Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsteuer Sonstiges Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Räume eines städtischen Leihamtes sind von der Grundsteuer nicht befreit.
Normenkette
GrStG § 4/1/a; GrStG § 4/3/a; GrStDV § 4; StAnpG §§ 17-18; GemV § 4
Tatbestand
Streitig ist die Befreiung der Räume des Städtischen Leihamtes von der Grundsteuer.
Der Einheitswert für das der Bfin. gehörige Geschäftsgrundstück war zum 21. Juni 1948 wegen Kriegsschadens fortgeschrieben worden. Dabei war das Städtische Leihamt, das sich neben anderen städtischen Einrichtungen, Räumen der Sparkasse und einer Dienstwohnung in dem Gebäude befindet, in dem Einheitswerte nicht enthalten, sondern als grundsteuerfrei behandelt worden. Auf den 1. Januar 1954 hat das Finanzamt eine Wertfortschreibung und Fortschreibungsveranlagung für den grundsteuerpflichtigen Teil des Hauses vorgenommen und dabei das Städtische Leihamt als grundsteuerpflichtig angesetzt. Das Finanzamt bezog sich auf Abschnitt 14 GrStR 1954, wonach entgegen der bisherigen übung (Ziff. 11 der alten GrStR) bei Leihämtern ein öffentlicher Dienst oder Gebrauch nicht anzunehmen sei.
Mit dem Einspruch begehrte die Bfin. Befreiung nach § 4 Ziff. 1 a und Ziff. 3 a GrStG, da bei dem Städtischen Leihamt sowohl öffentlicher Dienst und Gebrauch als auch nach Satzung und tatsächlicher Geschäftsführung Gemeinnützigkeit und Mildtätigkeit im Sinne des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) und der Gemeinnützigkeits-Verordnung vorlägen. Es diene infolge der besonders günstigen Kreditbedingungen als Wohlfahrtseinrichtung hauptsächlich der minderbemittelten Bevölkerung zur überbrückung eines wirtschaftlichen Notstandes und trete mit privaten Leihbetrieben nicht in Wettbewerb. In über 90 von 100 Fällen würden Darlehen von unter 100 DM gewährt. Das Leihamt sei ein steuerlich unschädlicher Betrieb zur Verwirklichung der steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke. Dementsprechend seien die öffentlichen Leihanstalten nach Abschnitt 7 KStR auch nicht zur Körperschaftsteuer heranzuziehen, wenn sie bestimmte, hier gegebene Voraussetzungen erfüllten.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht führte aus, die Tätigkeit des Städtischen Leihamtes sei keine Ausübung öffentlicher Gewalt, sondern die einer öffentlichen Kreditanstalt. Das Bundesverwaltungsgericht habe gegenüber der Bfin. entschieden, daß der Betrieb einer Pfandleihanstalt nicht der öffentlichen Hand vorbehalten sei. Die Befreiungsvorschrift des § 4 Ziff. 1 a GrStG scheide daher aus. Desgleichen lägen auch die Voraussetzungen für eine Grundsteuerbefreiung nach § 4 Ziff. 3 GrStG nicht vor. Das Leihamt diene nicht ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken, so daß die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien, es biete vielmehr das Bild eines Gewerbebetriebes, ohne Beschränkung auf bedürftige oder minderbemittelte Personen. Die Tätigkeit gehe über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinaus.
Mit der Rb. führt die Bfin. aus, das Städtische Leihamtsgrundstück diene dem öffentlichen Gebrauch. öffentliche Leihämter verfolgten im Gegensatz zu den privaten Pfandleihen rein soziale Zwecke ohne Gewinnstreben. Diese Unterscheidung habe mit der Gewerbe- und Berufsfreiheit nach Art. 12 des Grundgesetzes (GG) nichts zu tun. Das GrStG sehe neben der vom Finanzgericht zu § 4 Ziff. 1 a GrStG allein geprüften und abgelehnten öffentlichen Gewalt auch die Benutzung durch die Allgemeinheit als Befreiungsgrund an. Diese - und zwar fast ausschließlich durch Bedürftige und Minderbemittelte - liege vor. Außerdem sei die Grundsteuerbefreiung nach § 4 Ziff. 3, und zwar in erster Linie nach Ziff. 3 a GrStG gegeben. Das Leihamtsgebäude gehöre der Stadt und diene der (vorbeugenden) Wohlfahrtspflege. Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb sei nach §§ 7 und 8 der Gemeinnützigkeits-Verordnung unschädlich.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Das Begehren auf Befreiung der Räume des Städtischen Leihamtes wird auf § 4 Ziff. 1 a und auf § 4 Ziff. 3 GrStG gestützt. Beide, nebeneinander geltend gemachten Befreiungsgründe greifen nicht Platz. Die verwaltungsmäßige Regelung in Abschnitt 14 GrStR 1954 zur Grundsteuerpflicht der Leihämter ist für die Steuergerichte nicht bindend. Es ist daher nicht entscheidend, ob die Gewerbefreiheit oder andere Umstände die Finanzverwaltung zu einer änderung der früheren GrStR hinsichtlich der Grundsteuerfreiheit der Leihämter veranlaßt haben. Maßgebend sind vielmehr die gesetzlichen Bestimmungen.
Es handelt sich nicht um einen Grundbesitz, der von einer Gemeinde für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt wird. Hierunter ist nach § 4 Abs. 1 GrStDV die Ausübung der öffentlichen Gewalt (hoheitliche Tätigkeit) oder der Gebrauch durch die Allgemeinheit zu verstehen; dabei ist von der hoheitlichen Tätigkeit einer Hoheitsverwaltung deren wirtschaftliche Tätigkeit, die nicht den der öffentlichen Gewalt vorbehaltenen Zwecken dient, zu unterscheiden. Die Bezeichnungen "öffentlicher Dienst oder Gebrauch" sind nicht im einzelnen voneinander abzugrenzen, sondern als zwei Ausgestaltungen eines einheitlichen Begriffes aufzufassen (siehe Urteil des Bundesfinanzhofs III 440/58 S vom 20. Mai 1960, BStBl 1960 III S. 368, Slg. Bd. 71 S. 318). In dem gegen die Bfin. ergangenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts I C 51/56 vom 24. Oktober 1957 ist ausgeführt, Gründe der vorsorglichen Volkswohlfahrt gäben der Bfin. kein Recht, private Pfandleiher von einer Betätigung auszuschließen. Das Pfandleihgewerbe nehme nicht Aufgaben wahr, die der öffentlichen Hand vorbehalten seien. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Der Betrieb einer Pfandleihanstalt ist der Bfin. als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht eigentümlich und vorbehalten. Er stellt nicht Ausübung öffentlicher Gewalt (hoheitliche Tätigkeit) dar, sondern Ausübung eines Gewerbes, das in § 34 der Gewerbeordnung geregelt ist.
Desgleichen liegt in der Benutzung des Grundstückes als öffentliche Pfandleihanstalt kein die Grundsteuerfreiheit begründender Gebrauch durch die Allgemeinheit vor. Gemeingebrauch, wie er bei öffentlichen Straßen, Plätzen und Anlagen gegeben ist, scheidet von vornherein aus. Unter den die Grundsteuerfreiheit begründenden Begriff "Gebrauch durch die Allgemeinheit" kann aber darüber hinaus auch die Benutzung von Räumlichkeiten einer Gemeinde durch das Publikum fallen, sofern sie für den öffentlichen Gebrauch bestimmt sind (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs III 268/39 vom 6. März 1941, RStBl 1941 S. 502). Ein solcher Gebrauch ist z. B. im Winter bei städtischen Wärmehallen, die aus der Fürsorgepflicht der Gemeinde jedem zugänglich sind, zu bejahen. Bei derartigen Räumen ist die Abgrenzung nicht gegenüber den den Hoheitsaufgaben dienenden Gebäuden oder Gebäudeteilen schwierig, sondern gegenüber privatwirtschaftlich genutzten Räumen. Die von der Grundsteuer befreiten Räume müssen beim Gebrauch durch die Allgemeinheit Zwecken dienen, die mit den öffentlichen Aufgaben der Gebietskörperschaft in Verbindung stehen. Dieser Zusammenhang ist bei einem städtischen Leihamt, dessen gewerbliche Ausrichtung bereits oben bejaht wurde, zu verneinen. Die Pfandgäste benutzen die Räume der Leihanstalt aus individuellem Grunde genauso, wie die Kunden einer Kreditbank oder eines anderen gewerblichen Unternehmens deren Räume betreten. Dem gleichen gewerblichen Zwecke dienen die Bürozimmer des Leihamtes und die Räume zur Aufbewahrung der Pfandgegenstände. Zu dem entsprechenden Ergebnis kam der Reichsfinanzhof für die Körperschaftsteuer in dem Urteil VI a 5/36 vom 3. Juni 1939 (RStBl 1939 S. 1186). Er sah in dem Betrieb einer öffentlichen Leihanstalt einen unbeschränkt steuerpflichtigen Betrieb gewerblicher Art, der einen über den Rahmen der Vermögensverwaltung hinausgehenden wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält.
Aus den angeführten Gründen entfällt auch die von der Bfin. begehrte Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 3 GrStG. Die Bfin. fällt zwar in den Kreis der nach § 4 Ziff. 3 a GrStG begünstigten Eigentümer. Die hier in Betracht kommenden Räume werden aber vom Eigentümer nicht unmittelbar für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke benutzt.
Die Räume des Leihamtes werden nicht zur Förderung der Allgemeinheit und nicht zum Nutzen des allgemeinen Besten auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet im Sinne des § 17 StAnpG und der dort angeführten Beispiele benutzt. Desgleichen handelt es sich dabei nicht um Zwecke zur Förderung der Mildtätigkeit im Sinne des § 18 StAnpG in Verbindung mit § 3 der Gemeinnützigkeits-Verordnung. Selbst bei Beachtung der von der Bfin. betonten vorbeugenden Fürsorge handelt es sich bei dem Städtischen Leihamt um einen im Hauptzweck gewerblich ausgerichteten Betrieb. Da das Städtische Leihamt allen Bevölkerungsschichten, nicht nur bedürftigen und minderbemittelten Personen offensteht, ist es keine Einrichtung der Wohlfahrtspflege im Sinne des § 8 der Gemeinnützigkeits-Verordnung und keine mildtätige Einrichtung im Sinne des § 18 StAnpG. Die Auffassung der Bfin., die in den meisten Fällen nur niedrigen Darlehen im Betrage von unter 100 DM bewiesen den mildtätigen Charakter des Leihamtes, ist nicht zutreffend. Die Höhe des gewährten Darlehens richtet sich gemäß § 7 der Satzung des Städtischen Leihamtes nach der Absatzmöglichkeit des Pfandgegenstandes im Falle der Versteigerung unter Berücksichtigung der bis dahin anfallenden Selbstkosten, wobei es nach § 8 der Satzung dem Städtischen Leihamt außerdem vorbehalten bleibt, die Beleihung einzuschränken, nicht aber nach der wirtschaftlichen Bedürftigkeit des Pfandgastes im Sinne des § 18 StAnpG in Verbindung mit § 3 Ziff. 2 der Gemeinnützigkeits-Verordnung. Selbst die bei den niedrigen Darlehen in gewissem Maße zum Ausdruck kommende Geringwertigkeit der Pfandgegenstände läßt keinen Schluß auf eine ausschließliche Unterstützung bedürftiger Personen zu.
Fundstellen
Haufe-Index 409980 |
BStBl III 1961, 237 |
BFHE 1961, 648 |
BFHE 72, 648 |