Leitsatz (amtlich)
1. Bezahlt ein Steuerpflichtiger einem sein Geschäft aufgebenden Kaufmann lediglich dafür, daß dieser ihn in seine bisherigen persönlichen Geschäftsbedingungen einführt, eine Geldsumme, so ist der Betrag nicht als Geschäftswert, sondern als besonderes immaterielles Wirtschaftsgut zu bilanzieren.
2. Das immaterielle Wirtschaftsgut "Geschäftsbeziehungen" oder "Kundschaft" usw. (Nr. 1) ist geschäftswertähnlich, wenn sich der Vorteil für das Unternehmen nicht innerhalb einer wenigstens schätzbaren längeren Dauer erschöpft. Andernfalls sind Absetzungen für Abnutzung vorzunehmen.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nrn. 1-2, § 7
Tatbestand
Streitig ist bei der Einkommensteuer-Veranlagung 1963 die bilanzmäßige Behandlung eines für den Eintritt in die Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten und Abnehmern gezahlten Entgelts (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 7 EStG).
Der Revisionskläger (Steuerpflichtige) betreibt seit dem 1. April 1962 einen Großhandel mit Häuten und Fellen. Mit Vertrag vom 9. April 1962 erwarb er von den Eheleuten R. deren im Handelsregister nicht eingetragenen Häute- und Fellehandel. Der Ehemann R. wies ihn in das Geschäft ein und machte ihn bei den Lieferanten - rund 60 Metzgern - und den Abnehmern bekannt; er verpflichtete sich, die Kundschaft nicht dritten Personen zuzuführen. Der Steuerpflichtige zahlte hierfür einen als "Kaufpreis" bezeichneten Betrag von 7 000 DM, den er in der Schlußbilanz zum 31. Dezember 1962 als "Geschäftswert" auswies. Außerdem übernahm er einen LKW gegen Zahlung von 4 000 DM und geringfügige Wirtschaftsgüter für 1 000 DM. Warenvorräte, Forderungen und Schulden wurden nicht auf den Steuerpflichtigen übertragen. Der Steuerpflichtige ließ gewerberechtlich das Geschäft der Eheleute R. aut seinen Namen umschreiben. In der Bilanz zum 31. Dezember 1963 nahm er von dem Betrag von 7 000 DM eine Abschreibung von 2 000 DM mit der Begründung vor, daß er einen großen Teil seiner Lieferanten und den Hauptabnehmer habe auswechseln müssen.
Das FA erkannte die Abschreibung nicht an. Der Einspruch, mit dem der Steuerpflichtige unter Bezugnahme auf das Urteil des BFH I 383/61 U vom 26. Februar 1964 (BFH 79, 521, BStBl III 1964, 423) eine Absetzung in Höhe von einem Drittel (2 333 DM) begehrte, blieb ohne Erfolg.
Mit der Berufung beantragte der Steuerpflichtige wiederum die Verteilung des aktivierten Betrages von 7 000 DM auf drei Jahre (§ 7 EStG).
Das FG bestätigte im wesentlichen die Sachbehandlung des FA. Es ging davon aus, daß der Steuerpflichtige einen lebenden Betrieb mit einem Geschäftswert erworben habe. Das Geschäft beruhe auf dem Vertrauen der Häutelieferanten (Metzger). Es stehe und falle mit deren Zahl und Lieferfähigkeit. Der Häutehandel sei zwar weitgehend von der persönlichen Tüchtigkeit des Betriebsinhabers abhängig Daraus könne jedoch nicht gefolgert werden, daß die übernommenen Geschäftsbeziehungen für sich keinen Wert hätten. Der für diese Beziehungen bezahlte Betrag von 7 000 DM stelle einen über den Wert der erworbenen körperlichen Wirtschaftsgüter hinausgehenden echten Mehrwert des Unternehmens dar. Eine Abschreibung des Firmenwerts auf den niedrigeren Teilwert komme nicht in Betracht, da sich die Umsatz- und Ertragslage des Betriebs günstig entwickelt habe. Der Umstand, daß der Steuerpflichtige verschiedene Lieferanten und den Hauptabnehmer habe wechseln müssen, sei ohne Bedeutung. Auch wenn man in der getroffenen Abrede ein selbständiges Wettbewerbsverbot erblicke, scheide eine Teilwertabschreibung aus, da das Verbot zeitlich unbefristet sei (vgl. BFH-Urteil I 116/57 U vom 28. Oktober 1958, BFH 68, 633, BStBl III 1959, 242). Die Klage habe nur insoweit Erfolg, als sich durch die Versagung der geltendgemachten Gewinnminderung die Gewerbesteuerschuld und damit die zu berücksichtigende Gewerbesteuerrückstellung erhöhten und sich der vom FA angesetzte Gewinn entsprechend vermindere.
Mit seiner Revision beantragt der Steuerpflichtige, für das Streitjahr 1963 auf den aktivierten Betrag eine AfA in Höhe von 2 333 DM sowie die im Veranlagungszeitraum 1962 unterlassene AfA im Wege des Verlustabzugs nach § 10d EStG anteilig mit 1 750 DM zu berücksichtigen und die Einkommensteuer 1963 somit auf 3 086 DM festzusetzen. Er führt aus, daß er bereits im Einspruchsverfahren nicht Teilwertabschreibung auf einen Geschäftswert, sondern AfA auf ein besonderes Wirtschaftsgut geltend gemacht habe. Ein Geschäftswert sei nicht vorhanden gewesen. Für die Annahme eines Geschäftswerts sei schon deshalb kein Raum, weil er, der Steuerpflichtige, keinen Betrieb im ganzen, sondern nur einzelne Teile erworben habe. Er habe bereits früher vorgetragen, daß der Betrieb ohne den persönlichen Arbeitseinsatz des Inhabers nicht länger als eine Woche existieren könne. Die Eheleute R. seien nicht in der Lage gewesen, die bestehenden Geschäftsbeziehungen auf ihn zu übertragen, da keine Verträge mit den Lieferanten usw. bestanden hätten. Die Metzger hätten die Möglichkeit gehabt, auch an andere Aufkäufer zu liefern und einige von ihnen hätten dies auch getan. Die den Veräußerern für deren Empfehlungen bei der Kundschaft geleisteten Zahlungen beträfen keinen Geschäftswert. Sie müßten zwar aktiviert werden, seien aber gleichmäßig auf die Jahre der Nutzung zu verteilen, nicht anders als in Fällen der Übernahme vertragsmäßiger Geschäftsbeziehungen (Hinweis auf BFH-Urteil I 184, 185/61 U vom 2. Mai 1962, BFH 75, 107, BStBl III 1962, 308).
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur anderweiten Festsetzung der Einkommensteuer.
1. Nach den vom FG getroffenen Feststellungen handelte es sich bei der Zahlung des Betrages von 7 000 DM ausschließlich um das Entgelt für die Übernahme bestehender Geschäftsbeziehungen. Der betriebliche Vorteil, der in dem Eintritt in solche Beziehungen liegt, stellte ein Wirtschaftsgut dar, weil sein Nutzen über das laufende Wirtschaftsjahr hinausreichte (vgl. BFH-Urteil I 383/61 U). Daher kommt ein sofortiger Abzug als Betriebsausgabe nicht in Betracht. Dafür, daß der Betrag von 7 000 DM ganz oder teilweise einen Überpreis dargestellt habe, ist nichts ersichtlich. Auch hat der Steuerpflichtige in dieser Richtung nichts eingewendet.
Wenngleich diese übernommenen Geschäftsbeziehungen zunächst eine wesentliche Grundlage des Betriebs bildeten, stellten sie keinen Geschäftswert dar. Unter einem Geschäftswert ist ein immaterielles Gesamtwirtschaftsgut zu verstehen, das den Inbegriff einer Anzahl von im einzelnen nicht meßbaren Faktoren wie Kundenkreis, Ruf des Unternehmens, Absatzorganisation usw. bildet und das deshalb auch dann nicht zerlegt werden kann, wenn die den Geschäftswert ergebenden Faktoren im Laufe der Zeit wechseln (vgl. BFH-Urteile I 77/64 vom 18. Januar 1967, BFH 88, 198, BStBl III 1967, 334; I 206/65 vom 1. August 1968, BFH 94, 52, BStBl II 1969, 66). Der Geschäftswert ist der Ausdruck für die Gewinnchancen eines Unternehmens, soweit sie nicht in einzelnen Wirtschaftsgütern verkörpert sind (so zuletzt Urteil des erkennenden Senats I R 180/66 vom 5. August 1970, BFH 100, 89, BStBl II 1970, 804). Das Vorhandensein eines Kunden- oder Abnehmerkreises gehört meist untrennbar zum Geschäftswert. Der Ansatz eines erworbenen Geschäftswerts kommt immer dann in Betracht, wenn der Kaufpreis nicht nachweislich für bestimmte einzelne Wirtschaftsgüter bezahlt wurde (vgl. BFH-Urteil VI 320/64 vom 28. März 1966, BFH 85, 433, BStBl III 1966, 456). Ob letzteres der Fall ist, beurteilt sich nach den objektiven Gegebenheiten, nicht nach der bloß äußerlichen Bezeichnung durch die Vertragspartner (vgl. BFH-Urteil I R 180/66). Unbeachtlich wäre es deshalb, wenn die Beteiligten den auf den Geschäftswert entfallenden Kaufpreisanteil auf die einzelnen Faktoren des Geschäftswerts wie "Firmenname", "Einkaufsorganisation", "Kundschaft" usw. zerlegten. So aber lag die Sache im Streitfall nicht. Hier ging es ausschließlich um die genannten Geschäftsbeziehungen.
Da der Steuerpflichtige den Betrag von 7 000 DM hiernach für ein besonderes, selbständig bewertungsfähiges Wirtschaftsgut aufgewendet hat, kann dahingestellt bleiben, ob er einen Betrieb im ganzen oder nur Betriebsteile erworben hat und ob etwa schon aus diesem Grunde für den Ansatz eines Geschäftswerts kein Raum wäre.
2. Es liegt auch kein firmenwertähnliches Wirtschaftsgut vor. Das Wesen solcher Wirtschaftsgüter besteht darin, daß sich ihr Wert für das Unternehmen, ähnlich wie bei dem Firmen- oder Geschäftswert, nicht innerhalb einer ungefähr bestimmbaren Zeit erschöpft (BFH-Urteile I 207/57 U vom 9. Juli 1958, BFH 67, 370, BStBl III 1958, 416; I 206/65; I R 180/66), sie also für das Unternehmen einen nachhaltigen Vorteil bedeuten (vgl. BFH-Urteil I 224/64 vom 27. März 1968, BFH 92, 211, BStBl II 1968, 520). Im Streitfalle handelte es sich um Geschäftsbeziehungen, mit deren Beendigung im Hinblick auf die Wettbewerbslage stets gerechnet werden mußte. Wie das FG feststellte, waren in dem Geschäftsbezirk des Steuerpflichtigen noch weitere Aufkäufer tätig, denen sich die Lieferanten des Steuerpflichtigen zuwenden konnten und in einer Reihe von Fällen offenbar auch zugewendet haben. Die Aufwendungen des Steuerpflichtigen für die Anknüpfung dieser Geschäftsbeziehungen waren deshalb für sich gesehen nicht geeignet, dem Betriebe einen dauernden oder doch wenigstens für eine hinreichend lange Zeit sicheren Vorteil zu verschaffen. Ein solcher dauerhafter Nutzen müßte jedoch gegeben sein, wenn ein firmenwertähnliches Wirtschaftsgut angenommen werden soll (vgl. BFH-Urteil I 207/57 U).
3. Nach alledem handelt es sich um den Erwerb eines abnutzbaren immateriellen Einzelwirtschaftsguts. Sein Wert für den Betrieb verzehrte sich innerhalb einer ungefähr bestimmbaren Zeit (vgl. BFH-Urteil I 206/65). Die Rechtsprechung hat abnutzbare immaterielle Wirtschaftsgüter nicht nur dann angenommen, wenn zeitlich begrenzte Vertragsbeziehungen vorlagen, die es erlaubten, die für den Eintritt in diese Verträge gemachten Aufwendungen auf die Laufzeit zu verteilen, sondern auch dann, wenn der erlangte Wert rechtlich nicht in dieser Weise abgesichert war und sich schon aus diesem Grunde früher oder später verflüchtigen mußte (vgl. BFH-Urteil I 383/61 U). Der Revision des Steuerpflichtigen ist somit im grundsätzlichen stattzugeben. Der Senat trägt auch keine Bedenken, bei der Bemessung der AfA auf das aktivierte immaterielle Wirtschaftsgut entsprechend dem Begehren des Steuerpflichtigen von einer Nutzungsdauer von drei Jahren auszugehen. Die Absetzungen betragen somit jährlich 2 333 DM; die im Veranlagungszeitraum 1962 unterlassene AfA kann zeitanteilig mit 1 750 DM im Wege der Erhöhung des Verlustabzugs nach § 10d EStG noch im Streitjahr berücksichtigt werden (vgl. BFH-Urteil I 184/63 vom 12. Januar 1966, BFH 85, 161, BStBl III 1966, 270). Es ergibt sich somit für das Streitjahr 1963 entsprechend der nicht zu beanstandenden Steuerberechnung des Steuerpflichtigen in der Revisionsbegründung eine Einkommensteuer in Höhe von 3 086 DM.
Fundstellen
Haufe-Index 69343 |
BStBl II 1971, 175 |
BFHE 1971, 76 |