Entscheidungsstichwort (Thema)
Selbständige oder nichtselbständige Tätigkeit von Fahrlehrern als Subunternehmer eines Fahrschulinhabers
Leitsatz (amtlich)
Der Inhaber einer Fahrschule kann Fahrlehrer, denen keine Fahrschulerlaubnis erteilt ist, umsatzsteuerrechtlich als Subunternehmer beschäftigen.
Orientierungssatz
Aus § 1 Abs.2 FahrlG ergibt sich nicht, daß der Inhaber einer Fahrschule ein Beschäftigungsverhältnis nur mit einem unselbständig tätigen Fahrlehrer als Inhaber einer Fahrlehrererlaubnis eingehen darf. Soweit die Finanzverwaltung die Norm dahin versteht, daß nur nichtselbständige Arbeit ein "Beschäftigungsverhältnis" im Sinne der Vorschrift begründet, folgt ihr der Senat nicht. Jedenfalls ist für die umsatzsteuerrechtliche Qualifikation einer Tätigkeit das Vorhandensein außersteuerrechtlicher Voraussetzungen ohne Bedeutung, sofern der Tatbestand des Steuergesetzes ihr Vorhandensein nicht verlangt.
Normenkette
FahrlG § 1 Abs. 2 S. 2; UStG 1980 § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
FG des Saarlandes (Entscheidung vom 04.11.1994; Aktenzeichen 1 K 137/94) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, betreibt eine Fahrschule. In den Streitjahren 1984 bis 1987 zog sie aus Rechnungen von sog. Fremdfahrlehrern Vorsteuerbeträge ab. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ließ den Vorsteuerabzug aus diesen Rechnungen in den angefochtenen Umsatzsteueränderungsbescheiden für 1984 bis 1987 nicht zu. Das FA war der Auffassung, die bezeichneten Fahrlehrer seien als Arbeitnehmer der Klägerin tätig gewesen. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage führte zur antragsgemäßen Änderung der angefochtenen Steuerbescheide.
Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 349 veröffentlicht worden ist, beurteilte die Fahrlehrer nach einer Würdigung des Gesamtbildes der Verhältnisse als Unternehmer. Sie seien nicht als Arbeitnehmer in das Unternehmen der Klägerin eingegliedert gewesen, hätten ein eigenes Unternehmerrisiko getragen und seien deshalb für die Klägerin als Subunternehmer und Erfüllungsgehilfen tätig geworden.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung sachlichen Rechts. Das FG habe § 2 Abs.1 Sätze 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) und § 19 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unzutreffend angewendet, weil es bei der Würdigung der gesamten Umstände des Falles "vorrangig den Fremdfahrlehrern Unternehmerinitiative und Unternehmerrisiko eingeräumt" habe. Statt dessen hätte das FG die einschlägigen Vorschriften des Gesetzes über das Fahrlehrerwesen (Fahrlehrergesetz --FahrlG--) würdigen und gewichten müssen. Aus den Erläuterungen in der einschlägigen Kommentierung zu § 1 Abs.2 Satz 2 FahrlG ergebe sich, daß ein Fahrschulinhaber einem Fahrlehrer keine Fahrschüler zur praktischen Ausbildung in eigener Verantwortung zuweisen dürfe.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Die Vorentscheidung hält den Revisionsangriffen stand. Das FG hat aufgrund des von ihm festgestellten Sachverhalts ohne Rechtsverstoß entschieden, daß die Klägerin berechtigt war, die von den Fremdfahrlehrern berechneten Steuerbeträge als Vorsteuer abzuziehen.
1. a) Nach § 15 Abs.1 Nr.1 Satz 1 UStG 1980 kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG 1980 gesondert ausgewiesene Steuer für sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Die Fremdfahrlehrer haben die Rechnungen über Unterrichtsleistungen an die Klägerin als Unternehmer ausgestellt. Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt (§ 2 Abs.1 Satz 1 UStG 1980). Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt, soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, daß sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind (§ 2 Abs.2 Nr.1 UStG 1980). Die negative Abgrenzung zur Selbständigkeit entspricht der Begriffsbestimmung des Dienstverhältnisses in § 1 Abs.2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV 1981 und 1984). Danach liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Beschäftigte dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die betreffende Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH--; vgl. Urteile vom 14. Oktober 1976 V R 137/73, BFHE 120, 301, BStBl II 1977, 50; vom 9. August 1990 V R 115/85, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1991, 138). Dabei sind die Umstände im Verhältnis des Beschäftigten zum Empfänger der Dienstleistung zu beurteilen.
Zu Recht hat das FG sein Urteil, die Fremdfahrlehrer seien als Unternehmer tätig gewesen, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse gebildet (ständige Rechtsprechung des BFH; vgl. Urteil vom 30. Mai 1996 V R 2/95, BFHE 180, 213, BStBl II 1996, 493). Das bedeutet, daß die für und gegen die Unternehmereigenschaft sprechenden Merkmale, die im Einzelfall unterschiedlich gewichtet werden können, gegeneinander abgewogen werden. In diese Würdigung sind auch die der Tätigkeit zugrundeliegenden Vertragsverhältnisse einzubeziehen, sofern sie --wie vereinbart-- erfüllt worden sind.
Das FG hat für diese Beurteilung die von der Rechtsprechung des BFH --nicht abschließend-- bezeichneten Merkmale (vgl. die beispielhafte Aufzählung in den BFH-Urteilen vom 18. Juli 1991 V R 86/87, BFHE 165, 116, BStBl II 1991, 776, und in BFHE 180, 213 , BStBl II 1996, 493) herangezogen. Es hat aufgrund der nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen, nach denen die Fremdfahrlehrer nur nach geleisteten Unterrichtsstunden bezahlt wurden, den Umfang der Stunden selbst bestimmen konnten, keinen Lohnfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall und keinen Anspruch auf bezahlten Urlaub hatten, die Gefahr, ihren eigenen Fahrschulwagen bei den Unterrichtsleistungen zu beschädigen, selbst tragen mußten und nach denen die Klägerin für sie keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet hatte, zutreffend angenommen, daß die Fremdfahrlehrer ein Unternehmerrisiko trugen. Aus dem Recht, die Unterrichtsleistungen zeitlich frei zu vereinbaren, hat das FG weiter rechtsfehlerfrei gefolgert, daß die Fremdfahrlehrer nicht in den Betrieb der Fahrschule so, wie dies für zeitlich fremdbestimmte Arbeitnehmer anzunehmen wäre, eingegliedert worden waren. Den Merkmalen der fehlenden Eingliederung und des Unternehmerrisikos durfte das FG bei der Abwägung ein besonderes Gewicht beimessen, zumal die Folgerung auf eine selbständige Tätigkeit bestärkt wurde durch die anspruchsvolle Tätigkeit und deren nebenberufliche Ausübung.
b) Aus § 1 Abs.2 FahrlG ergibt sich nicht, daß die Klägerin als Inhaberin einer Fahrschulerlaubnis ein Beschäftigungsverhältnis nur mit einem unselbständig tätigen Fahrlehrer als Inhaber einer Fahrlehrererlaubnis (§ 2 FahrlG) eingehen durfte. Die Vorschrift des § 1 Abs.2 Satz 2 FahrlG bestimmt, daß von der Fahrlehrererlaubnis "nur zusammen mit der Fahrschulerlaubnis oder im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses mit einem Inhaber einer Fahrschulerlaubnis Gebrauch gemacht werden" darf. Die Vorschrift regelt nicht, welche Art von Beschäftigungsverhältnis (im Innenverhältnis) vereinbart werden kann. Vielmehr will sie eine Bestimmung im Außenverhältnis treffen und verhindern, daß der Inhaber einer Fahrlehrererlaubnis die Ausbildung nicht ohne die Verantwortlichkeit eines Fahrschulerlaubnisinhabers ausführt. Die aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht nicht präzise Bezeichnung "Beschäftigungsverhältnis" läßt offen, ob eine selbständige oder eine unselbständige Tätigkeit vereinbart wird.
Soweit die Finanzverwaltung § 1 Abs.2 Satz 2 FahrlG dahin versteht, daß nur nichtselbständige Arbeit ein "Beschäftigungsverhältnis" im Sinne dieser Vorschrift begründet, folgt ihr der Senat nicht . Jedenfalls ist für die umsatzsteuerrechtliche Qualifikation einer Tätigkeit das Vorhandensein der außersteuerrechtlichen Voraussetzungen ohne Bedeutung, sofern der Tatbestand des Steuergesetzes ihr Vorhandensein nicht verlangt (vgl. BFH-Urteil vom 13. März 1987 V R 33/79, BFHE 149, 313, BStBl II 1987, 524 - Rechtsanwaltssozietät als Testamentsvollstrecker). Selbst wenn die Bestimmung des § 1 Abs.2 Satz 2 FahrlG so verstanden werden müßte, wie sie von der Finanzverwaltung aufgefaßt wird (Oberfinanzdirektion --OFD-- Frankfurt am Main vom 8. Juli 1996, Einkommensteuer-Kartei, § 19 EStG Fach 1 Karte 6; OFD Bremen vom 22. April 1976, Datev-Dok 0027057), ist die Tätigkeit der Fahrlehrer unter den im Streitfall gegebenen Umständen als selbständige berufliche Tätigkeit i.S. von § 2 Abs.1 Satz 1 UStG 1980 zu beurteilen. Dem steht auch die Würdigung der Beschäftigung eines Fahrlehrers gegen feste Bezüge als Arbeitnehmertätigkeit (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. April 1961 5 AZR 167/60, Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts - Arbeitsrechtliche Praxis --AP-- Nr.8 zu § 133f GewO Nr.18; Der Betrieb 1961, 882; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10. Oktober 1986 4 K 194/86, Datev-Dok 0091242) bzw. gegen feste Bezüge und einen fest vereinbarten Einsatz der Arbeitskraft von 40 Wochenstunden (Arbeitsgericht Göttingen, Urteil vom 3. Oktober 1961 Ca 412/61, Betriebs-Berater 1962, 486) nicht entgegen; denn die von der Klägerin beschäftigten Fahrlehrer hatten nebenberuflich gegen eine tätigkeitsbezogene Vergütung unterrichtet.
Fundstellen
Haufe-Index 66026 |
BFH/NV 1997, 100 |
BStBl II 1997, 188 |
BFHE 181, 240 |
BFHE 1997, 240 |
BB 1997, 348-349 (LT) |
DB 1997, 209-210 (LT) |
DStRE 1997, 81-82 (LT) |
DStZ 1997, 229-230 (LT) |
HFR 1997, 166 (L) |
StE 1997, 35 (K) |