Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Handelsrecht Gesellschaftsrecht Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft haben ihre Anteile an dieser Gesamthand auch dann durch Rechtsgeschäft unter Lebenden im Sinne von § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG erworben, wenn die OHG auf Grund einer Umwandlung nach §§ 16 ff. UmwG vom 12. November 1956 (BGBl 1956 I S. 844) aus einer Kapitalgesellschaft hervorgegangen ist.
Normenkette
GrEStG § 6 Abs. 4; UmwG § § 16, 18/2, § 18/5, § 24
Tatbestand
Streitig ist, ob die alleinigen Gesellschafter einer OHG, die früher zu den gleichen Anteilen die alleinigen Gesellschafter einer anderen OHG und davor einer GmbH waren, ihren Anteil an der Gesamthand innerhalb von fünf Jahren vor dem Erwerbsvorgang durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben haben (ß 6 Abs. 4 GrEStG) und ob die Steuerbefreiung nach § 3 Ziff. 7 GrEStG auch dann zu gewähren ist, wenn die Gesamthänder auf der Veräußerer- und auf der Erwerberseite die gleichen sind.
Die Gesellschafter der Bfin., Vater und Sohn, haben im Jahre 1951 als alleinige Gesellschafter eine GmbH gegründet. Auf Grund des Gesetzes über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften (UmwG) vom 12. November 1956 (BGBl 1956 I S. 844) haben sie durch Gesellschafterbeschluß vom 9. Dezember 1959 gemäß § 24 Satz 2 UmwG die GmbH in eine OHG (OHG I) umgewandelt. Zum Vermögen der GmbH und späteren OHG I gehörten Grundstücke. Durch notariellen Vertrag vom 23. Dezember 1959 übertrug die OHG I Grundstücke für eine Gegenleistung von unstreitig 1.499.052 DM auf eine andere, aus den gleichen Gesellschaftern bestehende OHG (OHG II), die Bfin. Das Finanzamt hat unter Versagung der Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 3 in Verbindung mit § 6 Abs. 4 und § 3 Ziff. 7 GrEStG die Grunderwerbsteuer in der Einspruchsentscheidung auf 104.933,60 DM festgesetzt.
Die Berufung blieb ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Die übertragung eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand ist in der Regel nach § 6 Abs. 3 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 GrEStG steuerfrei, wenn an beiden Gesamthandgemeinschaften dieselben Personen mit dem gleichen Anteilsverhältnis beteiligt sind. Eine OHG ist eine solche Gemeinschaft zur gesamten Hand. Grundstücksübertragungen zwischen zwei offenen Handelsgesellschaften sind demnach dann steuerfrei, wenn deren Gesellschafter, und zwar zu gleich hohen Anteilen, dieselben sind. Allerdings gilt dies nach § 6 Abs. 4 GrEStG unter anderem dann nicht, wenn ein Gesamthänder innerhalb von fünf Jahren vor dem Erwerbsvorgang seinen Anteil an der übertragenden Gesamthand (vgl. Boruttau-Klein, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 6. Aufl. 1960, § 6 Tz. 80, 81) durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat.
Entscheidungserheblich ist somit zunächst, ob durch die Umwandlung der GmbH in eine OHG deren Gesellschafter ihren OHG-Anteil durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben haben. Mit der Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister ist das Vermögen der GmbH nach §§ 24, 16, 5 UmwG kraft Gesetzes auf die Bfin. übergegangen (sogenannte errichtende Umwandlung). Hieraus kann aber nicht gefolgert werden, daß auch die Anteile an der OHG kraft Gesetzes erworben worden sind. Der Umwandlungsbeschluß bei der errichtenden Umwandlung hat, was nicht übersehen werden kann, eine Doppelnatur. Er ist körperschaftlicher Willensakt, aber auch gleichzeitig der Abschluß eines Gesellschaftsvertrages zwischen den Beteiligten über die Errichtung einer Personengesellschaft (vgl. Beschlüsse des Kammergerichts 1 Wx 400/37 vom 9. September 1937, Juristische Wochenschrift - JW - 1937 S. 2980, und 1 Wx 222/38 vom 23. Juni 1938, JW 1938 S. 2416, und Beschluß des Landgerichts Berlin 408 T 2248/37 vom 12. März 1937, JW 1937 S. 1273, und Böttcher-Meilicke, Umwandlung und Verschmelzung von Kapitalgesellschaften, 5. Aufl., 1958, Vorbemerkung zu §§ 16 ff. Anm. 23). Der Abschluß eines derartigen Vertrages ist ein Rechtsgeschäft unter Lebenden. Da nach Sinn und Zweck der Vorschrift, zumindest im Zusammenhang mit der errichtenden Umwandlung, die Worte in § 6 Abs. 4 GrEStG "durch Rechtsgeschäft" nur in dem Sinne aufgefaßt werden können, daß die Anteile auf Grund eines Rechtsgeschäftes erworben sein müssen, beruht der Erwerb dieser Gesellschaftsanteile auf einem Rechtsgeschäft unter Lebenden vom 9. Dezember 1959 (vgl. auch Urteil des Reichsfinanzhofs II 97/41 vom 22. Januar 1943, RStBl 1943 S. 253, Slg. Bd. 52 S. 327, Abschn. I Abs. 2 der Gründe). Da am Tage des Kaufvertrages über die Grundstücke, dem 23. Dezember 1959, die Fünfjahresfrist noch nicht abgelaufen war, hat das Finanzgericht zutreffend die Befreiungsvorschrift des § 6 Abs. 3 GrEStG für nicht anwendbar erklärt.
Eine Steuerbefreiung nach § 3 Ziff. 7 GrEStG scheidet schon deshalb aus, weil Veräußerer eine OHG ist. Die OHG ist für die Grunderwerbsteuer als selbständiger Rechtsträger anzusehen (vgl. Urteile des Senats II 68/51 S vom 4. Mai 1951, BStBl 1951 III S. 116, Slg. Bd. 55 S. 299; II 60/56 U vom 24. Oktober 1956, BStBl 1956 III S. 364, Slg. Bd. 63 S. 433; II 102/56 U vom 15. Mai 1957, BStBl 1957 III S. 238, Slg. Bd. 65 S. 14). Wie das Finanzgericht zu Recht ausgesprochen hat, folgt aus dem Wortlaut des § 3 Ziff. 7 GrEStG ("aus dem Veräußerer und seinen Abkömmlingen") und der Verweisung auf § 3 Ziff. 6 GrEStG (Adoptiv- und Stiefkinder), daß Veräußerer nur eine oder mehrere natürliche Personen sein können. Im Streitfall ist Veräußerer eine OHG, also keine natürliche Person, so daß diese Befreiungsvorschrift nicht anwendbar ist. Der Hinweis der Bfin. auf die Ausführungen von Flume (Der Betrieb 1951 S. 629) geht schon deshalb fehl, weil dessen Ausführungen sich auf den dem vorerwähnten Urteil des erkennenden Senats II 68/51 S vom 4. Mai 1951 zugrunde liegenden Sachverhalt beziehen. Der diesem Urteil zugrunde liegende Tatbestand ist aber ein anderer als der, über den im Streitfall zu entscheiden ist.
Für die Streitwertfeststellung ist zu berücksichtigen, daß die Bfin. ausdrücklich zwar nur die Herabsetzung der Steuer auf die Hälfte, also auf 52.466,30 DM, gefordert hat. Wie sich aus ihrer Beschwerdebegründung ergibt, erstrebt sie jedoch die Freistellung von der angeforderten Steuer. Für die Streitwertfeststellung gemäß § 320 Abs. 4 AO ist der Steuerbetrag maßgebend, um den gestritten wird (vgl. Urteil des erkennenden Senats II 95/57 vom 27. Juli 1960, Steuerrechtsprechung in Karteiform, AO, § 320, Rechtsspruch 24), das ist die vom Finanzamt festgesetzte Grunderwerbsteuer von 104.933,60 DM.
Nach alledem war der Rb. der Erfolg zu versagen.
Fundstellen
Haufe-Index 410555 |
BStBl III 1962, 480 |
BFHE 1963, 582 |
BFHE 75, 582 |