Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Vermietung von Räumen in größeren Bürohäusern ist nur dann ein Gewerbebetrieb, wenn besondere Umstände, zum Beispiel ins Gewicht fallende Sonderleistungen des Vermieters, ein besonders schneller, sich aus der Natur der Vermietung ergebender Wechsel der Mieter und damit verbunden eine gegenüber der Anlage eigenen Vermögens in den Vordergrund tretende spekulative Absicht, vorliegen. Die Größe des Objektes und die nach kaufmännischen Grundsätzen durchgeführte Verwaltung sind ohne Bedeutung.
Normenkette
EStG § 15 Nr. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1; GewStR Abschn. 15 Abs. 2
Tatbestand
Das im Jahre 1925 erbaute Bürohaus steht im Eigentum einer ungeteilten Erbengemeinschaft. Es liegt in der Nähe des Hauptbahnhofs. In dem Bürohaus befinden sich 234 Läden, Kontore und Keller, 11 Wohnungen und 6 Garagen. Die Erbengemeinschaft übernahm im Streitjahr 1955 lediglich die Reinigung der Zugänge zu den Büroräumen und beschäftigt mit der Verwaltung des Bürohauses einen Angestellten, neun Putzfrauen und fünf Hausmeister. Streitig ist, ob die Verwaltung dieses Bürohauses einen Gewerbebetrieb der Erbengemeinschaft darstellte. Das Finanzamt bejahte diese Frage unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs, wonach die Verwaltung von großen Bürohäusern grundsätzlich ein Gewerbebetrieb sei.
Das Finanzgericht nahm auch unter Bezugnahme auf Abschn. 15 GewStR 1955 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung an, weil die Erbengemeinschaft lediglich Räume vermiete, keine über die Vermietung von Räumen hinausgehenden Sonderleistungen erbringe und die Mieter nicht häufiger als in einem Wohnblock (weniger als 4 v. H. jährlich) wechselten.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist sachlich nicht begründet, führt aber aus anderen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 21 Abs. 1 Ziff. 1 EStG gehören Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen, insbesondere von Grundstücken, Gebäuden und Gebäudeteilen. Der Reichsfinanzhof bejahte in ständiger Rechtsprechung die Möglichkeit, daß eine solche Vermietung auch außerhalb eines sonstigen Gewerbebetriebs unter bestimmten Voraussetzungen zu einem Gewerbebetrieb werden könne, wenn die durch die Vermietung notwendig anfallende Tätigkeit des Vermieters über die Vermögensverwaltung hinausgehe und die typischen Merkmale eines Gewerbebetriebs im Sinne des § 15 Ziff. 1 EStG aufweise. Die Notwendigkeit, bei der Vermietung von Gebäuden und Gebäudeteilen Merkmale für die Abgrenzung zwischen verwaltender und gewerblicher Betätigung aufzuzeigen, ergibt sich schon aus § 21 Abs. 3 EStG, wonach die Einkünfte aus der Vermietung Einkünften aus anderen Einkunftsarten zuzurechnen sind, soweit sie zu diesen gehören.
Im Urteil VI A 1624/31 vom 20. Dezember 1933 (RStBl 1934 S. 475) behandelte der Reichsfinanzhof die Verpachtung eines Warenhauses an die vom Eigentümer beherrschte Kapitalgesellschaft zwar nicht als Gewerbebetrieb, sah aber grundsätzlich in der Vermietung größerer Bürohäuser deshalb eine gewerbliche Betätigung, weil Büroräume ähnlich wie Garagen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 684/32 vom 7. Dezember 1932, RStBl 1933 S. 224) im wirtschaftlichen Verkehr wie Waren angeboten würden, die Vermietung größere Sachkenntnis als die Vermietung von Wohnungen erfordere und deshalb schwieriger sei und das spekulative, die Konjunktur ausnutzende Moment eine besondere Rolle spiele. In dem sogenannten Messepalasturteil des Reichsfinanzhofs VI 172/37 vom 15. Juni 1938 (RStBl 1938 S. 899, Slg. Bd. 44 S. 152) wird hervorgehoben, daß die Vermietung gewerblicher Räume nicht deshalb die Eigenschaft eines Gewerbebetriebs erhalte, weil der Mieter in ihnen einen Gewerbebetrieb ausübe oder weil es sich um ein besonders großes Objekt oder um eine Vielzahl von Mietern handele. Es müßten andere besondere Umstände hinzutreten, um einen Gewerbebetrieb zu rechtfertigen. Solche Umstände seien zum Beispiel die übernahme besonderer ins Gewicht fallender Verpflichtungen des Vermieters wie die Reinigung und Instandhaltung der Räume, der ständige Wechsel der Mieter, eine nach außen in Erscheinung tretende Beteiligung am allgemeinen Wirtschaftsverkehr oder ein größerer kaufmännisch eingerichteter Verwaltungsbetrieb. Im Urteil des Reichsfinanzhofs VI 191/39 vom 17. Mai 1939 (RStBl 1939 S. 877) wird unter Bezugnahme auf das Urteil des Reichsfinanzhofs VI 172/37 wegen des Gesamtbildes der als Gewerbebetrieb in Erscheinung tretenden Verwaltung, wegen des bei einem Bau eines Bürohauses in verkehrsgünstiger Lage bedeutsamen spekulativen Moments und wegen der schwierigen konjunkturabhängigen Betätigung des Vermieters die Vermietung eines 37 Büroräume, Läden und Ausstellungsräume umfassenden Bürohauses als Gewerbebetrieb angesehen und erklärt, die Verwaltung von Büro- und Kontorhäusern sei grundsätzlich ein Gewerbebetrieb. Im Urteil des Reichsfinanzhofs III 94/42 vom 6. August 1942 (RStBl 1943 S. 21) wird aus der bisherigen Rechtsprechung zusammenfassend die Folgerung gezogen, daß zwar nicht allgemein die Vermietung von Geschäftsräumen, wohl aber die Vermietung von Kontorhäusern zur Annahme eines Gewerbebetriebs führe, weil nicht in erster Linie eine Vermögensanlage erstrebt, sondern in besonderem Masse die Konjunktur in spekulativer Absicht ausgenutzt werde. Unter Bezugnahme auf diese vom Bundesfinanzhof gebilligten Grundsätze der Rechtsprechung sah der Bundesfinanzhof im Urteil I 11/45 U vom 28. September 1951 (BStBl 1952 III S. 15, Slg. Bd. 56 S. 35) in der Verpachtung eines Lagerhauses wegen der Größe des Objektes und wegen der zur Verfügung gestellten Einrichtung einen Gewerbebetrieb. Ebenso werden im Urteil des Bundesfinanzhofs I 189/57 U vom 15. April 1958 (BStBl 1958 III S. 263, Slg. Bd. 66 S. 685) unter Hinweis auf die Grundsätze der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs die Errichtung und Vermietung von Kaufständen an Einzelhändler durch einen Architekten und Maurermeister als gewerbliche Betätigung behandelt.
In übereinstimmung mit Abschn. 15 GewStR und den Ausführungen des Reichsfinanzhofs im Urteil VI 172/37 sieht der Senat in der Vermietung oder Verpachtung von Räumen, in denen der Mieter seinen Gewerbebetrieb ausübt, nur dann eine gewerbliche Betätigung des Vermieters, wenn besondere Umstände, zum Beispiel ein sich aus der Natur des Objektes ergebender häufiger Wechsel der Mieter oder ins Gewicht fallende, bei der Vermietung von Wohnräumen nicht übliche Sonderleistungen des Vermieters, hinzutreten. Der Senat folgt der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs auch darin, daß die Größe des Objektes und die Zahl der Mieter in einem bestimmten Gebäude unerheblich sind.
Geht man von diesen Grundsätzen aus, so kann die Vermietung von Büroräumen in größeren Kontorhäusern nicht schon deshalb in der Regel als Gewerbebetrieb behandelt werden, weil hier anders als bei der Errichtung und Vermietung größerer Wohnblocks nicht die Vermögensanlage, sondern eine die jeweilige Konjunktur besonders ausnutzende spekulative Absicht im Vordergrund stehe und für die Verwaltung und Vermietung eine größere Sachkenntnis erforderlich sei. Das Streben, aus seinem Vermögen einen hohen Ertrag zu erzielen, spielt bei jeder wirtschaftlichen Betätigung und Vermögensanlage eine Rolle und es kann für die Abgrenzung von Einkunftsarten nicht entscheidend sein, ob jemand sein Vermögen zweckmäßigerweise in einem Gebäude anlegt, in dem nur Büroräume enthalten sind, um nicht laufend mit Privatleuten als Wohnungsmietern zu tun zu haben und um vielleicht bei guter Konjunktur einen höheren, bei schlechter Konjunktur aber einen geringeren Ertrag zu haben. Stellt aber die Errichtung und Vermietung solcher Büroräume nicht mehr in erster Linie eine Anlage eigenen Vermögens dar, zeigen vielmehr die Finanzierung und die bei der Errichtung und Verwaltung des Gebäudes angestellten wirtschaftlichen Erwägungen in Verbindung mit der tatsächlichen Gestaltung in erster Linie das Streben, die durch die jeweiligen konjunkturellen Verhältnisse bedingten Möglichkeiten in spekulativer Absicht zu einer mit einer normalen Vermietung nicht verbundenen Gewinnerzielung nach Art eines Gewerbetreibenden auszunutzen, so kann bei Vorliegen besonderer Umstände ein Gewerbebetrieb anzunehmen sein. Beispiele dieser Art werden in Abschn. 15 Abs. 2 GewStR 1955 dargestellt. Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise für die Errichtung und Vermietung von Bürohäusern wie von Wohnblocks. Insofern unterscheidet sich die Beurteilung der Vermietung von Büroräumen und Wohnräumen nur dadurch, daß bei Büroräumen nach der Erfahrung des Lebens häufiger die besonderen Umstände gegeben sein werden, von denen sowohl bei der Vermietung von Wohnungen als auch von Büroräumen die Abgrenzung zu den gewerblichen Einkünften abhängt. Auf die Einrichtung der Grundstücksverwaltung nach Art eines Gewerbebetriebs durch Unterhalt eines größeren Bürohauses und einer ordnungsmäßigen Buchführung kommt es nicht an. Denn die zweckmäßige Form der Grundstücksverwaltung hängt in erster Linie von der Größe des Objektes und der Zahl der Mieter ab. Sie bietet jedenfalls in der Regel keinen Anhalt dafür, daß besondere Umstände die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit rechtfertigen.
Geht man bei der Entscheidung der Rb. von dieser Abgrenzung der Einkunftsarten aus, so ist nicht ersichtlich, worin die besonderen Umstände liegen sollen, aus denen der Charakter der Vermögensverwaltung als Gewerbebetrieb hergeleitet werden könnte. Es handelt sich hier um eine typische Vermögensanlage. Da die Erbengemeinschaft die Büroräume grundsätzlich Dauermietern überläßt, ein mit der Natur der Vermietung zusammenhängender schneller Wechsel der Mieter nicht vorliegt und die Erbengemeinschaft auch keine Sonderleistungen erbringt, unterscheidet sich die eine Vermögensverwaltung darstellende Tätigkeit der Erbengemeinschaft nach Art und Umfang nicht wesentlich von der Verwaltung eines großen Wohnhauses.
Fundstellen
Haufe-Index 409942 |
BStBl III 1961, 233 |
BFHE 1961, 637 |
BFHE 72, 637 |