Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Wenn in den Jahren 1953 und 1954 ein Bausparer vor Ablauf der gesetzlichen Sperrfrist die geleisteten Beiträge teilweise zurückforderte oder den Bausparvertrag teilweise belieh, ohne die Beträge unmittelbar zum Wohnungsbau zu verwenden, so entfiel dadurch nicht die Steuerbegünstigung für den Teil der Beiträge, über den er nicht vorzeitig durch Rückzahlung oder Beleihung verfügte.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 2, § 10/1/3; EStDV §§ 30-31
Tatbestand
Der Bf. hatte zunächst am 24. Dezember 1953 einen Bausparvertrag über 5.000 DM geschlossen; am 11. Juni 1954 erhöhte er die Vertragssumme auf 15.000 DM. Die am 24. Dezember 1953 eingezahlten 5.000 DM machte er für 1953 und weitere im Jahre 1954 eingezahlte 5.650 DM für 1954 als Sonderausgaben geltend. Im Oktober 1954 belieh er den Bausparvertrag mit 5.000 DM. Das ist nach der im ersten Rechtsgang ergangenen Entscheidung des Senats VI 187/58 U vom 18. September 1959 (BStBl 1959 III S. 464, Slg. Bd. 69 S. 546) unschädlich, soweit der beschaffte Betrag zu einem der im Abschn. 76 Abs. 2 Ziff. 2 EStR 1953 aufgeführten Zwecke verwandt wurde. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts hat der Bf. 4.500 DM dazu verwandt, eine Restkaufgeldhypothek abzulösen, die bei dem Erwerb des Grundstücks eingetragen worden war; die restlichen 500 DM verwandte er für eine Einlage bei der OHG, an der er als Gesellschafter beteiligt war. Das Finanzgericht meint, daß nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Ziff. 2 Satz 5 EStG 1953 an sich die Beleihung rückwirkend die Abzugsfähigkeit der gesamten Bausparprämie beseitige. Weil das aber unbillig sei, sei in § 15 b Abs. 2 EStDV 1953 bestimmt, daß die vorzeitige Beleihung eines Bausparvertrages unschädlich sei, soweit der Steuerpflichtige die empfangenen Beträge unverzüglich und unmittelbar für die begünstigten Zwecke verwende; die Beiträge seien daher mit 4.500 DM weiterhin abzugsfähig. Im übrigen könnten aber die Beiträge nicht als Sonderausgabe abgezogen werden. Für 1954 entfalle also der Abzug von (5.650 DM ./. 4.500 DM =) 1.150 DM und der für 1953 im Dezember 1953 geleistete Betrag von 5.000 DM müsse gemäß § 15 b EStDV 1953 nachversteuert werden.
Mit der Rb. begehrt der Bf., seine Beiträge für 1954 im Rahmen der Höchstbeträge voll als Sonderausgaben anzuerkennen und für 1953 keine Nachversteuerung vorzunehmen. Er hält es für unrichtig, daß das Finanzgericht von den in den Jahren 1953 und 1954 geleisteten Beiträgen von insgesamt (5.000 DM + 5.650 DM =) 10.650 DM im Ergebnis nur 4.500 DM als Sonderausgabe zum Abzug zulasse, obgleich es anerkenne, daß der Bf. den Bausparvertrag nur in Höhe von 500 DM steuerschädlich beliehen habe; dann hätte es mindestens insgesamt (10.650 DM ./. 500 DM =) 10.150 DM im Rahmen der Höchstbeträge abziehen müssen. Das Finanzgericht nehme im übrigen zu Unrecht an, daß eine steuerschädliche Beleihung in Höhe von 500 DM vorliege; denn er habe im Jahre 1952 mit Zustimmung seiner Mitgesellschafter eine außerordentliche Entnahme aus der OHG gemacht, um wegen der schweren Krankheit seiner Frau das Haus schnell instandsetzen zu können; diese Sonderentnahme habe er im Jahre 1954 mit den 500 DM teilweise wieder ausgeglichen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Von der Beleihungssumme von 5.000 DM hat der Bf. nur 4.500 DM unmittelbar zum Wohnungsbau in dem weiten Sinn verwandt, den der Senat in der Entscheidung VI 187/58 U a. a. O. diesem Begriff gegeben hat. Die restlichen 500 DM, die der Bf. in seine OHG einlegte, hat das Finanzgericht zutreffend nicht als unmittelbar zum Wohnungsbau verwandt angesehen. Wenn auch der Bf. mit Zustimmung seiner Mitgesellschafter im Jahre 1952 zum Wohnungsbau eine größere Entnahme aus der OHG gemacht haben mag, die er im Jahre 1954 durch die Einlage der 500 DM teilweise wieder ausglich, so liegt darin nicht, wie der Bf. annimmt, die Rückzahlung einer Schuld, die er früher für den Wohnungsbau aufgenommen hatte. Als der Bf. mit Zustimmung seiner Mitgesellschafter im Jahre 1952 die größere Entnahme aus der OHG zu Lasten seines Kapitalkontos machte, verfügte er über sein eigenes Vermögen, auch wenn er sich vertraglich Entnahmebeschränkungen unterworfen hatte. Als er die 500 DM im Jahre 1954 einlegte, machte er damit einen Teil seines freien Privatvermögens zum gebundenen Betriebsvermögen. Die Vorgänge der Entnahme und der Einlage spielten sich aber ausschließlich im eigenen Vermögensbereich des Bf. ab; in der Entnahme liegt ebensowenig die Aufnahme einer Schuld bei den Mitgesellschaftern, wie die Einlage als Rückzahlung einer Schuld an die Mitgesellschafter gewertet werden kann. Das Finanzgericht konnte also ohne Rechtsverstoß annehmen, daß der Bf. von der Beleihungssumme von 5.000 DM nur 4.500 DM steuerunschädlich unmittelbar zum Wohnungsbau verwandt habe.
Das Finanzgericht nimmt an, daß an sich durch jede Beleihung eines Bausparvertrags zu einem steuerschädlichen Zweck - gleichviel, wie hoch die Beitragsleistungen und die Beleihungssumme waren -, die Steuervergünstigung in vollem Umfang entfallen müsse. Es erkennt nur den Betrag von 4.500 DM, den der Bf. unmittelbar zum Wohnungsbau verwandt hat, auf Grund von § 15 b Abs. 2 EStDV 1953, den es für eine Billigkeitsregelung hält, als Sonderausgabe an, während es für die Beiträge der Jahre 1953 und 1954, die den Betrag von 4.500 DM übersteigen, soweit sie im Jahre 1954 geleistet wurden, den Abzug als Sonderausgabe für 1954 versagte und, soweit sie im Jahre 1953 geleistet und steuerlich berücksichtigt wurden, eine Nachversteuerung für geboten hielt. Dieser Auffassung ist nicht beizutreten. § 15 b Abs. 2 EStDV 1953 ist keine Billigkeitsmaßnahme, sondern enthält eine zutreffende Auslegung des § 10 EStG. Nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes kann die Vergünstigung nur für den Teil der Beiträge versagt werden, über den der Bf. vor Ablauf der vom Gesetz bestimmten Sperrfrist durch Beleihung wirtschaftlich verfügte, soweit die Mittel nicht unmittelbar zum Wohnungsbau verwandt wurden. Es gibt keinen vernünftigen Grund, einem Steuerpflichtigen auch für den Teil der Beiträge, der während der ganzen Dauer der gesetzlichen Sperrfrist gebunden blieb, die Vergünstigung zu versagen. Wenn ein Steuerpflichtiger über seinen Anspruch aus dem Bausparvertrag vor Ablauf der Sperrfrist durch Rückforderung seiner Beiträge oder durch Beleihung teilweise verfügt, so ist der Fall nicht anders zu beurteilen, als wenn er von vornherein nur Beiträge in Höhe des Betrages, den er stehengelassen hat, geleistet hätte. Für diese Auslegung spricht auch, wie der ähnliche Fall der steuerbegünstigten Kapitalansammlung in § 25 EStDV 1953 geregelt ist. Wenn z. B. ein Steuerpflichtiger auf Grund eines Kapitalansammlungsvertrags 10.000 DM steuerbegünstigt gespart hatte und dann nach einem Jahr den Sparvertrag mit 2.000 DM belieh, so war nur in Höhe von 2.000 DM eine Nachversteuerung vorzunehmen. Die Beleihung in Höhe von 2.000 DM wirkte also so, als ob der Steuerpflichtige von vornherein nur 8.000 DM steuerbegünstigt gespart hätte. Es besteht kein Anlaß, die teilweise Beleihung von Bausparverträgen anders zu behandeln. Für diese Auslegung spricht ferner, daß in § 30 Abs. 1 letzter Satz EStDV 1955 (und später) bei teilweiser Beleihung von Versicherungsverträgen gegen Einmalprämie eine entsprechende Regelung getroffen ist, die nach § 30 Abs. 2 EStDV 1955 bei Bausparverträgen entsprechend gilt. Für die Jahre ab 1955 ist damit die Frage vom Verordnungsgeber im Wege einer sinnvollen Auslegung des § 10 EStG also ebenso geregelt, wie der Senat es schon für die Streitjahre 1953 und 1954 für richtig hält.
Dem Bf. ist demnach darin zuzustimmen, daß nur für den Betrag von 500 DM, den er nicht unmittelbar zum Wohnungsbau verwandte, der Abzug als Sonderausgabe zu versagen ist. Um diesen Betrag sind die im Jahre 1954 geleisteten Beiträge zu kürzen; eine Nachversteuerung für 1953 entfällt.
Fundstellen
Haufe-Index 410031 |
BStBl III 1961, 335 |
BFHE 1962, 184 |
BFHE 73, 184 |