Leitsatz (amtlich)
§ 1 Abs. 3 Nr. 1 des (saarländischen) Gesetzes Nr. 201 Grunderwerbsteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. November 1966 verweist auf § 2 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes vom 16. Oktober 1934 in der Fassung vor der Änderung durch Art. II des Gesetzes Nr. 15 des Kontrollrats in Deutschland vom 11. Februar 1946.
Normenkette
GrEStG Saarland 1966 § 1 Abs. 3 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb am 5. Dezember 1968 Anteile im Nennbetrag von ... DM, d. h. 33,33 v. H. des Grundkapitals der X AG. Die restliche Beteiligung von nominal ... DM, d. h. 66,66 v. H. des Grundkapitals hielt die Y AG (Y). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) war der Ansicht, daß die Klägerin als herrschendes und die Y als abhängiges Unternehmen i. S. des § 2 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) anzusehen seien. Das FA nahm deshalb eine Anteilsvereinigung gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 des (saarländischen) Gesetzes Nr. 201 Grunderwerbsteuergesetz i. d. F. der Bekanntmachung vom 22. November 1966 - GrEStG - (BStBl II 1967, 23) an und setzte mit Bescheid vom 19. September 1974 Grunderwerbsteuer in Höhe von 163 688 DM fest. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos. Das FG hat die Klage abgewiesen.
Gegen die Entscheidung des FG wendet sich die Klägerin mit der Revision und beantragt, das angefochtene Urteil sowie die Verwaltungsentscheidungen aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die Annahme von Grundstückserwerben der Klägerin durch Anteilsvereinigung in der Form der sog. Konzernvereinigung sind erfüllt.
Der Grunderwerbsteuer unterliegt gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung von Anteilen einer grundbesitzenden Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung alle Anteile der Gesellschaft in der Hand von Unternehmen im Sinne des § 2 Abs. 2 UStG (herrschende und abhängige Unternehmen) vereinigt werden würden.
Zur Auslegung des Inhalts der gesetzlichen Verweisung in § 1 Abs. 3 Nr. 1 des "Gesetzes Nr. 201 Grunderwerbsteuergesetz i. d. F. der Bekanntmachung vom 22. November 1966 (GrEStG 1966)" ist auf Inhalt und Bedeutung des ursprünglichen Gesetzes und der Änderungsgesetze zurückzugehen. Nur diese und nicht die ministeriellen Bekanntmachungen enthalten den beschlossenen und verkündeten Willen des Gesetzgebers. Im Gegensatz zur Neuverkündung kann in der Neubekanntmachung allenfalls eine deklaratorische Klarstellung gesehen werden (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 23. Februar 1965 2 BvL 19/62, BVerfGE 18, 389). Verweist ein Gesetz auf eine andere Norm in der "derzeitigen" Fassung (statische Verweisung), ist daher für die Feststellung des Inhalts der Bezugsnorm der Zeitpunkt der Verabschiedung der Verweisungsnorm, nicht der Zeitpunkt der Neubekanntmachung durch die Exekutive maßgebend. Art. I des (die Ermächtigung zur Bekanntmachung enthaltenden) Gesetzes Nr. 836 zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 9. November 1966 (BStBl II 1967, 18) bestimmt: Das Gesetz Nr. 201 "Grunderwerbsteuergesetz" ... wird ... geändert. Mit Gesetz Nr. 201 ist das Grunderwerbsteuergesetz vom 13. Juli 1950 (Amtsblatt des Saarlandes - ABlSL - 1950, 1019) gemeint. Der im Erwerbszeitpunkt vom 5. Dezember 1968 maßgebliche Gesetzbefehl ist demnach dem Grunderwerbsteuergesetz vom 13. Juli 1950 und den späteren Änderungsgesetzen zu entnehmen.
§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vom 13. Juli 1950 nimmt - mit dem gleichen Wortlaut wie die entsprechende Vorschrift des Grunderwerbsteuergesetzes vom 29. März 1940 - Bezug auf § 2 Abs. 2 UStG. Verwiesen ist damit auf das Umsatzsteuergesetz vom 16. Oktober 1934 (RStBl 1934, 1166) i. d. F. vor der Änderung durch Art. II des Gesetzes Nr. 15 des Kontrollrats in Deutschland vom 11. Februar 1946 (Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland - ABlKR - S. 75). Bis zur Aufhebung durch § 19 des (saarländischen) UStG vom 2. Februar 1952 (ABlSL 1952, 291) galt im Saarland das Umsatzsteuergesetz vom 16. Oktober 1934 mit Änderungen (vgl. Art. 1, Art. 9 der Verfügung Nr. 47-48 des Gouverneur de la Sarre vom 18. November 1947, ABlSL 1947, 680). Allerdings war durch Art. II des Gesetzes Nr. 15 des Kontrollrats in Deutschland vom 11. Februar 1946 § 2 Abs. 2 UStG vom 16. Oktober 1934 aufgehoben worden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Juli 1952 V 17/52 S, BFHE 56, 604, BStBl III 1952, 234). Mithin verwies § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vom 13. Juli 1950 auf eine außer Kraft getretene Vorschrift. Diese Bezugnahme auf das Umsatzsteuergesetz gab demnach für die Anteilsvereinigung nur eine Begriffsbestimmung der "herrschenden und abhängigen Unternehmen" (Boruttau/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, 11. Aufl., § 1 Anm. 214 ff.; Schultze/Förger/Hofmann, Grunderwerbsteuer-Kommentar, I. Teil, § 1 Rdnr. 34). Eine Verweisung auf das "Umsatzsteuergesetz in seiner jeweiligen Fassung" konnte angesichts des Umstandes, daß die Bezugsnorm bei Erlaß der Verweisungsnorm aufgehoben war (und im übrigen erst nach Einführung des deutschen Steuerrechts im Saarland im Jahre 1959 wieder Geltung erlangte), nicht beabsichtigt sein. Die nachfolgenden Gesetze zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 13. Juli 1950 berührten diese Rechtslage nicht. Art. 1 des Gesetzes Nr. 836 zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 9. November 1966 bestimmte, daß in § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Gesetzes Nr. 201 (Grunderwerbsteuergesetz vom 13. Juli 1950) die Worte "allein oder in der Hand von Ehegatten oder von Eltern und Kindern" gestrichen wurden. Diese Änderung berücksichtigte die Entscheidung des BVerfG vom 10. Juni 1963 1 BvR 345/61 (BVerfGE 16, 203, BStBl I 1963, 620) und sollte lediglich § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG "auch formell in Übereinstimmung mit der Verfassung" bringen (Gesetzesbegründung, Landtag des Saarlandes, V. Wahlperiode, Drucksache Nr. 274). Es ist nicht erkennbar, daß der saarländische Gesetzgeber jemals den Willen gehabt hat, die Voraussetzungen der Anteilsvereinigung in der Hand organschaftlich verbundener Unternehmen dem 11. Umsatzsteuer-Änderungsgesetz vom 16. August 1961 (BStBl I 1961, 609) anzupassen.
Der Senat hat geprüft, ob die Fassung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG rechtsstaatlichen Anforderungen genügt. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Gebot der Normenklarheit verlangt, daß eine Verweisungsnorm hinreichend bestimmt ist und klar erkennen läßt, welche Vorschriften im einzelnen gelten sollen; ferner muß die in Bezug genommene Vorschrift dem Normadressaten durch eine frühere ordnungsgemäße Veröffentlichung zugänglich sein (BVerfG in ständiger Rechtsprechung, zuletzt Beschluß vom 1. März 1978, BVerfGE 47, 285/311). Das saarländische Grunderwerbsteuergesetz Nr. 201 vom 13. Juli 1950 ist mehrfach geändert (siehe ABlSL 1952, 694; 1957, 905; BStBl II 1959, 113; 1967, 18) und neu bekanntgemacht worden (siehe ABlSL 1958, 433; 1960, 49; BStBl II 1967, 23), wobei die Verwendung des Wortes "Neufassung" in der Überschrift der Bekanntmachung vom 22. November 1966 zu dem Irrtum verleiten könnte, es handele sich um eine Neuverkündung. Der Leser des Gesetzes konnte im Erwerbsjahr 1968 den Bekanntmachungen des Grunderwerbsteuergesetzes von 1958, 1960 und 1967 nicht entnehmen, welchen Inhalt die Verweisung in § 1 Abs. 3 Nr. 1 hatte, sondern mußte bis zur Verkündung des ursprünglichen Gesetzes sowie der Änderungsgesetze zurückgehen. Auch zur Ermittlung der umsatzsteuerrechtlichen Bezugsnorm und zur Entscheidung der Frage, ob es sich um eine statische oder eine dynamische Verweisung handele, waren Ermittlungen zur Rechtsentwicklung seit dem Umsatzsteuergesetz von 1934 erforderlich. Die Schwierigkeiten der Ermittlung des Norminhalts sind allerdings erst im Laufe der Jahre durch die zahlreichen Änderungen des Grunderwerbsteuergesetzes entstanden. Es muß aber davon ausgegangen werden, bei Erlaß des Grunderwerbsteuergesetzes im Jahre 1950 war für jedermann offensichtlich, daß die Verweisungsnorm sich auf den (außer Kraft getretenen) § 2 Abs. 2 UStG 1934 bezog. Das Erkennen dieser Rechtslage wurde in der nachfolgenden Zeit für denjenigen, dem Gesetzblätter, Entscheidungssammlungen usw. nicht oder nicht vollständig zur Verfügung standen, durch Studium der Kommentarliteratur ermöglicht (vgl. Boruttau/Klein, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 4. Aufl. 1954, § 1 Bem. 29 - 4 -; 9. Aufl. 1970, § 1 Anm. 214a). Trotz dieses verfassungsrechtlich sicherlich unbefriedigenden Zustandes konnte der Senat nicht die Überzeugung von der Rechtsstaatswidrigkeit und damit Ungültigkeit der Norm gewinnen. Dabei kann offenbleiben, ob der Senat andernfalls die Ungültigkeit der Norm selbst hätte feststellen können, weil es sich um vorkonstitutionelles Recht handelt - das Grundgesetz (GG) ist im Saarland erst am 1. Januar 1957 in Kraft getreten (§ 1 Abs. 1 Satz 1, § 20 des Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes vom 23. Dezember 1956, BGBl I 1956, 1011) - oder ob die Sache dem BVerfG gemäß § 100 Abs. 1 GG hätte vorgelegt werden müssen, weil § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG bei Änderungen des Gesetzes durch "Aufnahme in den Willen des Gesetzgebers" zu nachkonstitutionellem Recht geworden ist.
Fundstellen
Haufe-Index 74261 |
BStBl II 1982, 416 |
BFHE 1982, 348 |