60 Abs. 4 FGO erfolgt die Beiladung durch einen allen Beteiligten zuzustellenden Beiladungs beschluß, in dem der Stand der Sache und der Grund der Beiladung anzugeben sind. Daraus folgt, daß es eine formlose oder konkludente Beiladung nicht gibt. Die Beiladung muß schon deshalb eindeutig sein, weil Interessenkollisionen der Beteiligten vorliegen können, insbesondere auch das Steuergeheimnis von Bedeutung sein kann, so daß die Beteiligten die Möglichkeit haben müssen, sich gegen eine Beiladung mit Rechtsbehelfen zur Wehr zu setzen. Es kommt hinzu, daß die Erstreckung der Bindungswirkung eines Urteils auf die Beigeladenen nach § 110 in Verbindung mit § 57 Nr. 2 FGO eine klare Kenntlichmachung der Beteiligten erfordert.
Da die Vorschriften über die Beiladung zu den von Amts wegen zu berücksichtigenden und unverzichtbaren Grundvoraussetzungen des Verfahrens gehören (vgl. z. B. BFH-Urteil IV 258/63 vom 10. Februar 1966, BFH 85, 464, BStBl III 1966, 423), muß das Urteil aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 412838 |
BStBl II 1968, 122 |
BFHE 1968, 428 |