Leitsatz (amtlich)
1. Die Schätzung des gemeinen Werts von nichtnotierten GmbH-Anteilen ist für die Stichtage vom 31. Dezember 1956 und vom 31. Dezember 1959 nach dem in den Richtlinien zur Bewertung nicht notierter Aktien und Anteile an Kapitalgesellschaften 1957 bzw. in den Abschn. 76 ff. VStR 1960 geregelten sogenannten Stuttgarter Verfahren vorzunehmen. Eine Abweichung von diesem Verfahren kommt mit Rücksicht auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nur in Betracht, wenn es in besonders gelagerten Fällen zu nichttragbaren Schätzungsergebnissen führt.
2. Bei der Bewertung von Anteilen an einer Wohnbau-GmbH auf die Stichtage vom 31. Dezember 1956 und vom 31. Dezember 1959 können bei der Ermittlung des Vermögenswerts nach dem Stuttgarter Verfahren die nach § 99 Abs. 2 LAG gekappten HGA-Schulden nur mit ihrem herabgesetzten Nennbetrag abgezogen werden.
Normenkette
BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 13 Abs. 2; LAG § 99 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist die Bewertung der Anteile an der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) auf den 31. Dezember 1956 und 31. Dezember 1959.
Die Klägerin, eine Wohnbau-GmbH, wurde im Jahre 1935 gegründet. Ihr Stammkapital beträgt 100 000 DM. An dem Stammkapital waren an den beiden Stichtagen mit 52 v. H. die Beigeladene zu 1) und mit 22 v. H. der Erblasser der Beigeladenen zu 2) und 3) beteiligt, während der Rest der Anteile von der Klägerin selbst gehalten wurde. Die Klägerin errichtete in den Jahren 1936 bis 1938 Mietwohnungen, die ausnahmslos durch Gewährung von niedrig verzinslichen Reichsbaudarlehen gefördert worden waren. Später hat die Klägerin durch Dachgeschoßausbau einige neue Wohnungen und Garagen gebaut. Seitdem beschränkt sich ihre wirtschaftliche Tätigkeit auf die Vermietung dieser Wohnungen und Garagen, die auch ihr maßgebliches Vermögen darstellen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) hat den gemeinen Wert der Anteile an der Klägerin zum 31. Dezember 1956 zunächst auf 2 080 v. H., dann später in der Einspruchsentscheidung auf 1 178 v. H. festgestellt. Zum 31. Dezember 1959 hat das FA den gemeinen Wert der Anteile zunächst auf 1 620 v. H., dann in der Einspruchsentscheidung auf 1 370 v. H. festgestellt. In beiden Fällen ging es bei der Ermittlung des Vermögenswerts bei den Grundstücken nicht von den Einheitswerten, sondern von den Steuerbilanzwerten aus. Den Ertragswert ermittelte das FA auf den 31. Dezember 1956 auf ./. 30 v. H. und auf den 31. Dezember 1959 auf ./. 32 v. H. Bei der Berechnung berücksichtigte das FA entgegen der Anweisung in Abschn. 11 Abs. 1 der Richtlinien zur Bewertung nichtnotierter Aktien und Anteile an Kapitalgesellschaften (Anteilsbewertungsrichtlinien 1957) bzw. Abschn. 87 Abs. 1 VStR 1960 auch die eigenen Anteile der Klägerin in Höhe von 26 v. H. des Stammkapitals. Außerdem gewährte es einen Abschlag in Höhe von 30 v. H. des gemeinen Werts nach Abschn. 5 Abs. 3 AntBewR 1957 bzw. Abschn. 79 Abs. 3 VStR 1960. Die Berufungen, die nach dem Inkrafttreten der FGO als Klagen zu behandeln waren, wurden vom FG im I. Rechtsgang zur gemeinsamen Entscheidung verbunden. Die Klägerin beantragte in der mündlichen Verhandlung vor dem FG einen Ansatz des gemeinen Werts der Anteile zum 31. Dezember 1956 mit 344 v. H. und zum 31. Dezember 1959 mit 318 v. H. Außerdem beantragte sie, für die unter 50 v. H. beteiligten Gesellschafter einen Abschlag von jeweils 20 v. H. wegen schwerer Verwertbarkeit der Anteile zu machen. Das FG wies die Klage im I. Rechtsgang als unbegründet ab. Der BFH hob das FG-Urteil des I. Rechtsgangs durch Urteil vom 20. Juni 1969 III R 124/66 auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das FG zurück. Er wies das FG an, die Gesellschafter nach § 60 Abs. 3 FGO zum Verfahren beizuladen.
Im II. Rechtsgang lud das FG durch Beschluß vom 24. August 1971 die Beigeladenen zu 1) bis 3) nach § 60 Abs. 3 FGO zum Verfahren bei. Sodann wies es die Klage wiederum ab.
Die Klägerin beantragt mit der Revision, unter Aufhebung des FG-Urteils und der Einspruchsentscheidung des FA den Wert der Anteile zum 31. Dezember 1956 auf 334 V. H. bzw. bei den unter 50 v. H. beteiligten Gesellschaftern auf 299 v. H. und zum 31. Dezember 1959 auf 318 v. H. bzw. bei den unter 50 v. H. beteiligten Gesellschaftern auf 282 v. H. festzustellen. Sie rügt unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet: Das Problem sei die zutreffende Bewertung des Miethausbesitzes und der damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Fremdfinanzierungsmittel. Der Kern des Problems liege hier aber in der Bewertung der aus den ehemaligen niedrig verzinslichen Reichsbaudarlehen entstandenen Hypothekengewinnabgabe(HGA)-Schuld. Die Kappung dieser Schuld nach § 99 Abs. 2 LAG betrage 2 177 112 DM (= 56,2 v. H. der Umstellungsgrundschulden). Diese Kappung habe ihren Grund allein in dem gesetzgeberischen Willen, die niedrige Verzinslichkeit der ehemaligen Reichsbaudarlehen zu beseitigen und gemäß § 106 Abs. 4 LAG einen Zinssatz von 4 v. H. und einen Tilgungssatz von 2 v. H. bei in etwa gleichbleibenden Annuitäten sicherzustellen. Zur Erreichung dieses Zieles sei eine entsprechende Verminderung der nominalen Schuld erforderlich gewesen. Die Kappung stelle sich somit als eine rein rechnerische, vom Gesetzgeber befohlene willkürliche Maßnahme dar, ohne daß sich dadurch die laufende Belastung wesentlich geändert hätte, wie sich auch aus den bei Kühne-Wolff (Die Gesetzgebung über den Lastenausgleich, Ausgabe A, Bd. II Anm. 16 zu § 99 LAG) gebildeten Beispielen ergebe. Bei ihr, der Klägerin, betrage die Minderung der Annuität 5 555,23 DM (= 5,9 v. H.); sie werde hervorgerufen durch die Tilgung der Umstellungsgrundschulden zwischen dem 21. Juni 1948 und dem 1. Juli 1952 in Verbindung mit der Vorschrift des § 106 Abs. 4 LAG. Die Tilgungsdauer sei um sechs Jahre vermindert worden. Es sei hier ein Fall des § 14 Abs. 1 BewG in der vor dem BewG 1965 geltenden Fassung (im folgenden: BewG) gegeben, wonach Schulden abweichend vom Nennbetrag anzusetzen seien, wenn besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründeten. Ein mutmaßlicher Erwerber des Unternehmens sei nicht bereit, wegen der Kappung einen Betrag von über 2 Millionen DM mehr zu bezahlen, auch nicht mit Rücksicht auf die Vorteile (etwas niedrigere Annuitäten und etwas gekürzte Tilgungsdauer). Denn diesen Vorteilen stünden wegen der entsprechend niedrigen Mieten Nachteile gegenüber, wie auch in Abschn. 56 Abs. 5 VStR 1960 anerkannt sei. Bei der Berechnung des der Vermögensabgabe unterliegenden Vermögenswerts werde dieser Problematik in § 11 der Zweiundzwanzigsten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (22. AbgabenDV-LA) Rechnung getragen. Aus der amtlichen Begründung zu dieser Bestimmung ergebe sich, daß man es mit Rücksicht auf die bewertungsrechtliche Behandlung des 1/10-Rechts auch hinsichtlich der HGA-Schuld für angebracht gehalten habe, sie mit dem Betrag abzusetzen, der sich ohne die Anwendung des § 99 Abs. 2 LAG ergeben hätte. Bei der Anteilsbewertung handele es sich um das gleiche Problem. Bei der Bewertung der Mietwohngebäude als dem wesentlichsten Teil des Gesellschaftsvermögens müßte eigentlich nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen die Ertragslage des Miethausbesitzes die Grundlage sein. Die Klägerin habe sich jedoch im Interesse einer einheitlichen Rechnungsbasis der Bewertung des FA angeschlossen. Dann müsse aber hier das wirtschaftliche Gewicht der Schulden ermittelt werden, das noch eine angemessene Verzinsung des Barkaufpreises zulasse. Der bei der Veräußerung im Jahre 1955 erzielte Kaufpreis könne entgegen der Auffassung des FG als Anhalt herangezogen werden. Er lasse sich, wenn man bedenke, daß der Gesellschafter, der damals die Anteile veräußerte, nur einen Minderheitsanteil von 4 v. H. des Stammkapitals gehalten habe, aus dem Ergebnis der Berechnung der Klägerin durchaus erklären, während er, gemessen an der Bewertung durch das FA, außerhalb jeder vernünftigen Erklärung liege. Für die Gesellschafter, die bis zu 50 v. H. an der Gesellschaft beteiligt seien, sei entgegen der Auffassung des FG ein Abschlag wegen der in § 5 des Gesellschaftsvertrages festgelegten Beschränkung der Verwertbarkeit der Beteiligung zu gewähren. Sie stelle objektiv eine Wertminderung dar. Dabei sei es nicht entscheidend, ob sie künftig zur Anwendung komme oder nicht.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Das FG hat es mit Recht abgelehnt, den gemeinen Wert der Anteile an der Klägerin zum 31. Dezember 1956 und zum 31. Dezember 1959 von dem am 23. Februar 1955 dafür erzielten Kaufpreis von 3 750 DM abzuleiten. Dieser Preis wurde beim Verkauf eines Anteils von nominal 4 000 DM erzielt. Der Senat hat in dem Urteil vom 16. Juli 1965 III 209/61 (HFR 1966, 4) zum Ausdruck gebracht, daß ein Verkauf von Anteilen zweieinhalb Jahre nach dem Stichtag unberücksichtigt bleiben müsse. Das gleiche muß von einem Verkauf gelten, der, wie hier, über eindreiviertel Jahre vor dem einen und über dreidreiviertel Jahre vor dem anderen Stichtag liegt. Man kann so weit zurückliegende Verkäufe auch nicht als Anhaltspunkte für die Ermittlung des gemeinen Werts berücksichtigen.
2. Nach § 13 Abs. 2 Satz 2 BewG ist der gemeine Wert von Anteilen an Kapitalgesellschaften, wenn er sich nicht aus Verkäufen ableiten läßt, unter Berücksichtigung des Gesamtvermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen. Diese Schätzung ist nach dem sog. Stuttgarter Verfahren vorzunehmen, das für den 31. Dezember 1956 in den Anteilsbewertungsrichtlinien 1957 und für den 31. Dezember 1959 in Abschn. 76 ff. VStR 1960 geregelt ist. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 11. Juli 1967 III 21/64, BFHE 89, 479, BStBl III 1967, 666, und die dort zitierten Entscheidungen) ausgeführt, daß dieses Verfahren für die Bewertung von nichtnotierten Anteilen an Kapitalgesellschaften geeignet ist und sich bewährt hat, wenn es auch für die Steuergerichte nicht bindend ist. Eine Abweichung von diesem Verfahren wird deshalb, schon mit Rücksicht auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung, nur dann in Betracht kommen, wenn es in besonders gelagerten Fällen zu nicht tragbaren Schätzungsergebnissen führt. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist ein solcher Ausnahmefall hier nicht gegeben. Dabei ist zunächst hervorzuheben, daß das FA von allen Möglichkeiten einer niedrigeren Bewertung zugunsten der Klägerin Gebrauch gemacht hat. Es hat zur Ermittlung des Verkehrswerts der Grundstücke nur einen mäßigen Zuschlag zu den Einheitswerten gemacht, indem es die Buchwerte der Handelsbilanz zugrunde legte und etwaige Wertsteigerungen nicht berücksichtigte. Es hat ferner bei der Ermittlung des Ertragshundertsatzes außer Betracht gelassen, daß für die Klägerin die Erlaßmöglichkeit des § 129 LAG für die HGA-Leistungen bestand. Dadurch ist es schon zu einem wesentlich günstigeren Ergebnis für die Klägerin gekommen, als bei den ursprünglichen Bescheiden. Zu weiteren Abschlägen besteht nach Auffassung des Senats keine Veranlassung.
3. Der Ansatz der Grundstücke mit dem von der Klägerin errechneten Ertragswert kommt nicht in Betracht. Es ist der Klägerin zwar darin zuzustimmen, daß auch bei der Ermittlung des Vermögenswerts einzelne Wirtschaftsgüter mit einem nach dem Ertragswertverfahren berechneten Wert angesetzt werden können, soweit dies vorgeschrieben ist. Die Klägerin übersieht aber, daß sich bei einem richtig durchgeführten Reinertragsverfahren für die Stichtage vom 31. Dezember 1956 und 31. Dezember 1959 niemals ein Wert ergeben kann, der niedriger ist, als die nach den Wertverhältnissen vom 1. Januar 1935 festgestellten Einheitswerte. Die von der Klägerin vorgenommene Berechnung der Ertragswerte der Grundstücke, die ganz erheblich unter diesen Einheitswerten liegen, kann also schon vom Ergebnis her nicht richtig sein. Das dürfte in erster Linie darauf zurückzuführen sein, daß die Klägerin einen Nettowert bildet, während die Einheitswerte ohne Berücksichtigung von Schulden festgestellt worden sind. Wenn man die Berechnung der Klägerin anerkennen würde, dürfte man folgerichtig überhaupt keine Schuld, die mit dem Grundbesitz in Verbindung steht, zum Abzug zulassen. Nach dem BFH-Urteil vom 20. September 1960 I 108/60 U (BFHE 71, 565, BStBl III 1960, 461) liegt der Teilwert eines Gebäudes, das mit sehr gering verzinslichen öffentlichen Mitteln gebaut wurde, in der Regel nur dann unter den um die tatsächliche Abnutzung verringerten Herstellungskosten, wenn nachgewiesen werden kann, daß Fehlmaßnahmen vorliegen. In dem Urteil wird mit Recht darauf hingewiesen, daß es für die Ermittlung des Teilwerts eines Gebäudes nicht allein darauf ankomme, welche Erwägungen der Erwerber für die in seinem Interesse liegende Preissenkung anführen könnte, sondern auch darauf, ob der Veräußerer das Wirtschaftsgut zu diesem vorgeschlagenen Preis abgeben würde. Berücksichtigt man diese Erwägung, so kann hier keine Rede davon sein, daß die Klägerin die Grundstücke zu den von ihr errechneten Werten veräußern würde. Die Klägerin behauptet selbst nicht, daß die Voraussetzung einer Fehlmaßnahme hier vorliegt. Im übrigen erscheint der Ansatz des Wertes, wie ihn das FA vorgenommen hat, auch nach der an den beiden Stichtagen bestehenden Lage auf dem Grundstücksmarkt gerechtfertigt.
4. Die Klägerin hat bei ihren Berechnungen, die ihren in der mündlichen Verhandlung vor dem FG und in der Revision gestellten Anträgen zugrunde liegen, selbst nicht mehr an der Bewertung der Grundstücke mit dem von ihr ermittelten Ertragswert festgehalten, sondern ist von den Wertansätzen des FA für diese Grundstücke ausgegangen. Sie will diese Wertansätze allerdings nur anerkennen, wenn ihrer Berechnung darin gefolgt wird, daß die nach § 99 Abs. 2 LAG festgesetzte HGA-Schuld nicht mit ihrem tatsächlichen Wert, sondern mit einem höheren fiktiven Wert abgezogen wird. Aber auch mit diesem Begehren kann die Klägerin nicht durchdringen. Der Ansatz der Schuld mit einem höheren fiktiven Wert kann entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf § 14 Abs. 1 BewG gestützt werden. Nach dieser Vorschrift kann zwar eine Schuld ausnahmsweise mit einem höheren Wert als dem Nennwert angesetzt werden, wenn besondere Umstände diesen höheren Wert begründen. Ob solche besonderen Umstände vorliegen, kann aber nach dem im Bewertungsrecht maßgebenden Stichtagsprinzip nur nach den Verhältnissen des maßgebenden Stichtags beurteilt werden. Die nach § 99 Abs. 2 LAG herabgesetzte HGA-Schuld war an den beiden hier maßgebenden Stichtagen vom 31. Dezember 1956 und 31. Dezember 1959 nach § 106 Abs. 4 LAG mit jährlich vier vom Hundert zu verzinsen und mit jährlich zwei vom Hundert zu tilgen. Sie war damit zwar eine langfristige, aber normal verzinsliche Schuld, so daß besondere Umstände, die zu einer höheren Bewertung als dem Nennwert führen könnten, an diesen Stichtagen nicht vorlagen. Auch für eine Anwendung des Abschn. 56 Abs. 5 Satz 2 VStR 1960 ist kein Raum, weil es sich an diesen beiden Stichtagen nicht mehr um "niedrig verzinsliche Wohnungsbaudarlehen der öffentlichen Hand", sondern um eine normal verzinsliche HGA-Schuld handelt.
Das Begehren der Klägerin kann auch nicht auf die Erwägung gestützt werden, daß die nach § 99 Abs. 2 LAG herabgesetzten HGA-Schulden, wie die Klägerin meint, wirtschaftlich gesehen in Wirklichkeit eine viel höhere Belastung darstellen. Schon dieser Ausgangspunkt ist falsch. § 99 Abs. 2 LAG war im ursprünglichen Entwurf des Lastenausgleichsgesetzes nicht enthalten. Erst der vom Ausschuß des Bundestages für den Lastenausgleich überarbeitete Entwurf (Bundestags-Drucksache, 1. Wahlperiode, Nr. 3300) enthielt in § 132 Abs. 2 eine entsprechende Vorschrift. Im schriftlichen Bericht dieses Ausschusses heißt es dazu (S. 16, a. a. O.): "Bei den für den Wohnungsbau gegebenen zinsverbilligten Förderungsdarlehen erschien jedoch einerseits eine Anpassung des Kapitalwertes dieser Verbindlichkeiten an den tatsächlichen Grundstückswert, andererseits eine Konsolidierung der variablen und an den Grundstücksertrag und die sonstigen Grundstückslasten gebundene Verzinsung und Tilgung notwendig." Es ist also nicht so, wie es die Klägerin behauptet, daß die Kappung ihren Grund allein in dem gesetzgeberischen Willen hatte, die niedrige Verzinslichkeit der ehemaligen Reichsbaudarlehen zu beseitigen. Man wollte zwar einen für alle diese Darlehen gleichmäßigen Zins- und Tilgungssatz. Ein weiterer Grund war aber die Anpassung der Last an die Grundstückswerte. Noch deutlicher bringt dies Kühne-Wolff (a. a. O., Anm. 9 zu § 99 LAG) zum Ausdruck. Er führt aus: "Der besonderen Regelung liegt der Gedanke zugrunde, daß die ... Darlehen mit Rücksicht auf ihre sehr niedrige Verzinsung und langsame Tilgung nur das Gewicht einer normalverzinslichen und tilgbaren Hypothek von wesentlich geringerer Höhe haben. Dementsprechend wird die Schuld und der Schuldnergewinn rechnerisch auf einen entsprechenden Betrag zurückgeführt." Es war demnach gerade umgekehrt, als die Klägerin annimmt: Nicht die ursprüngliche nominale Verbindlichkeit stellt wirtschaftlich gesehen die tatsächliche Belastung dar, sondern die nach § 99 Abs. 2 LAG berechnete Verbindlichkeit. Es ist also nicht so, daß ein gedachter Erwerber des Unternehmens wegen dieses "Tricks" des Gesetzgebers plötzlich einen wesentlich höheren Kaufpreis für das Unternehmen zahlen müßte, sondern er hätte bei vernünftiger kaufmännischer und betriebswirtschaftlicher Überlegung die Verbindlichkeit auch schon vor ihrer Kappung entsprechend geringer bewerten müssen.
5. Die Klägerin kann sich schließlich auch nicht auf die Regelung in § 11 der 22. AbgabenDV-LA berufen, nach der bei der Ermittlung des der Vermögensabgabe unterliegenden Vermögens die nach § 99 Abs. 2 LAG berechnete HGA mit dem Betrag abzugsfähig ist, der sich als HGA-Schuld ohne die Anwendung des § 99 Abs. 2 LAG ergeben würde. Es ist richtig, daß in der amtlichen Begründung zu dieser Bestimmung auf die für das bestehengebliebene 1/10-Recht geltende Regelung in Abschn. 81 Abs. 7 VStR 1949 (= Abschn. 56 Abs. 5 VStR 1960) hingewiesen ist, die trotz der langen Laufzeit und niedrigen Verzinsung eine Bewertung mit dem Nennwert zulasse, und es mit Rücksicht darauf als unbillig bezeichnet, bei der HGA-Schuld anders zu verfahren. Aber gerade daraus ergibt sich, daß für den Verordnungsgeber Billigkeitsgründe ausschlaggebend waren, wie auch in dem vorhergehenden Erlaß des BdF vom 18. Dezember 1953 LA 2831-88/53 angesprochen wurde. Solche Billigkeitserwägungen lagen bei der Vermögensabgabe nahe. Denn es wäre in der Tat ein wenig befriedigendes Ergebnis gewesen, den Vorteil, den man bei der HGA einräumen wollte, auf der anderen Seite durch die Erhebung von Vermögensabgabe zu einem erheblichen Teil wieder wegzusteuern. Abgesehen davon, daß eine dem § 11 der 22. AbgabenDV-LA entsprechende Bestimmung weder für die Feststellung der Einheitswerte der gewerblichen Betriebe noch für die Vermögensteuer besteht, sondern hier für die Abzugsfähigkeit der HGA die Vorschriften des § 207 Nr. 2 LAG bzw. § 209 Nr. 2 LAG gelten, nach denen die HGA mit ihrem jeweiligen Wert im Feststellungs-, bzw. Veranlagungszeitpunkt abzuziehen ist, lassen sich auch die oben dargelegten Billigkeitserwägungen nicht auf die Anteilsbewertung auf Stichtage nach dem 21. Juni 1948 übertragen. Denn es ist zu berücksichtigen, daß es sich bei der HGA und der Vermögensabgabe bei einem einheitlichen Stichtag vom 21. Juni 1948 um miteinander verzahnte, auf demselben Gesetz beruhende Abgaben handelt. Dieser Gesichtspunkt greift bei der Anteilsbewertung auf spätere Stichtage nicht mehr durch.
6. Dem FG ist auch darin zuzustimmen, daß wegen der im Gesellschaftsvertrag enthaltenen Beschränkung der Verwertbarkeit der Anteile an der Klägerin kein Abschlag gemacht werden kann. Nach dem Urteil des Senats vom 15. Oktober 1964 III 359/61 (HFR 1965, 153) ist allerdings ein solcher Abschlag dann gerechtfertigt, wenn nach dem Gesellschaftsvertrag die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter notwendig ist. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Der Umstand, daß die Mehrheit der Gesellschafter zu Verkäufen zustimmen muß, rechtfertigt keinen Abschlag. Ein Abschlag wegen nur geringen Einflusses auf die Geschäftsführung kommt nach den eigenen Angaben der Klägerin im Schriftsatz vom 21. September 1971 an das FG nicht in Betracht.
Fundstellen
Haufe-Index 70988 |
BStBl II 1974, 626 |
BFHE 1974, 510 |