Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Verfahrensrecht, Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Die rechtskräftige Wertfortschreibung auf einen Stichtag schließt die spätere Wertfortschreibung auf einen früheren Stichtag in der Regel aus.
Normenkette
BewG § 22; FortschrG § 4; AO § 222 Abs. 1 Nr. 1, § 225a/1
Tatbestand
Für das Einfamilienhaus X war der Einheitswert zum 1. Januar 1936 nach einem Vielfachen der Jahresrohmiete auf 6.600 RM (11 x 600 RM) festgestellt worden. Bis zum Währungsstichtag wurde das Grundstück zweimal - zuletzt an den Beschwerdegegner (Bg.) - weiterveräußert. Bei den entsprechenden Zurechnungsfortschreibungen behielt das Finanzamt jeweils die bisherige Entscheidung über die Art des Grundstücks (Einfamilienhaus) und die Bewertung (6.600 RM) bei. Später kam das Finanzamt zu der Auffassung, daß das streitige Grundstück nicht mit einem Vielfachen der Jahresrohmiete, sondern mit dem gemeinen Wert hätte bewertet werden müssen. Die überprüfung der Bewertung führte zunächst zu einer Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1946, die jedoch auf den Einspruch hin wieder zurückgenommen wurde. Die Nachprüfung der Bewertung auf spätere Stichtage (1. Januar bzw. 21. Juni 1948) ergab keine Wertfortschreibung. Erst zum 1. Januar 1951 schrieb das Finanzamt mit Bescheid vom 1. Juli 1952 den Einheitswert wie folgt fort:
Bodenwert ------------------------ 756 DM Neubaukosten (1914) --- 10.035 RM Gebäudewert (70 % davon) ------- 7.024 DM Summe -------------------------- 7.780 DM Einheitswert ------------------- 7.700 DM.Der Bescheid hierüber erwuchs in Rechtskraft. Als der Bg. seinerseits das Grundstück weiterveräußerte, führte das Finanzamt lediglich zum 1. Januar 1954 eine Zurechnungsfortschreibung gegenüber der Erwerberin durch.
Im Jahre 1955 - als die Erwerberin eine auf dem Grundstück befindliche Garage versichern ließ - stellte das Finanzamt fest, daß die Neubaukosten für die Garage in den der Bewertung zugrunde gelegten Neubaukosten (10.035 RM) nicht enthalten waren, und schrieb nunmehr zum 21. Juni 1948 mit Bescheid vom 10. Dezember 1955 den Einheitswert gegenüber dem Bg. wie folgt fort (ß 22 des Bewertungsgesetzes - BewG -, § 4 des Gesetzes betreffend Fortschreibungen und Nachfeststellungen von Einheitswerten des Grundbesitzes auf den 21. Juni 1948 - Fortschreibungsgesetz -):
Bodenwert ------------------------- 756 DM Neubaukosten (1914) --- 10.622 RM Gebäuderealwert (70 % davon) --- 7.435 DM Summe --------------------------- 8.191 DM Einheitswert -------------------- 8.100 DM.Der Einspruch des Bg. gegen diese Wertfortschreibung hatte keinen Erfolg. Dagegen hob das Finanzgericht sowohl die Einspruchsentscheidung als auch den Wertfortschreibungsbescheid vom 10. Dezember 1955 ersatzlos auf. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts, die auf unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts gestützt wird.
Entscheidungsgründe
Die Rb. kann keinen Erfolg haben.
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist der Auffassung, daß im Streitfall die rechtskräftige Wertfortschreibung zum 1. Januar 1951 die nachfolgende Wertfortschreibung zum 21. Juni 1948 keineswegs ausschließt. Er verweist zu dieser Frage - allerdings zu Unrecht - auf die folgende Rechtsprechung des erkennenden Senats:
Im Urteil III 94/50 U vom 9. August 1951 (Bundessteuerblatt - BStBl - 1951 III S. 178, Slg. Bd. 55 S. 446) ist entschieden worden, daß die rechtskräftige Nachfeststellung des Einheitswerts eines Grundstücks gemäß § 23 BewG auf den 1. Januar 1949 die spätere Nachfeststellung nach § 5 des Fortschreibungsgesetzes auf den 21. Juni 1948 nicht ausschließt. Aus der Begründung zu diesem Urteil ist zu entnehmen, daß in dieser Sache die Nachfeststellung zum 1. Januar 1949 bereits vor dem Ergehen des Fortschreibungsgesetzes durchgeführt worden war. Es lag daher ein besonderer Fall vor, der dazu führte, die Nachfeststellung des Einheitswerts zum 21. Juni 1948 für zulässig zu erklären.
In der Sache III 9/52 U vom 20. Februar 1953 (BStBl 1953 III S. 74, Slg. Bd. 57 S. 184) verlangte der Steuerpflichtige, daß die änderung der Eigentumsverhältnisse an einem Grundstück nicht erst zum 1. Januar 1950, sondern schon zum 21. Juni 1948 zu berücksichtigen waren. Im Rechtsmittelverfahren über die Zurechnung des Grundstücks zu diesem Zeitpunkt obsiegte der Steuerpflichtige. Hierdurch wurde die bereits rechtskräftig durchgeführte Zurechnungsfortschreibung zum 1. Januar 1950 gegenstandslos. Aus dieser Entscheidung kann der Bf. somit nichts zur Stütze der Rb. entnehmen.
Im Urteil III 135/53 U vom 12. März 1954 (BStBl 1954 III S. 145, Slg. Bd. 58 S. 614) ist entschieden worden, daß die auf Antrag vorgenommene rechtskräftige Wertfortschreibung eines Grundstücks zum 21. Juni 1948 wegen Kriegsschadens die spätere Art- und Wertfortschreibung von Amts wegen auf denselben Fortschreibungszeitpunkt nicht grundsätzlich ausschließt. Aus der Begründung zu diesem Urteil ist zu entnehmen, daß auch in dieser Sache besondere Verhältnisse vorlagen, die die Vornahme einer nochmaligen Art- und Wertfortschreibung auf denselben Fortschreibungszeitpunkt rechtfertigten.
In der Sache III 41/56 S vom 27. April 1956 (BStBl 1956 III S. 203, Slg. Bd. 63 S. 21) handelte es sich um die Vorverlegung der Zurechnung eines landwirtschaftlichen Betriebs zum 1. Januar 1948 statt wie bisher zum 1. Januar 1950. Im Verfahren über die Zurechnung zum 1. Januar 1950 war dem Veräußerer des Betriebs der Bescheid über die änderung in der Zurechnung gar nicht bekanntgegeben worden. Wenn in diesem Fall die Zurechnung auf einen früheren Zeitpunkt begründet war, wurde dem Bescheid über die Zurechnung zum 1. Januar 1950 die Grundlage entzogen. Diese Entscheidung kann dem Bf. somit auch nicht zur Stütze der Rb. dienen.
Aus der vorstehend aufgeführten Rechtsprechung ist somit nicht zu entnehmen, daß die Wertfortschreibung zu einem bestimmten Stichtag ohne Einschränkung zulässig sein soll, obwohl bereits zu einem späteren Zeitpunkt eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt. Entsprechendes ergibt sich auch aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs III 1/55 U vom 23. September 1955 (BStBl 1955 III S. 316, Slg. Bd. 61 S. 303). Danach liegt in der rechtskräftigen Zurechnung eines Gegenstandes an einen Steuerpflichtigen ab einem bestimmten Zeitpunkt zugleich die negative Feststellung, daß diesem Steuerpflichtigen gegenüber der Einheitswert zu einem früheren Zeitpunkt nicht festzustellen ist. Der Senat kommt daher zu dem Ergebnis, daß die rechtskräftige Wertfortschreibung auf einen Stichtag die spätere Wertfortschreibung auf einen früheren Stichtag in der Regel ausschließt. Im Streitfall liegen keine besonderen Verhältnisse vor, die eine nachträgliche Wertfortschreibung auf den 21. Juni 1948 rechtfertigen könnten.
Das Finanzgericht hat geprüft, ob der Bescheid des Finanzamts vom 10. Dezember 1955 unter dem Gesichtspunkt der Berichtigung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) zu halten ist. Dies wäre, wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt hat, nur möglich, wenn hinsichtlich der Errichtung der Garage auf dem Grundstück neue Tatsachen und Beweismittel gegeben wären, die eine Erhöhung des Einheitswerts zulassen würden. Das Finanzgericht hat eingehend dargetan, aus welchen Gründen das Vorliegen von neuen Tatsachen und Beweismitteln verneint werden muß. Diesen Ausführungen, die keinen Rechtsirrtum erkennen lassen, schließt sich der Senat an.
Fundstellen
Haufe-Index 409280 |
BStBl III 1959, 150 |
BFHE 1959, 386 |
BFHE 68, 386 |