Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Wird der vom Auftraggeber zur Herstellung eines Gegenstands hingegebene Stoff vom beauftragten Unternehmer gegen einen gleichwertigen Stoff ausgetauscht, so kann eine Materialbeistellung nur angenommen werden, wenn sich die übrigen Voraussetzungen einer Materialbeistellung aus dem Sachverhalt klar und eindeutig ergeben. Dies ist nicht der Fall, wenn der beauftragte Unternehmer die bestellte Ware nicht selbst hergestellt hat.
Normenkette
UStG § 1 Ziff. 1, § 3/2; UStDB § 8; UStG § 3/4; UStG § 3/9
Tatbestand
Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.
Der Kläger und Revisionskläger (Steuerpflichtiger - Stpfl. -) betrieb im Jahr 1950 einen Großhandel u. a. mit isoliertem Kupferdraht (Dynamodraht). Er nahm die Bestellung seiner Kunden im eigenen Namen entgegen. Die Kunden stellten das zur Herstellung des Dynamodrahts erforderliche Kupfer zur Verfügung. Den Dynamodraht ließ der Stpfl. bei Drahtwerken herstellen, die den Isolierstoff beschafften.
Streitig ist, ob der Stpfl. bei den Lieferungen an seine Kunden nur mit dem Hohlkabelpreis oder auch mit dem Wert des von den Kunden zur Verfügung gestellten Kupfers steuerpflichtig ist und ob er den ermäßigten Steuersatz des § 7 Abs. 3 UStG in Anspruch nehmen kann.
Im ersten Rechtsgang hat das Finanzgericht (FG) die Auffassung vertreten, daß der Stpfl. gegenüber seinen Kunden keine Lieferungen, sondern sonstige Leistungen (Werkleistungen) erbracht habe, weil die Isolierstoffe keine Haupt-, sondern Nebenstoffe seien. Es hat deshalb den Wert des Kupfers nicht versteuert und eine Anwendung des ermäßigten Steuersatzes abgelehnt.
Auf die Rb. des Stpfl. wurde das Urteil des FG aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen, um festzustellen, worauf die Leistungen der Drahtwerke an den Stpfl. und des Stpfl. an seine Kunden gerichtet waren und ob die Leistungen als Lieferungen (Werklieferungen) zu beurteilen sind.
In seiner erneuten Entscheidung ist das FG davon ausgegangen, daß unmittelbare Rechtsbeziehungen nur zwischen den Drahtwerken und dem Stpfl. einerseits und zwischen dem Stpfl. und seinen Kunden anderseits entstanden sind. Auf Grund zweier Gutachten gelangte es zu der Auffassung, daß die Isolierstoffe nach der Verkehrsauffassung als Hauptstoffe zu betrachten seien. Es hat deshalb entsprechend der Beurteilung in dem zurückverweisenden Urteil die Leistungen der Drahtwerke an den Stpfl. als Werklieferungen und zwar als Lieferungen von Hohlkabeln angesehen. Dagegen hat das FG angenommen, daß der Stpfl. an seine Abnehmer Vollkabel geliefert habe. Da der Stpfl. von den Werken Hohlkabel erworben und Vollkabel weitergeliefert habe, entfalle die Großhandelsvergünstigung.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rb. des Stpfl., die gemäß § 184 Abs. 2 Ziff. 1 FGO als Revision zu behandeln ist.
Die Revision des Stpfl. wird auf unrichtige Rechtsanwendung und wesentliche Verfahrensmängel gestützt. Eine unzureichende Sachaufklärung wird darin erblickt, daß das FG es abgelehnt habe, ausreichende Untersuchungen darüber anzustellen, ob die Abnehmer dem Stpfl. die Verfügungsmacht über das beigestellte Kupfer beschafft haben. Eine generelle Sachverhaltsvermutung könne die Sachverhaltserforschung nicht ersetzen. Mangelnde Sachaufklärung liege auch insofern vor, als das Gericht ersichtlich von dem Bestreben getragen gewesen sei, in der Sitzung unter allen Umständen zu einer Entscheidung zu kommen. Das gelte z. B. für die Untersuchung der Frage, ob der Stpfl. die Kupferguthaben in seinen Bilanzen ausgewiesen habe. Die diesbezügliche Feststellung des FG verstoße gegen den klaren Inhalt der Akten. Ausgewiesen würden nur die Sachwertdarlehen. Die außerhalb der Buchführung geführten mengenmäßigen Kupferkonten würden bilanzmäßig nicht ausgewiesen. Das FG gehe auch zu Unrecht davon aus, daß die Kunden jede Verfügungs- und Kontrollmöglichkeit über ihr gestelltes Material verloren hätten. Angesichts des Begriffs der Austauschfähigkeit des Stoffes und des zivilrechtlichen Miteigentums gäben diese Ausführungen zu Bedenken Anlaß. Tatsächlich hätten die Kunden in jeder erdenklichen Form über ihr Altkupfer verfügen können. Es werde weiterhin die Ansicht vertreten, daß die auf der Rechtsprechung des BFH beruhende Auslegung des § 8 UStDB nicht zwingend erscheine. Es scheine mit den tragenden Grundsätzen des Umsatzsteuerrechts nicht in Einklang zu stehen, wenn der vermittelnde Händler nur deshalb schlechtergestellt werde als der Werklieferer, weil er Händler sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Stpfl. kann keinen Erfolg haben. Es ist nicht mehr bestritten, daß bei Dynamodraht die verwendeten Isolierstoffe Hauptstoffe darstellen, so daß eine Werklieferung auch dann vorliegt, wenn das Kupfer vom Besteller zur Verfügung gestellt wird. Das FG hat daher entsprechend der rechtlichen Beurteilung in dem zurückverweisenden Urteil die Leistungen der Drahtwerke an den Stpfl. zu Recht als Werklieferungen und zwar als Lieferungen von Hohlkabel angesehen.
Der Streit geht allein noch darum, ob auch die Hingabe des Kupfers von den Kunden an den Stpfl. eine echte Materialbeistellung darstellt. Ist das der Fall, so hat der Stpfl. an seine Kunden ebenfalls Hohlkabel geliefert. Er könnte dann, weil er Hohlkabel erworben und weitergeliefert hat, den ermäßigten Steuersatz des § 7 Abs. 3 UStG in Anspruch nehmen. Hat der Stpfl. Vollkabel geliefert, so entfällt die Großhandelsvergünstigung, weil von ihm nicht der gleiche Gegenstand, den er erworben hat, geliefert wurde.
Nach den Feststellungen des FG hat der Kunde in dem Dynamodraht nicht das von ihm hingegebene Kupfer zurückerhalten. Das zur Verfügung gestellte Kupfer, das von den einzelnen Kunden teils an den Stpfl., teils unmittelbar an das Drahtwerk gesandt wurde, war nicht besonders gekennzeichnet, sondern wurde mit Kupfer, das andere Kunden angeliefert hatten, vermischt. Wie der Senat in seinem Urteil V 105/63 vom 10. Februar 1966 (BStBl 1966 III S. 257) ausgesprochen hat, ist die Annahme einer echten Materialbeistellung nicht ausgeschlossen, wenn der vom Auftraggeber zur Verfügung gestellte Stoff gegen einen Stoff gleicher Art und Güte ausgetauscht wird. Die Materialbeistellung setzt zwar begrifflich voraus, daß der hingegebene Stoff bei der Herstellung des Werks auch tatsächlich verwendet wird. Das schließt jedoch nicht aus, daß nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise ein Sachverhalt so beurteilt werden kann, als ob der hingegebene Stoff bei der Herstellung verwendet worden wäre. Der vom FG festgestellte Sachverhalt läßt jedoch im vorliegenden Fall eine solche Beurteilung nicht zu. Wie der Senat in dem genannten Urteil ausgeführt hat, kann bei fehlender Materialidentität eine Materialbeistellung nur anerkannt werden, wenn sich die übrigen Voraussetzungen aus dem Sachverhalt klar und eindeutig ergeben. Im vorliegenden Fall hat der Stpfl. den bestellten Dynamodraht nicht nur nicht selbst hergestellt, sondern mit der Herstellung verschiedene Drahtwerke beauftragt. Dabei konnte er das bei ihm gesammelte Kupfer nicht immer an das Drahtwerk geben, von dem der Kunde, der das Altkupfer angeliefert hat, den bestellten Dynamodraht erhielt. Das zur Verfügung gestellte Kupfer wurde mit anderem Kupfer vermengt und nicht nur an ein Drahtwerk gegeben. Weder der Stpfl. noch der Kunde wußten, für welche Lieferung und von welchem Drahtwerk das von dem einzelnen Kunden gelieferte Kupfer verarbeitet wurde. Diese unklaren Verhältnisse in der Verwendung des Kupfers lassen es nicht zu, im Wege der wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu einer echten Materialbeistellung des Kunden zu kommen. Auf das BFH- Urteil V 164/52 vom 7. Mai 1953 (Umsatzsteuer-Rundschau 1953 S. 137, Deutsche Steuer-Rundschau 1954 S. 320, kann sich der Stpfl. nicht berufen, da in diesem Fall das hingegebene Material gekennzeichnet war und nicht ausgetauscht wurde. Die vorstehende Beurteilung beruht auf dem unbestrittenen Sachverhalt. Es bedarf deshalb auch keiner weiteren Ermittlungen durch das FG. Hiernach war die Revision des Stpfl. als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl III 1966, 445 |
BFHE 86, 59 |
StRK, UStG:1/1 R 407 |