Leitsatz (amtlich)
Ist für Lastwagen eine Investitionszulage gewährt worden, so ist sie nach § 19 Abs. 5 BHG zurückzufordern, wenn die Wagen nicht mindestens drei Jahre seit ihrer Anschaffung in jedem Jahr überwiegend im Verkehr von und nach Berlin eingesetzt worden sind.
Normenkette
BHG 1964 § 19; BHG 1962 § 21
Tatbestand
Der Kläger betreibt ein Transportunternehmen mit dem Sitz in Düren; er unterhält noch Betriebstätten in Hamburg, Bremen, Nürnberg und Berlin. Zur Betriebstätte Berlin gehören rund 30 LKW und Anhänger. Für die Anschaffung mehrerer dieser Fahrzeuge hatte der Kläger für die Jahre 1962 bis 1964 Investitionszulagen von rund 31 000 DM erhalten. Nach einer Betriebsprüfung forderte das FA die Investitionszulage teilweise zurück, weil vier Fahrzeuge nicht überwiegend im Berlinverkehr eingesetzt gewesen seien; desgleichen forderte es die für die Anschaffung von Feuerlöschern gewährte Investitionszulage zurück, weil die Feuerlöscher geringwertige Wirtschaftsgüter im Sinne von § 6 Abs. 2 EStG gewesen seien.
Die Klage hatte Erfolg; das FG hob den Rückforderungsbescheid auf. Es stellte fest, die Fahrzeuge hätten zum Anlagevermögen der Berliner Betriebstätte gehört. Sie seien zwar in den Jahren 1963 und 1964 nicht überwiegend im Verkehr mit Berlin, sondern überwiegend im Gebiet der Bundesrepublik eingesetzt gewesen. Sie seien aber zu über 1/3 der Einsatztage im Berlinverkehr bewegt worden. Das genüge für die Annahme, daß die Fahrzeuge in erheblichem Umfange im Berlinverkehr gefahren seien. Man könne unter diesen Umständen nicht annehmen, daß sie innerhalb von drei Jahren seit ihrer Anschaffung aus der Berliner Betriebstätte ausgeschieden seien. Für die räumliche Bindung eines Fahrzeugs an seine Berliner Betriebstätte sei es nicht erforderlich, daß das Fahrzeug ausschließlich oder wenigstens überwiegend im Verkehr von und nach Berlin fahre. Es genüge allerdings auch nicht, daß ein Fahrzeug in Berlin nur zugelassen sei und dort seinen Standort habe; denn dann wäre nicht ausgeschlossen, daß das Fahrzeug ständig im Bundesgebiet oder im Ausland verkehre. Eine räumliche Bindung an die Berliner Betriebstätte müsse man nach Sinn und Zweck des § 19 BHG annehmen, wenn das Fahrzeug zwar nicht überwiegend, aber doch in erheblichem Maße im Berlinverkehr genutzt worden sei, wie es im Streitfall auch gewesen sei.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Nach der Wortfassung des § 19 Abs. 5 Satz 2 BHG ist eine gewährte Investitionszulage zurückzufordern, wenn das Wirtschaftsgut nicht mindestens drei Jahre seit seiner Anschaffung in einem Berliner Betrieb (Betriebstätte) geblieben ist. Die Fassung der Vorschrift könnte nahelegen, daß jede auch nur vorübergehende Entfernung eines Wirtschaftsguts aus Berlin den Rückforderungsanspruch auslösen müsse. Die Finanzverwaltung ist im Erlaß des Senators für Finanzen Berlin vom 21. April 1961 – S 2130 – (Steuer- und Zollblatt für Berlin 1961 S. 315) mit Recht nicht soweit gegangen, sondern läßt es genügen, daß eine dauerhafte zeitliche und räumliche Bindung zu einer Berliner Betriebstätte besteht. Ob das der Fall ist, muß im Einzelfall auch unter Berücksichtigung der Wesensart und der Zweckbestimmung des Wirtschaftsguts beurteilt werden.
Bei Fahrzeugen will der Senator für Finanzen in dem angeführten Erlaß die erforderliche räumliche Bindung an Berlin in der Regel für gegeben erachten, wenn das Fahrzeug in Berlin polizeilich zugelassen ist und hier seinen Standort hat. Dieser Auffassung tritt der Senat nicht bei. Durch die Investitionszulage soll die Produktionskraft der Berliner Wirtschaft gestärkt werden. Dieses Ziel kann aber nur erreicht werden, wenn das Wirtschaftsgut in einer Berliner Betriebstätte auch tatsächlich genutzt wird. Das ist bei Transportmitteln der Fall, wenn sie dem Verkehr von und nach Berlin dienen. Man kann aber auf der anderen Seite nicht verlangen, daß die Fahrzeuge, besonders auch große Lastzüge, nur im Verkehr zwischen Berlin und der Bundesrepublik eingesetzt werden. Bei dieser Auslegung würde man den Besonderheiten der Branche nicht gerecht. Man käme dabei zu dem Ergebnis, daß diese Fahrzeuge in der Bundesrepublik stilliegen müßten, bis sie wieder eine Rückfracht nach Berlin bekommen. Es ist oft erforderlich, die Rückfracht an einem anderen Ort als dem Entladeort aufzunehmen. Dann kann man dem Unternehmer aber nicht verwehren, beim Zwischenverkehr in der Bundesrepublik Frachtgut zu befördern. Eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung zwingt sogar oft dazu, mehrere Zwischenfahrten zu machen. Zieht man diese branchebedingten Besonderheiten des Verkehrsgewerbes in Betracht, so muß man die räumliche Bindung eines Fahrzeugs zu einem Berliner Betrieb als gegeben ansehen, wenn das Fahrzeug überwiegend und regelmäßig, d. h. ohne größere zeitliche Unterbrechungen, Fahrten von und nach Berlin ausführt, die Fahrten innerhalb der Bundesrepublik also nicht überwiegen. Wenn die Vorentscheidung eine räumliche Bindung an den Berliner Betrieb weitergehend noch als gegeben annimmt, wenn 1/3 des Gesamteinsatzes des Fahrzeugs auf den Berlinverkehr entfällt, so ist dem nicht zuzustimmen. Es darf bei dieser Entscheidung auch nicht außer Betracht bleiben, daß eine zu weitherzige Auslegung die Verkehrsunternehmen in der Bundesrepublik, die keine Betriebstätte in Berlin unterhalten, im Wettbewerb ungerechtfertigt benachteiligen würde.
Nach Sinn und Zweck des § 19 BHG ist auch anzunehmen, daß innerhalb des Zeitraums von drei Jahren seit der Anschaffung das Fahrzeug in jedem Jahr überwiegend im Berlinverkehr gefahren haben muß.
Die Sache ist spruchreif. Der Kläger hat nach den Feststellungen des FG die vier Lastwagen in den Jahren 1963 und 1964 nicht überwiegend im Berlinverkehr eingesetzt. Die Rückforderung der Investitionszulage ist also insoweit begründet. Die Rückforderung der Investitionszulage für die Feuerlöscher war nicht Gegenstand der finanzgerichtlichen Klage.
Fundstellen
Haufe-Index 557280 |
BStBl II 1968, 570 |
BFHE 1968, 392 |