Leitsatz (amtlich)
Wird ein Mitunternehmeranteil veräußert (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG), so bestimmt sich der "entsprechende Teil" des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG grundsätzlich nach dem Verhältnis des bei der Veräußerung des Mitunternehmeranteils tatsächlich entstandenen Gewinns zu dem bei einer Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs bzw. gleichzeitiger Veräußerung aller Mitunternehmeranteile erzielbaren Gewinn (Änderung der Rechtsprechung).
Normenkette
EStG § 16 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4
Tatbestand
Der Kläger, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (Kläger) und sein Bruder (im folgenden M) waren Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft A-M OHG, (im folgenden OHG). Am Gewinn der Gesellschaft waren sie nach mündlicher Vereinbarung je zur Hälfte beteiligt.
Für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters war im Gesellschaftsvertrag bestimmt, daß das Abfindungsguthaben des ausscheidenden Gesellschafters aufgrund einer Liquidationsbilanz errechnet wird, in der Grundstücke und Gebäude mit dem Verkehrswert, das bewegliche Anlagevermögen mit den steuerlichen Teilwerten und die übrigen Aktiven und Passiven nach § 40 HGB unter Auflösung aller stillen Reserven anzusetzen sind, ein Firmenwert jedoch außer Ansatz bleibt.
Der Kläger und M waren je zur Hälfte Miteigentümer des 381 m2 großen unbebauten Grundstücks S in N (im folgenden Grundstück S), das der OHG zur Nutzung für betriebliche Zwecke überlassen war. Das Grundstück war in den Steuerbilanzen der OHG wie Gesamthandsvermögen als Teil des gewerblichen Betriebsvermögens ausgewiesen.
Mit Wirkung vom 30. Juni 1972 schied der Kläger aufgrund einer Vereinbarung mit M aus der OHG aus; M führte das Unternehmen allein fort. Gleichzeitig übertrug der Kläger seinen Miteigentumsanteil an dem Grundstück S auf M.
Nach der zum 30. Juni 1972 zur Ermittlung des Gewinns vom 1. Januar 1972 bis 30. Juni 1972 aufgestellten Steuerbilanz der OHG betrug das Eigenkapital (einschließlich Sonderbetriebsvermögen) insgesamt 63 562,87 DM; davon entfielen auf den Kläger minus 15 364,65 DM und auf M plus 78 927,52 DM. Das Grundstück S war in der Bilanz unverändert mit dem bisherigen Buchwert von 4 667 DM angesetzt.
Bei der Ermittlung des Abfindungsguthabens des Klägers vom 30. Juni 1972 gingen der Kläger und M davon aus, daß der Verkehrswert des Grundstücks S zum 30. Juni 1972 72 390 DM betrage, also eine stille Reserve von 67 723 DM vorhanden sei (72 390 DM ./. 4 667 DM), und daß das Betriebsvermögen der OHG im übrigen keine stillen Reserven enthalte. Danach errechneten der Kläger und M in der "Liquidationsbilanz" zum 30. Juni 1972 ein Auseinandersetzungsguthaben des Klägers von 18 497,35 DM (minus 15 364,35 DM + 1/2 der stillen Reserven des Grundstücks, also 33 862 DM).
Der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erließ am 16. Januar 1976 für die OHG einen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1972. Darin stellte das FA - neben einem Anteil des Klägers am laufenden Gewinn (1/2 von 59 460 DM) - einen Veräußerungsgewinn des Klägers in Höhe von 33 862 DM fest (Abfindungsguthaben 18 497 DM + negativer Kapitalanteil des Klägers von 15 364 DM); die Gewährung eines anteiligen Freibetrags nach § 16 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lehnte das FA unter Berufung auf eine allgemeine Verwaltungsanweisung mit der Begründung ab, daß der Kläger im Zeitpunkt der Veräußerung seines Mitunternehmeranteils ein negatives Kapitalkonto und damit keinen Anteil am Betriebsvermögen gehabt habe.
Der Kläger erhob Sprungklage mit dem Begehren, ihm nach Maßgabe seiner Gewinnbeteiligung von 1/2 einen anteiligen Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG von 15 000 DM zu gewähren. Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, daß dem Kläger ein Anteil an dem Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG in Höhe von 14 v. H. zustehe, d. h. in Höhe des Verhältnisses, in dem der "anläßlich der Veräußerung sichtbar gewordene wirtschaftliche Anteil" des Klägers am Betriebsvermögen zum Gesamtwert des Unternehmens stehe. Diesen Anteil errechnete das FG wie folgt:
Kläger M. OHG
DM DM DM
buchmäßiges Kapital - 15 364,65 78 927,52 63 562,87
Verkehrswert
Grundstück 72 390
./. Buchwert 4 667
67 723 67 723,-
davon 1/2= 33 861,50 33 861,50
wirtschaftliche Werte 18 496,85 112 789,02 131 285,87
Anteil am Betriebsvermögen
in v. H. (auf- u. abgerundet) 14 86 100
Im übrigen wies das FG die Klage ab. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1977 S. 66 (EFG 1977, 66) veröffentlicht. Das FG ließ die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zu.
Gegen das Urteil haben sowohl das FA als auch der Kläger Revision eingelegt.
Das FA beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es rügt eine Verletzung des § 16 Abs. 4 EStG.
Der Kläger beantragt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Mit seiner Revision beantragt der Kläger, das angefochtene Urteil und den Gewinnfeststellungsbescheid 1972 aufzuheben, "hilfsweise" dem Kläger einen Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG in Höhe von 50 v. H. des höchstmöglichen Freibetrags, d. h. in Höhe von 15 000 DM zu gewähren.
Der Kläger rügt dem Sinne nach eine Verletzung des § 16 Abs. 4 EStG.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet. Auf die Revision des Klägers ist die Vorentscheidung aufzuheben und der angefochtene Gewinnfeststellungsbescheid 1972 dahin zu ändern, daß dem Kläger ein Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG in Höhe von 50 v. H. von 30 000 DM = 15 000 DM zusteht.
1. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören auch Gewinne, die erzielt werden bei der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs oder eines Teilbetriebs (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG) oder des Anteils eines Gesellschafters, der als Mitunternehmer i. S. von § 15 Nr. 2 EStG anzusehen ist (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Gemäß § 16 Abs. 4 Satz 1 EStG (i. d. F. des Zweiten Steueränderungsgesetzes 1971 - 2. StÄndG 1971 - vom 10. August 1971, BGBl I, 1266, BStBl I 1971, 373) wird jedoch der Veräußerungsgewinn zur Einkommensteuer nur herangezogen, soweit er bei der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs 30 000 DM "und bei der Veräußerung eines Teilbetriebs oder eines Anteils am Betriebsvermögen den entsprechenden Teil von 30 000 Deutsche Mark übersteigt". Gemäß § 16 Abs. 4 Satz 2 EStG (in der oben erwähnten Fassung) ermäßigt sich der Freibetrag um den Betrag, um den der Veräußerungsgewinn bei der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs 100 000 DM "und bei der Veräußerung eines Teilbetriebs oder eines Anteils am Betriebsvermögen den entsprechenden Teil von 100 000 Deutsche Mark übersteigt".
Die Regelung des § 16 Abs. 4 EStG (in der ab 1965 gültigen Fassung) enthält, wie der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) mit Urteil vom 16. Dezember 1975 VIII R 147/71 (BFHE 117, 557, BStBl II 1976, 360) dargelegt hat, eine sachliche Steuerbefreiung, deren Zweck im wesentlichen darin besteht, aus sozialen Gründen Gewinne aus der Veräußerung kleinerer Betriebe steuerlich zu entlasten.
2. Es ist umstritten, wie bei Veräußerungen eines Mitunternehmeranteils oder eines Teilbetriebs der "entsprechende Teil" von 30 000 DM (§ 16 Abs. 4 Satz 1) und 100 000 DM (§ 16 Abs. 4 Satz 2) zu ermitteln ist, insbesondere "wem" der Teil von 30 000 DM bzw. 100 000 DM entsprechen soll.
a) Der Senat hat in seinem Urteil vom 22. August 1957 IV 154/56 U (BFHE 65, 314, BStBl III 1957, 352) zur Vorschrift des § 16 Abs. 4 EStG in der vor 1965 gültigen Fassung Stellung genommen. Diese Fassung unterscheidet sich von der im Streitfall maßgeblichen Fassung des § 16 Abs. 4 EStG insbesondere insofern, als sie nur eine Freigrenze für Veräußerungsgewinne und keinen Freibetrag vorgesehen hat. Der erkennende Senat hat hierzu die Auffassung vertreten, bei Veräußerung eines Mitunternehmeranteils komme als "entsprechender Teil" der damaligen Freigrenze von 10 000 DM nur der Betrag in Betracht, der sich ergebe, wenn man den Buchwert des veräußerten Mitunternehmeranteils und den Buchwert des gesamten Betriebsvermögens in Verhältnis zueinander setze; dies müsse auch dann gelten, wenn sich die Gewinnbeteiligung des veräußernden Gesellschafters nach einem anderen Verhältnis als dem der buchmäßigen Kapitalkonten bemesse.
Dieser Auffassung hat sich der VI. Senat des BFH in seinem Urteil vom 20. September 1963 VI 26/63 U (BFHE 77, 498, BStBl III 1963, 503) angeschlossen.
In einem weiteren Urteil vom 6. Dezember 1963 IV 268/63 U (BFHE 78, 346, BStBl II 1964, 135) hat der erkennende Senat ausgesprochen, bei der Feststellung, ob der durch die Veräußerung einer freiberuflichen Teilpraxis erzielte Gewinn die anteilige Freigrenze von 10 000 DM (§ 18 Abs. 3 i. V. m. § 16 Abs. 4 EStG) übersteige, sei "zweckmäßigerweise das Verhältnis der in den beiden Praxisteilen erzielten Umsätze zugrunde zu legen". Zur Frage der Aufteilung bei Veräußerung eines gewerblichen Teilbetriebs hat der BFH noch nicht Stellung genommen.
b) Im steuerrechtlichen Schrifttum und in der Rechtsprechung der FG wird die Frage, wie bei Veräußerung eines Mitunternehmeranteils oder eines Teilbetriebs i. S. von § 16 Abs. 1 EStG der "entsprechende Teil" von 30 000 DM und 100 000 DM i. S. von § 16 Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG zu ermitteln ist, unterschiedlich beantwortet.
Nach Blümich/Falk (Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 16 Anm. XI 2 S. 84) ist es geboten, aus Gründen der Vereinfachung der oben zitierten BFH-Rechtsprechung zu folgen und auf das Verhältnis der Buchwerte abzustellen. Dieser Auffassung ist offenbar auch Littmann (Das Einkommensteuerrecht, 12. Aufl., § 16 Anm. 105, 108 und 112), allerdings mit der Maßgabe, daß "insbesondere bei Teilbetrieben" auch daran zu denken sei, anstelle der Buchwerte "irgendeinen mehr wirtschaftlichen Maßstab zugrunde zu legen, der das wirkliche Verhältnis der Bedeutung des Teilbetriebs zum Gesamtbetrieb widerspiegelt". Sauer (Finanz-Rundschau 1975 S. 420/423 und "Steuerliche Folgen der Betriebsveräußerung und Betriebsaufgabe", 2. Aufl. 1973 S. 67) meint, bei der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils führe die Aufteilung nach Buchwerten der Kapitalkonten zu einer sachgerechten Lösung; nur in besonderen Ausnahmefällen, z. B. bei negativem Kapitalkonto des ausscheidenden Gesellschafters, könne von dieser Regel abgewichen werden. Bei einer Teilbetriebsveräußerung sei hingegen, sofern es sich nicht um vorwiegend leistungsorientierte, sondern sachwertorientierte Unternehmen handele, das Verhältnis der gemeinen Werte des veräußerten Teilbetriebs zu den gemeinen Werten des gesamten Unternehmens maßgeblich. Bei leistungsorientierten Unternehmen hingegen sei der Umsatz und bei sowohl sachwert- wie auch leistungsorientierten Unternehmen der "Deckungsbeitrag" (cash-flow) ausschlaggebend.
Die Vorentscheidung hält es - ebenso wie bereits das FG Düsseldorf (EFG 1959, 239) - für geboten, bei Veräußerung eines Mitunternehmeranteils den Freibetrag im Verhältnis des "wirklichen" Werts des veräußerten Anteils zum "wirklichen" Wert des gesamten Betriebsvermögens aufzuteilen, und zwar in der Weise, daß die im Unternehmen enthaltenen stillen Reserven fiktiv dem Buchwert des Betriebsvermögens der Gesellschaft und anteilig entsprechend dem Gewinnverteilungsschlüssel (bzw. dem bürgerlich-rechtlichen Anteil am Sonderbetriebsvermögen) den buchmäßigen Anteilen (Kapitalkonten) der Gesellschafter hinzugerechnet und danach die so geänderten Kapitalkonten in Verhältnis zum geänderten wirklichen Wert des Gesamtunternehmens gesetzt werden (ebenso wohl Plückebaum/Sauerland/Wendt, Einkommensteuer, 12. Aufl. 1980 S. 497).
Demgegenüber vertreten Herrmann/Heuer (Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl., § 16 EStG Anm. 429 letzter Absatz), Wismeth (Der Betrieb 1974 S. 355 - DB 1974, 355 -), Groß (DB 1979, 1672 ff.) und der VI. Senat des FG Nürnberg (EFG 1978, 169) im wesentlichen übereinstimmend die Auffassung, bei Veräußerung eines Mitunternehmeranteils sei der Freibetrag aus Gründen materieller Steuergerechtigkeit im Verhältnis des bei der Veräußerung des ganzen Betriebs erzielbaren Veräußerungsgewinns zum bei der Veräußerung des Mitunternehmeranteils tatsächlich erzielten Gewinn aufzuteilen (ebenso für die Veräußerung eines Teilbetriebs Schröder, Betriebs-Berater 1973 S. 1162 - BB 1973, 1162 -, und FG Rheinland-Pfalz, EFG 1978, 488, und für die Veräußerung des ganzen Betriebs einer Personengesellschaft FG Münster, EFG 1979, 81).
c) Die Finanzverwaltung folgt der oben zitierten BFH-Rechtsprechung zur Veräußerung eines Mitunternehmeranteils und wendet sie auch auf die Veräußerung eines Teilbetriebs an (vgl. nunmehr Abschn. 139 Abs. 12 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1978); sie zieht daraus die Schlußfolgerung, daß bei einem negativen Kapitalkonto des veräußernden Mitunternehmers, aber positiven buchmäßigen Betriebsvermögen der Gesellschaft dem veräußernden Mitunternehmer kein anteiliger Freibetrag zusteht (z. B. Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe B (Eildienst) 1974 S. 299 - DStZ B 1974, 299 -).
3. Der erkennende Senat hält nach erneuter Prüfung nicht mehr daran fest, daß der "entsprechende Teil" von 30 000 DM bzw. 100 000 DM i. S. von § 16 Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG nach dem Verhältnis des Buchwerts (Kapitalkonto) des veräußerten Mitunternehmeranteils zum Buchwert des gesamten Betriebsvermögens der Personengesellschaft zu bestimmen sei. Er schließt sich vielmehr der im Schrifttum bereits vorherrschenden Rechtsauffassung an, daß dieser "entsprechende Teil" nach dem Verhältnis des bei der Veräußerung des Mitunternehmeranteils tatsächlich entstandenen Gewinns zu dem bei einer unterstellten Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs bzw. aller Mitunternehmeranteile (im Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung des fraglichen Mitunternehmeranteils) erzielbaren Gewinn zu ermitteln ist. Dies ist die Rechtsauffassung, die auch der Revision des Klägers zugrunde liegt.
Für die Entscheidung des Senats sind folgende Erwägungen bestimmend:
a) Der Wortlaut des § 16 Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG ist, wie die Revision des Klägers zutreffend hervorhebt, mehrdeutig. Es trifft nicht zu, daß rein sprachlich betrachtet ein "entsprechender Teil" von 30 000 DM und 100 000 DM nur ein bestimmter entweder nach dem Buchwert oder nach dem wirklichen Wert des Betriebsvermögens errechneter prozentualer Anteil am Betriebsvermögen sein kann, wie offenbar der Senat noch in seiner Entscheidung in BFHE 65, 314, BStBl III 1957, 352 und ihm folgend die Vorentscheidung im Streitfall angenommen haben. Mit dem Ausdruck "Anteil am Betriebsvermögen" kennzeichnet das Gesetz lediglich den Veräußerungstatbestand des § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG (Veräußerung eines Mitunternehmeranteils). Die Worte "entsprechender Teil" können sich auf das Subjekt des Satzes, also den Veräußerungsgewinn beziehen (Groß, DB 1979, 1672 und 1720/1722). Dabei kann offenbleiben, ob, wie offenbar Schröder (BB 1973, 1162/1163) und der VI. Senat des FG Nürnberg (EFG 1978, 169) annehmen, der Gesetzestext sprachlich nur dahin verstanden werden kann, daß für das Verhältnis des ganzen Freibetrags zum anteiligen Freibetrag nur das Verhältnis des Veräußerungsgewinns bei Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs zum Veräußerungsgewinn aus der Veräußerung eines Teilbetriebs (Schröder, a. a. O.) oder eines Mitunternehmeranteils (FG Nürnberg, EFG 1978, 169) ausschlaggebend ist. Jedenfalls liegt eine Auslegung des Gesetzes, derzufolge sich der entsprechende Teil nach dem Verhältnis des bei der Veräußerung des Mitunternehmeranteils oder des Teilbetriebs tatsächlich entstandenen Gewinns zu dem bei der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs bzw. gleichzeitiger Veräußerung der Mitunternehmeranteile erzielbaren Veräußerungsgewinns bestimmt, im Rahmen des möglichen Wortsinnes des Gesetzes.
b) Der Zweck des Gesetzes (§ 16 EStG) besteht erkennbar darin, einerseits klar- und sicherzustellen, daß die bei der Veräußerung eines ganzen Gewerbebetriebs, eines Teilbetriebs oder eines Mitunternehmeranteils entstehenden buchmäßigen Veräußerungsgewinne einkommensteuerrechtlich erfaßt werden, andererseits aber diese Gewinne im Hinblick darauf, daß sie regelmäßig aus einer zusammengeballten Realisierung stiller Reserven herrühren, tariflich zu begünstigen und, soweit es sich um die Gewinne aus der Veräußerung kleiner Unternehmen handelt, aus sozialen Gründen durch Gewährung einer vollständigen oder teilweisen Steuerfreiheit zu entlasten. Erkennbar geht das Gesetz dabei davon aus, daß derartige Veräußerungsgewinne regelmäßig primär aus der Aufdeckung stiller Reserven, eben der Differenz zwischen dem Veräußerungspreis und dem Buchwert des veräußerten Gewerbebetriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils herrühren (vgl. § 16 Abs. 2 EStG) - abgesehen von Gewinnen eines Gesellschafters, dem andere Gesellschafter eine gesellschaftsrechtliche Ausgleichsforderung erlassen, oder Gewinnen aus dem Wegfall des durch Verlustzurechnung entstandenen negativen Kapitalkontos eines Kommanditisten. Die angenommene zusammengeballte Realisierung der stillen Reserven ist, wie erwähnt, gerade der rechtspolitische Grund für die Tarifbegünstigung von Veräußerungsgewinnen.
Ist die gesetzliche Regelung des § 16 EStG aber erkennbar insgesamt daran ausgerichtet, daß durch die im Gesetz erwähnten Veräußerungstatbestände stille Reserven im Betriebsvermögen realisiert und besteuert werden, so ist es nur folgerichtig, auch die Gewährung des Freibetrags, d. h. die Ermittlung des anteiligen Freibetrags bei Veräußerung von Mitunternehmeranteilen oder Teilbetrieben am Umfang der insgesamt vorhandenen stillen Reserven (einschließlich der im Sonderbetriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer enthaltenen stillen Reserven), also dem durch Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs erzielbaren Veräußerungsgewinn einerseits und dem durch den einzelnen Veräußerungsvorgang in Erscheinung getretenen Anteil an diesen stillen Reserven andererseits zu orientieren. Zutreffend hebt die Revision des Klägers hervor - und gerade der Streitfall unterstreicht dies -, daß ein solcher Aufteilungsmodus - im Vergleich zu einer Aufteilung nach dem Verhältnis der Buchwerte oder der von der Vorentscheidung für zutreffend erachteten Aufteilung nach dem Verhältnis der in bestimmter Weise errechneten wirklichen Werte - am ehesten ein materiell gerechtes, den Zwecken des Gesetzes entsprechendes Ergebnis gewährleistet. Im besonderen Maße gilt dies, wenn bei Veräußerung eines Mitunternehmeranteils das Kapitalkonto des Veräußerers negativ war und darin - anders als bei einem durch Verlustzurechnung entstandenen negativen Kapitalkonto eines Kommanditisten - eine potentielle Ausgleichsverpflichtung dieses Gesellschafters gegenüber den anderen Gesellschaftern zum Ausdruck kommt. Scheidet ein derartiger Gesellschafter aus der Personengesellschaft aus, so entsteht auch dann, wenn der Gesellschafter keine Abfindung erhält, ein Veräußerungsgewinn, soweit der Gesellschafter keine Ausgleichszahlung zu leisten hat, weil sein Anteil an den stillen Reserven des Betriebsvermögens seine Ausgleichsverpflichtung abdeckt. Es ist in der Tat, wie der VI. Senat des FG Nürnberg (EFG 1978, 169) zu Recht hervorhebt, nicht einzusehen, weshalb ein derartiger Veräußerungsgewinn zwar grundsätzlich steuerpflichtig, von vornherein aber nicht geeignet sein soll, gemäß § 16 Abs. 4 EStG ganz oder teilweise von der Besteuerung freigestellt zu werden, sofern nur einer der verbleibenden Gesellschafter ein positives Kapitalkonto besitzt. Auch das von der Vorentscheidung für zutreffend erachtete Verfahren kann ein derartiges Ergebnis, wie die Revision des Klägers zutreffend ausführt, nicht vermeiden.
c) Vereinfachungsgründe können eine Besteuerung, die - vom Gesetzeszweck her betrachtet - ungereimt, ja unzutreffend erscheint, jedenfalls nicht rechtfertigen, wenn dies im Gesetz nicht ausdrücklich und unmißverständlich angeordnet ist. § 16 Abs. 4 EStG enthält aber keine derartige ausdrückliche und unmißverständliche Anordnung.
Der Senat verkennt nicht, daß die Aufteilung nach dem Verhältnis der Buchwerte, wie sie die Revision des FA im Anschluß an das Senats-Urteil in BFHE 65, 314, BStBl III 1957, 352 erstrebt, einen "sicheren Maßstab" bietet, und daß das vom Senat für zutreffend erachtete Verfahren insofern mit gewissen praktischen Schwierigkeiten verbunden ist, als es grundsätzlich die Feststellung der insgesamt im Betriebsvermögen (einschließlich Sonderbetriebsvermögen) vorhandenen stillen Reserven erfordert; dabei ist davon auszugehen, daß diese im allgemeinen - bei Vernachlässigung von Veräußerungskosten - dem bei Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs erzielbaren Veräußerungsgewinn entsprechen. Diese Schwierigkeiten sind jedoch nicht schlechthin unüberwindlich, insbesondere wenn man berücksichtigt, daß den Steuerpflichtigen, der einen entsprechenden anteiligen Freibetrag beansprucht, insoweit eine erhöhte Darlegungs- und Mitwirkungspflicht trifft.
Ein Ansatz eines vielfach besonders schwer zu errechnenden Geschäftswerts dürfte sich - wovon auch die Vorentscheidung ausgeht - schon im Hinblick darauf, daß der Freibetrag nur bei der Veräußerung kleinerer und mittlerer Unternehmen zum Zuge kommt, regelmäßig erübrigen, es sei denn, es sind im Einzelfalle ausnahmsweise konkrete Anhaltspunkte für einen nennenswerten, im Rahmen einer Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs ohne weiteres realisierbaren Geschäftswert vorhanden. Dabei ist jedoch auch zu berücksichtigen, daß ein Geschäftswert erst in Betacht kommt, wenn der zu erwartende Zukunftsertrag höher ist als die Summe des angemessenen Unternehmerlohns und der angemessenen Eigenkapitalverzinsung (siehe z. B. BFH-Urteile vom 20. April 1977 I R 234/75, BFHE 122, 268, BStBl II 1977, 607, und vom 25. Januar 1979 IV R 56/75, BFHE 127, 32, BStBl II 1979, 302, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Hinzu kommt, daß sich in bestimmten Fällen eine Ermittlung des aus der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs erzielbaren Gewinns erübrigt. Ein solcher Fall ist dann gegeben, wenn bei keinem der Gesellschafter Sonderbetriebsvermögen vorhanden ist, der ausscheidende Gesellschafter nach Maßgabe des Verkehrswerts des Gesellschaftsvermögens (einschließlich eines eventuellen Geschäftswerts) und seines sich aus dem Gesellschaftsvertrag oder dem Gesetz ergebenden prozentualen Anteils an einem Liquidationsgewinn abgefunden wird und auch Gewinne oder Verluste einzelner Gesellschafter aus dem Erlaß oder dem Wertloswerden gesellschaftsrechtlicher Ausgleichsforderungen ausscheiden. Denn hier ist der "entsprechende Teil" des Freibetrags gleichzusetzen dem sich aus dem Gesellschaftsvertrag oder Gesetz ergebenden prozentualen Anteil an einem Liquidationsgewinn, weil dieser Anteil hier dem Verhältnis des entstandenen Gewinns zum insgesamt erzielbaren Gewinn entsprechen muß.
4. Da die Vorentscheidung auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, war sie aufzuheben.
Die Sache ist spruchreif. Dem Kläger ist antragsgemäß ein Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG in Höhe von 50 v. H. des höchstmöglichen Freibetrags von 30 000 DM, also in Höhe von 15 000 DM zu gewähren.
Zu Unrecht meint das FA, das FG habe den gesamten erzielbaren Veräußerungsgewinn nicht festgestellt; demgemäß sei eine Ermittlung des Freibetrags nach dem Verhältnis des tatsächlich vom Kläger erzielten Veräußerungsgewinns zum erzielbaren Veräußerungsgewinn nicht möglich.
Der Kläger und M sind in ihrer Auseinandersetzungsvereinbarung davon ausgegangen, daß stille Reserven nur das zum Sonderbetriebsvermögen gehörige Grundstück enthält, und zwar in Höhe von 67 723 DM, und daß weitere stille Reserven, z. B. auch in Form nicht bilanzierter immaterieller Einzelwirtschaftsgüter, nicht vorhanden sind. Dem ist das FG gefolgt. Damit hat das FG auch den erzielbaren Veräußerungsgewinn festgestellt.
Das FG hat allerdings keine Feststellungen dazu getroffen, ob und ggf. in welcher Höhe ein Geschäftswert vorhanden war; denn es ist davon ausgegangen, daß ein solcher Geschäftswert zwar den wirklichen Wert des Mitunternehmeranteils und des gesamten Betriebsvermögens beeinflussen, gleichwohl aber im allgemeinen vernachlässigt werden können. Nach den vorstehenden Ausführungen zu 3c ist dieses Ergebnis nicht zu beanstanden; denn im Streitfall sind konkrete Anhaltspunkte dafür, daß das Unternehmen der OHG einen nennenswerten, im Rahmen einer Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs ohne weiteres realisierbaren Geschäftswert hat, weder vorgetragen noch ersichtlich.
Fundstellen
Haufe-Index 73573 |
BStBl II 1980, 566 |
BFHE 1980, 497 |