Leitsatz (amtlich)
Die Belastung der Forderungen aus Warenlieferungen eines gewerblichen Betriebs mit Umsatzsteuer ist bei der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten nach dem UStG 1951 ein besonderer Umstand im Sinne des § 14 Abs. 1 BewG in der Fassung vor dem BewG 1965, der eine Bewertung der Außenstände unter dem Nennwert rechtfertigt.
Normenkette
BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 14 Abs. 1; UStG 1951 § 19; UStDB 1951 § 63
Tatbestand
Der Kläger hat in seiner Steuerbilanz zum 31. Dezember 1963 einen Delkredereposten auf die Außenstände in Höhe von 1 676,33 DM passiviert. Das Delkredere setzte sich zusammen aus 330,09 DM "Wertminderung laut Einzelaufstellung" und 1 346,24 DM "4 % Umsatzsteuer aus 33 656 DM Restaußenständen". In seiner Vermögensaufstellung hat der Kläger die Außenstände nach Abzug des Delkrederepostens mit 30 664 DM unter den Besitzposten angesetzt. Das FA hat bei Einheitswert-Feststellung für das Betriebsvermögen des Klägers zum 1. Januar 1964 die Außenstände mit 32 009 DM angesetzt, d. h. sie um den für die Umsatzsteuer gebildeten Delkredereposten erhöht.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das FG führte in seinem Urteil, das in Entscheidungen der Finanzgerichte 1967 S. 4 (EFG 1967, 4) veröffentlicht ist, im wesentlichen aus: Die bei Eingang der Forderungen des Klägers eintretende Umsatzsteuerbelastung könne unter dem Gesichtspunkt des Teilwerts den Wert der Forderungen nicht mindern. Einen Erwerber des Betriebs würde die Umsatzsteuer auf die Außenstände nicht treffen. Sie wäre vielmehr vom Veräußerer zu entrichten. Nun seien allerdings Kapitalforderungen nach der Rechtsprechung des BFH, auch wenn sie zu einem Betriebsvermögen gehörten, nicht mit dem Teilwert, sondern nach § 14 des Bewertungsgesetzes in der Fassung vor dem Bewertungsgesetz 1965 (im folgenden: BewG) zu bewerten. Gehe man von dem Grundgedanken dieser Rechtsprechung aus, das Beiseiteschieben des Teilwerts sei bei Bewertung von Kapitalforderungen deshalb gerechtfertigt, weil diese unabhängig davon, ob sie zu einem Betriebsvermögen gehörten oder nicht, denselben Wert besäßen, so sei es folgerichtig, die bei der Vereinnahmung der Forderungen anfallende Umsatzsteuer nicht zu den "besonderen Umständen" im Sinne des § 14 Abs. 1 BewG zu zählen, die einen niedrigeren Wertansatz als den Ansatz mit dem Nennwert begründeten. Denn da die Umsatzsteuer nur bei der Vereinnahmung von Außenständen eines Unternehmens in Betracht komme, wäre sonst die vom BFH angenommene Gleichwertigkeit nicht gegeben. Die aus Lieferungen oder Leistungen eines Unternehmens stammenden betrieblichen Forderungen wären vielmehr weniger wert als andere Forderungen. Der BFH sei auch bei Anwendung des § 14 BewG grundsätzlich davon ausgegangen, daß sich die Wertermittlung danach richte, welche Vergütungen der Gläubiger von einem Dritten bei Verwertung der Forderungen zu erwarten habe. Eine Ausnahme habe er nur zugelassen, wenn und soweit die Forderung in der Hand des Erwerbers ihren Charakter verändere. Eine solche Ausnahme liege hier nicht vor. Der erzielbare Veräußerungspreis werde von der zu erwartenden Umsatzsteuer nicht belastet, da sie, wie bereits ausgeführt, den Erwerber nicht treffe. Die Rechtsprechung zur Bewertung einer Tantiemeforderung habe die Wertminderungen wegen der zu erwartenden Steuerabzugsbeträge ausschließlich damit begründet, daß der Steuerabzug auch bei Übertragung der Forderung an einen Dritten vorgenommen werde. Das sei jedoch bei der Umsatzsteuer eben nicht der Fall. Aus diesem Grunde fehle es auch an einer "immanenten Verknüpfung" der Außenstände eines Unternehmens mit der später anfallenden Umsatzsteuer. Damit stehe in Einklang, daß der I. Senat des BFH im Urteil I 60/57 U vom 1. April 1958 (BFH 67, 47, BStBl III 1958, 291) ausgeführt habe, es sei streng genommen nicht ganz richtig, die für Geldeingänge zu entrichtende Umsatzsteuer als Delkredere bei den Forderungen zu berücksichtigen, denn es handele sich um später fällig werdende Unkosten (Erlösschmälerungen), die zweckmäßig besonders ausgewiesen werden sollten. Eine saubere Trennung zwischen Delkredere und Rechnungsabgrenzungsposten habe bei der auf dem statischen Prinzip beruhenden Einheitsbewertung besondere Bedeutung. Es könne auch für die zu erwartende Umsatzsteuer kein Schuldposten angesetzt werden, weil die Umsatzsteuerschuld am Stichtag noch nicht bestanden habe.
Mit der vom FG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache zugelassenen Revision beantragt der Kläger, unter Aufhebung der Vorentscheidungen den für die Umsatzsteuer gebildeten Delkredereposten bei der Einheitswertfeststellung seines Betriebsvermögens zum 1. Januar 1964 zu berücksichtigen. Er rügt unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts, die er darin erblickt, daß das FG die im Steuerrecht gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht berücksichtigt habe.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Im vorliegenden Fall ist nicht streitig, ob bei der Einheitswertfeststellung für das Betriebsvermögen des Klägers zum 1. Januar 1964 ein Schuldposten für die bei Eingang der Außenstände anfallende Umsatzsteuer abgezogen werden kann und ob es sich dabei um einen echten Schuldposten, um ein Delkredere oder um einen Rechnungsabgrenzungsposten handelt. Es ist vielmehr über die Bewertung der Außenstände des Betriebs zu entscheiden. Deshalb liegt der Hinweis des FG auf das Urteil des I. Senats I 60/57 U vom 1. April 1958 (a. a. O.) neben der Sache. Es ist auch nicht entscheidend, daß die Umsatzsteuerschuld noch nicht abgezogen werden kann, weil sie am Stichtag noch nicht entstanden war.
Außenstände sind Kapitalforderungen. Kapitalforderungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. BFH-Urteile III 133 und 134/55 S vom 26. August 1955, BFH 61, 207, BStBl III 1955, 278, und III 358/61 U vom 30. März 1962, BFH 74, 624, BStBl III 1962, 232) auch dann mit dem sich nach § 14 BewG ergebenden Wert anzusetzen, wenn sie zu einem Betriebsvermögen gehören. Es ist zwar richtig, daß der Senat diese Rechtsauffassung damit begründet hat, daß der Ansatz des Teilwerts nicht sinnvoll sei bei solchen Wirtschaftsgütern, die, wie Geld, Bankguthaben und sonstige Geldforderungen, denselben Wert besitzen, gleichviel, ob sie zu einem Betriebsvermögen gehören oder nicht. Es ist ferner richtig, daß diese Begründung nur auf Außenstände eines gewerblichen Betriebs zutrifft, die nicht mit Umsatzsteuer belastet sind, nicht dagegen auf solche Außenstände, die wegen der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten nach dem UStG 1951 mit Umsatzsteuer belastet sind. Aber auch bei solchen Außenständen scheidet, allerdings aus anderen Gründen, eine Bewertung mit dem Teilwert aus. Der Senat hat in dem Urteil III 343/57 U vom 3. Februar 1961 (BFH 72, 551, BStBl III 1961, 202) die Bewertung von 7 c- und 7 d-Darlehen nach § 14 BewG gerade mit Rücksicht darauf für richtig gehalten, daß sie in der Hand eines Erwerbers ihren Charakter als 7 c- und 7 d-Darlehen verlieren. Die dort angestellte Erwägung, daß dieser Umstand es verbiete, der Erwerberfiktion eine maßgebende Bedeutung beizumessen, trifft auch auf die Außenstände eines gewerblichen Betriebs zu, die mit Umsatzsteuer belastet sind. Denn auch diese Außenstände bekommen in der Hand eines Erwerbers einen anderen Charakter. Sie sind nicht mehr mit Umsatzsteuer belastete Kapitalforderungen, sondern Kapitalforderungen ohne eine solche Belastung. Der Senat ist deshalb der Auffassung, daß Forderungen aus Warenlieferungen eines gewerblichen Betriebs ohne Rücksicht darauf, ob sie mit Umsatzsteuer belastet sind oder nicht, nicht mit dem Teilwert, sondern nach § 14 BewG zu bewerten sind.
2. § 14 Abs. 1 BewG sieht eine vom Nennwert abweichende Bewertung von Kapitalforderungen für den Fall vor, daß besondere Umstände vorliegen, die eine höhere oder geringere Bewertung erfordern. Nach der Rechtsprechung des Senats müssen diese besonderen Umstände der Forderung selbst innewohnen, ihr also immanent sein. Diesen Grundsatz hat der Senat in den Urteilen III 225/64 vom 15. Dezember 1967 (BFH 91, 423, BStBl II 1968, 338; III R 49/67 vom 15. Dezember 1967, BFH 91, 427, BStBl II 1968, 340, und III 181/64 vom 12. Juli 1968, BFH 93, 323, BStBl II 1968, 794) bestätigt. Er hat deswegen die Belastung einer Tantiemeforderung mit Lohnsteuer und Kirchensteuer, die Belastung einer Dividendenforderung mit Kapitalertragsteuer und noch einmal die Ertragsteuerbelastung beim Rückfluß von 7 c-Darlehen nicht als besondere Umstände im Sinne des § 14 Abs. 1 BewG anerkannt. Dabei hat er im Gegensatz zu der vom FG angeführten früheren Rechtsprechung nicht darauf abgestellt, ob diese steuerlichen Belastungen auch einen Erwerber treffen, sondern allein darauf, daß sie nicht auf den Forderungen selbst ruhen, sondern auf dem Einkommen und deshalb am Stichtag noch gar nicht endgültig feststehen.
Gerade dieser Gesichtspunkt scheidet jedoch bei der Umsatzsteuerbelastung der Außenstände aus. Nach dem Grundsatz des § 10 UStG 1951 war die Umsatzsteuer in das Leistungsentgelt einzukalkulieren. Sie bildete deshalb, soweit nicht eine offene Überwälzung der Steuer zulässig war (vgl. § 63 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz 1951) einen Teil des Entgelts, der bei der Vereinnahmung zu versteuern war (so schon Urteil des RFH II A 189/19 vom 17. September 1919, Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Reichsfinanzhofs Bd. 1 S. 167). Ihre Höhe steht fest, sie wird durch andere Umstände nicht beeinflußt. Der Senat ist deshalb der Auffassung, daß bei der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten nach dem UStG 1951 die Belastung der Außenstände eines gewerblichen Betriebs mit Umsatzsteuer ein besonderer Umstand im Sinne des § 14 Abs. 1 BewG ist, der eine Bewertung unter dem Nennwert rechtfertigt. Das FA beruft sich zu Unrecht auf das BFH-Urteil III 347/60 U vom 17. Januar 1964 (BFH 79, 1, BStBl III 1964, 234). Der Senat hat bereits in dem Urteil III R 161/66 vom 15. März 1968 (BFH 92, 347, BStBl II 1968, 578), in dem er bei der Bewertung halbfertiger Bauten auf fremdem Grund und Boden die Berücksichtigung der auf geleistete Anzahlungen entrichteten Umsatzsteuer zugelassen hat, erklärt, daß er an dem Urteil III 347/60 U insoweit nicht mehr festhalte, als sich in diesem Punkte aus jenem Urteil etwas anderes ergebe.
Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Es war auch die Einspruchsentscheidung des FA vom 31. Dezember 1965 aufzuheben. Der Einheitswert des Betriebsvermögens des Klägers zum 1. Januar 1964 war in Abänderung des Bescheids vom 20. Dezember 1965 auf 88 000 DM festzustellen.
Fundstellen
BStBl II 1970, 410 |
BFHE 1970, 508 |