Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Einschränkung in § 8 UStDB, daß es sich bei dem Gegenstand, den der Auftraggeber erhält, um einen solchen handeln muß, wie ihn der Unternehmer herzustellen pflegt, besteht zu Recht.
Normenkette
UStG § 1 Ziff. 1; UStDB § 8; UStG § 3/9
Tatbestand
Die Revisionsklägerin ist eine reine Verwaltungsgesellschaft mit überwiegend geschäftsleitender Tätigkeit für mehrere Tochtergesellschaften, zu denen u. a. die Firma X GmbH in A. (GmbH) gehört.
Die GmbH führte im Streitjahr Umarbeitungsgeschäfte durch. Sie erhielt von ihren Kunden Altmetalle, die sie ihren Lieferwerken weitergab und von diesen zu Metallhalbzeug (z. B. Messingrohr) verarbeiten ließ. Das von den Lieferanten hergestellte Halbzeug gab sie an ihre Kunden weiter. Bei den Geschäften war nicht gewährleistet, daß die Kunden der GmbH dasjenige Halbzeug erhielten, das aus ihren eigenen hierfür angelieferten Altmetallen hergestellt wurde. Der GmbH und den Kunden wurde jeweils nur ein Umarbeitungslohn in Rechnung gestellt.
Streitig ist, ob die GmbH bei den Umarbeitungsgeschäften für die Leistungen an ihre Kunden lediglich den Umarbeitungslohn oder auch noch den Wert der empfangenen Altmetalle zu versteuern hat.
Das Finanzamt (FA) hat eine Anwendung des § 8 UStDB abgelehnt, weil die GmbH die Umarbeitung nicht selbst vorgenommen, sondern nur eine Handelsfunktion ausgeübt habe.
Die gegen den berichtigten Steuerbescheid eingelegte Sprungberufung war ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) betrachtete die Umarbeitungsgeschäfte als Tauschgeschäfte gegen Baraufgabe und lehnte auch eine ausdehnende Auslegung des § 8 UStDB ab. Das Vorbringen der Revisionsklägerin, daß der Gleichheitssatz (Art. 3 des Grundgesetzes - GG -) durch § 8 UStDB verletzt sei, wurde vom FG nicht anerkannt, weil die Leistungen der GmbH und der zum Vergleich herangezogenen Hersteller wesentlich verschieden seien.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rb., die gemäß § 184 Abs. 2 FGO als Revision zu behandeln ist. Sie wird auf unrichtige Anwendung des § 8 UStDB und auf Verstoß gegen Art. 3 GG gestützt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Revisionsklägerin ist der Auffassung, daß nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen ein Umsatz Arbeit gegen Entgelt vorliege, wenn jemand von seinem Kunden Stoffe übernimmt und ihm ein aus diesen Stoffen herstellbares Produkt übergibt, sofern das Entgelt für die Leistung des Unternehmens nach Art eines Werklohns berechnet wird. Es kommt ihrer Meinung nach nicht darauf an, ob der Unternehmer die Leistung durch seine Arbeiter oder durch einen selbständigen Unternehmer ausführen läßt. Dieser Auffassung kann nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Das UStG besteuert nicht vertragliche Vereinbarungen, sondern Lieferungen und sonstige Leistungen, also tatsächliche Vorgänge. Es kommt deshalb, wie schon der Reichsfinanzhof (RFH) in seiner Entscheidung Gr.S. 5/24 vom 24. Januar 1925 (Sammlung der Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Bd. 15 S. 282, RStBl 1925, 59) ausgesprochen hat, darauf an, welche Leistungen der Unternehmer und der Besteller austauschen.
übernimmt es ein Unternehmer, aus ihm von seinem Auftraggeber übergebenen Stoffen einen Gegenstand herzustellen, so kann er die Bearbeitung des Stoffes selbst durchführen. In diesem Fall besteht die Leistung des Unternehmers in einer Arbeitsleistung, für die der Auftraggeber einen bestimmten Arbeitslohn entrichtet. Stellt der Unternehmer den Gegenstand nicht selbst her, sondern läßt er ihn durch einen anderen Unternehmer herstellen, so besteht seine Leistung in der Besorgung einer Werkleistung, die ebenso wie die Werkleistung selbst, eine sonstige Leistung darstellt. Der Unternehmer hat dafür das von ihm vereinnahmte Entgelt zu versteuern. Es macht deshalb für ihn keinen Unterschied, ob er die Werkleistung selbst ausführt, oder durch einen anderen Unternehmer ausführen läßt. In beiden Fällen scheidet das Material aus dem Leistungstausch von vornherein aus.
Die Verhältnisse liegen aber anders, wenn der beauftragte Unternehmer den Gegenstand nicht aus dem übergebenen, sondern aus anderem Stoff gleicher Art und Güte herstellt, Der Stoff also ausgetauscht wird. In diesem Fall wird das Geschäft abweichend von der vertraglichen Vereinbarung in der Weise abgewickelt, daß die Verfügungsmacht an dem übergebenen Stoff auf den Unternehmer übergeht und der bestellte Gegenstand aus von dem Unternehmer beschafften Stoff hergestellt wird. Es liegt somit nach dem tatsächlichen Ablauf des Geschäfts ein Tausch mit Baraufgabe vor. Der RFH hat in dem oben genannten Urteil für die Umtauschmüllerei, die ein solches Geschäft darstellt, trotzdem einen Leistungsaustausch Arbeit gegen Geld angenommen. Er hat dabei, wie sich aus den Gründen des Urteils ergibt, dem Umstand, daß die Umtauschmüllerei der Lohnmüllerei (nicht der Handelsmüllerei) gleicht, und daß wie bei der Lohnmüllerei ein Werklohn vereinbart ist, entscheidende Bedeutung beigemessen. Diese Beurteilung beruht auf der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Der Sachverhalt wird so angesehen, als ob der Bauer, der sein Getreide zur Mühle gebracht hat, das Vermahlen dieses Getreides abgewartet hätte.
Von diesem Sachverhalt unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt dadurch, daß die beauftragte Steuerpflichtige (Stpfl.) ein Händler ist. Sie hat das übergebene Altmetall nicht selbst umgearbeitet, sondern durch andere Unternehmen umarbeiten lassen. Diese anderen Unternehmer haben außerdem das übergebene Material ausgetauscht. Die Stpfl. ist der Meinung, daß es sich auch in diesem Fall um ein echtes Umarbeitungsgeschäft handele und deshalb ein Leistungsaustausch Arbeit gegen Geld gegeben sei. Dem kann nicht zugestimmt werden. Die Beurteilung des Sachverhalts als Werkleistung bei der Umtauschmüllerei geht davon aus, daß der Bauer auf das Vermahlen seines Getreides hätte warten und der Müller das Vermahlen hätte selbst vornehmen können. Nur ein solcher, der reinen Werkleistung nahekommender Sachverhalt konnte wirtschaftlich als Werkleistung beurteilt werden. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn der beauftragte Unternehmer, weil er Händler ist, den bestellten Gegenstand nicht selbst herstellen kann (vgl. dazu die Urteile des BFH V 13/63 vom 16. März 1966, BFH 86, 59, BStBl III 1966, 445, und V 166/63 vom 26. Mai 1966, BFH 86, 186, BStBl III 1966, 447).
Es hat deshalb einen guten Sinn, wenn in § 8 UStDB verlangt wird, daß es sich bei dem Gegenstand, den der Auftraggeber erhält, um einen solchen handeln muß, wie ihn der Unternehmer in seinem Unternehmen herzustellen pflegt. Der Einwand der Stpfl., diese Einschränkung verstoße gegen allgemeine Rechtsgrundsätze, besteht hiernach nicht zu Recht. Aus dem gleichen Grunde kommt auch eine ausdehnende Auslegung des § 8 UStDB nicht in Betracht, da eine solche mit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht zu vereinbaren wäre.
Auf § 12 Abs. 2 UStDB kann sich die Stpfl. nicht berufen. Diese Vorschrift behandelt allein die Frage der Zurechnung der Bearbeitung und sagt nichts darüber aus, ob ein Tausch oder eine sonstige Leistung vorliegt. Sie kann auch mit der Frage des Materialaustauschs nicht in Zusammenhang gebracht werden.
Der Einwand, § 8 UStDB verletze den Gleichheitssatz, wird ebenfalls darauf gestützt, daß diese Vorschrift durch ihre einschränkende Fassung gegen allgemeine Rechtsgrundsätze verstoße. Daß dieser Vorwurf nicht berechtigt ist, ist bereits dargelegt worden. Die Beurteilung eines Sachverhalts wie der Umtauschmüllerei als Werkleistung beruht auf der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Diese wirtschaftliche Betrachtungsweise hat dort ihre Grenze, wo der beauftragte Unternehmer den übergebenen Stoff nicht selbst bearbeiten kann. Das UStG besteuert die Vorgänge so wie sie sich nach ihrem wirtschaftlichen Inhalt darstellen. Daraus kann sich auch bei gleicher Zielsetzung eine Verschiedenheit in der steuerlichen Beurteilung ergeben. Wenn die Stpfl. meint, das geltende Umsatzsteuersystem behandle im allgemeinen Werkleistungen und Lieferungen gleich, so ist das nur in beschränktem Maße richtig. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, daß Besteuerungsmaßnahmen bei der Werkleistung nur der Arbeitslohn und bei der Lieferung der für den fertigen Gegenstand gezahlte Preis ist. Bei der Werkleistung wird deshalb der Wert des Materials nicht mitversteuert. Um diesen Unterschied geht es auch im vorliegenden Fall, wenn streitig ist, ob die Stpfl. nur den Arbeitslohn oder auch noch den Wert des Materials zu versteuern hat. Auf die Unterschiede im Sachverhalt zwischen der Umtauschmüllerei und dem vorliegenden Fall ist bereits weiter oben hingewiesen worden. Wirtschaftlich betrachtet ist dieser Unterschied so groß, daß von einer ungleichen Behandlung gleicher Sachverhalte nicht gesprochen werden kann. Die bestehenden Unterschiede rechtfertigen vielmehr eine unterschiedliche steuerliche Beurteilung. Das auf Grund einer wirtschaftlichen Beurteilung gefundene Ergebnis kann vielmehr nur bei gleichliegenden wirtschaftlichen Sachverhalten das gleiche sein.
Die Stpfl. sieht eine Verletzung des Gleichheitssatzes auch darin, daß der Absatzmittler schlechter gestellt sei als der Hersteller. Sie versteht dabei unter Absatzmittler einen Unternehmer, der von einem anderen Unternehmer hergestellte Werte im eigenen Namen absetzt. Diese Gegenüberstellung von Absatzmittler und Hersteller bietet jedoch für die Lösung der Streitfrage schon deshalb keinen brauchbaren Anhaltspunkt, weil das UStG nicht die Person, sondern den Umsatz besteuert. Daraus ergibt sich, daß es auf die Unterschiede im Umsatz und nicht auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Unternehmergruppe ankommt. Entscheidend ist, welche Tätigkeit der Unternehmer ausübt. Sowohl beim Absatzmittler als auch beim Hersteller können aber Art und Umfang der Leistung sehr verschieden sein. Die Leistung kann beim Absatzmittler in einer sonstigen Leistung bestehen (z. B. Agent) oder aber den Wert des Stoffes mit umfassen (z. B. Eigenhändler). Der Hersteller wird in der Regel den Stoff mit zu versteuern haben. Er braucht jedoch den Teil des Hauptstoffes nicht zu versteuern, den der Auftraggeber zur Herstellung zur Verfügung gestellt hat (Materialbeistellung). Eine Abgrenzung der Steuerpflicht nach der Zugehörigkeit zu der einen oder anderen Unternehmergruppe scheitert deshalb an der Vielfalt der Leistungen, die Absatzmittler und Hersteller erbringen können. Es ist deshalb auch nicht berechtigt, eine Entscheidung zugunsten des Händlers damit zu begründen, daß dieser nur einen geringen Kontakt zur Ware habe.
Wenn die Stpfl. im vorliegenden Fall die Messingrohre durch einen anderen Unternehmer hat herstellen lassen, und der Hersteller das hingegebene Material ausgetauscht hat, so ist seine Leistung auch wirtschaftlich betrachtet eine andere, als wenn die Rohre aus dem hingegebenen Altmetall hergestellt worden wären. Der vorgenommene Materialaustausch bei dem dritten Unternehmer läßt es nicht mehr zu, wirtschaftlich nur ein Umarbeitungsgeschäft anzunehmen.
Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, ist die Frage der Rechtsgültigkeit des § 8 UStDB auch nicht entscheidungserheblich. Die Frage hätte auch nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen nicht anders entschieden werden können. Letztlich beruht die Vorschrift des § 8 UStDB auf der Rechtsprechung, die bei Umtauschgeschäften nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise anstelle eines Tausches mit Baraufgabe eine Werkleistung angenommen hat. Die unmittelbare Anwendung dieser Grundsätze führt zu demselben Ergebnis.
Fundstellen
Haufe-Index 412399 |
BStBl III 1967, 235 |
BFHE 1967, 579 |
BFHE 87, 579 |