Entscheidungsstichwort (Thema)
Zollrecht Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Wird eine Ware fälschlicherweise im Zollvormerkverfahren zu einem nicht bewilligten und daher nicht bestehenden Zollvormerkverkehr abgefertigt, so entsteht die Eingangsabgabenschuld mit der Abfertigung unbedingt. Die Ware tritt mit der Abfertigung in den freien Verkehr, selbst wenn sie vom Zollbeteiligten unter rechtsirriger Mitwirkung der Zollverwaltung weiterhin so behandelt wird, als befände sie sich im Zollverkehr.
Die versehentliche Abfertigung im Zollvormerkverfahren zu einem nicht bestehenden Zollverkehr ist keine begünstigende Verfügung im Sinne von § 96 AO.
Zur Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben im Zollrecht.
Normenkette
ZG §§ 45, 101; AO § 94 Abs. 1, §§ 96, 223
Tatbestand
Der Beschwerdegegnerin - Bgin. - waren seit dem Jahre 1949 zunächst nichtständige, seit 1. Juli 1954 ein ständiger aktiver Eigenveredelungsverkehr mit Kraftpapier der Zolltarifnr. 4801-E-1 des Zolltarifs in der damals geltenden Fassung zur Herstellung von Papiersäcken bewilligt worden. Die Säcke sollten entweder unmittelbar oder nach Befüllung mit Zement oder anderen Gütern über andere Firmen ausgeführt werden.
Im Jahre 1952 erhielt die Bgin. einen Auftrag, aus etwa 20 to schwedischem Kraftpapier bituminierte Säcke für die Verpackung von Kunstdünger herzustellen. Da die Bgin. keine Bituminieranlage besaß, wurde ihr auf Antrag durch das Hauptzollamt genehmigt, die Bituminierung des zum Veredelungsverkehr abgefertigten Papiers im Wege der Unterveredelung bei einer anderen Firma durchführen zu lassen, wofür dieser mit Verfügung des Hauptzollamts vom 15. Oktober 1952 die Unterveredelung der bei ihr bereits eingetroffenen 50 Rollen 19.981 kg Kraftpapier der Tarifnr. 4801-E-1 durch Bituminieren und Zusammenkleben zu bituminiertem Kraftpapier im Rahmen des der Bgin. bewilligten Eigenveredelungsverkehrs gemäß § 31 Abs. 2 der Zollvormerk-Ordnung (ZVormO) in der damals geltenden Fassung bewilligt wurde. Das so hergestellte Bitumenpapier wurde gemäß § 31 Abs. 3 a. a. O. an die Bgin. versandt und von dieser in dem ihr bewilligten Veredelungsverkehr zu Papiersäcken weiterverarbeitet.
In der Folgezeit erhielt die Bgin. weitere Aufträge zur Herstellung bituminierter Papiersäcke. Sie bezog das bituminierte Natronkraftpapier seit 1954 von einer anderen Papierfabrik, die ihrerseits das bituminierte Natronkraftpapier im Zollveredelungsverkehr herstellte, der ihr von dem für sie zuständigen Hauptzollamt bewilligt worden war. Das veredelte Papier wurde sodann mit Zollbegleitscheinen an das für die Bgin. zuständige Zollamt überwiesen, bei dem die Bgin. die Abfertigung zum Eigenveredelungsverkehr beantragte. Das Zollamt entsprach diesen Anträgen und führte über die so entstehenden Warenbestände des Veredelungsverkehrs entsprechend den Bestimmungen der ZVormO die Zollvormerkrechnung. Die Beamten des Zollaufsichtsdienstes überwachten den Verkehr. Nach der Veredelung, d. h. nach der Herstellung der Papiersäcke, gestellte die Bfin. das Gut mit Abmeldung aus dem Veredelungsverkehr. Das Zollamt nahm die innere Beschau vor und fertigte die Ware zur Wiederausfuhr ab. Das zum Zollanweisungsverkehr abfertigende Zollamt hatte das bituminierte Papier auf Grund eines Gutachtens der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt der Zolltarifnr. 4808-H zugewiesen. Unter dieser Nummer wurde es von dem für die Bgin. zuständigen Zollamt in den Veredelungsverkehr übernommen.
Bei einer Geschäftsprüfung im Jahre 1956 stellte das Hauptzollamt fest, daß der Bgin. lediglich ein Zollveredelungsverkehr mit Kraftpapier der Zolltarifnr. 4801-E-1 zur Herstellung von Papiersäcken bewilligt worden war und daß es daher zur Verarbeitung des im Zollverkehr hergestellten Bitumenpapiers der Erweiterung des Veredelungsverkehrs durch das Hauptzollamt bedurft hätte.
Das Zollamt forderte weisungsgemäß für die zurückliegende Zeit, soweit nicht Verjährung eingetreten war, die Eingangsabgaben in Höhe von 8.739,35 DM Zoll und 3.801,60 DM Ausgleichsteuer, zusammen 12.540,95 DM, nach. Gegen den Steuerbescheid vom 18. Januar 1957 legte die Bgin. Einspruch ein, den das Hauptzollamt mit Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 1957 als unbegründet zurückwies.
Auf Grund der gegen die Einspruchsentscheidung eingelegten Berufung stellte das Finanzgericht die Bgin. von den nachgeforderten Beträgen durch ersatzlose Aufhebung der Vorentscheidungen frei.
Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Hauptzollamts, der der Bundesminister der Finanzen beigetreten ist.
In der Rechtsbeschwerde wird unrichtige Anwendung des geltenden Rechts gerügt. Im wesentlichen wird folgendes vorgetragen:
Die Ansicht des Finanzgerichts, daß die zollamtliche Ablassung von Zollgut zu einem nicht genehmigten Veredelungsverkehr die Eignungsabgabenschuld nicht zur Entstehung bringe, da das Zollgut sowohl seitens des Zollamts als auch seitens des Gewerbetreibenden so behandelt worden sei, als wenn es sich in einem genehmigten Veredelungsverkehr befunden habe, sei rechtsirrig.
Auch die weitere Auffassung des Finanzgerichts, wonach das Zollamt zwar nicht befugt gewesen sei, den Veredelungsverkehr für die Ware zu genehmigen, dafür aber "zur Abfertigung unter Zollvormerkung" zuständig gewesen sei und insoweit durch die Abfertigung eine begünstigende Verfügung im Sinne des § 96 der Reichsabgabenordnung (AO) ausgesprochen habe, die nicht mit rückwirkender Kraft hätte zurückgenommen werden können, das Zollamt dementsprechend - als Folge hiervon - auch die Abgaben nicht hätte verlangen können, sei nicht begründet. Denn das Zollamt sei wegen des Fehlens eines bewilligten Zollveredelungsverkehrs nicht befugt gewesen, im Zollvormerkverfahren abzufertigen. Außerdem sei die Abfertigung im Zollvormerkverfahren keine begünstigende Verfügung im Sinne von § 96 AO.
Schließlich seien auch keine Gründe dafür gegeben, anzunehmen, daß die Nachforderung der Abgaben gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstieße.
Auf die Einzelheiten der Rechtsbeschwerdebegründung und auf die Erwiderung der Bgin. wird Bezug genommen. Der Bundesminister der Finanzen hat sich einer besonderen Stellungnahme enthalten.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung des Streitfalles führt zu folgendem rechtlichen Ergebnis:
I. - Das Finanzgericht ist mit Recht davon ausgegangen, daß der Bgin. für die die Grundlage des Streites bildenden Bitumenpapiere der Zolltarifnr. 4808 - H im fraglichen Zeitraum ein Zollveredelungsverkehr nicht bewilligt war, und es hat zutreffend daraus die Folgerung gezogen, daß "mangels Genehmigung ein Zollveredelungsverkehr mit Bitumensackpapier im Sinne von § 101 des Zollgesetzes (ZG) in Verbindung mit §§ 21 flg. ZVormO von der Beruferin - Bfn. - (jetzt Bgin.) nicht durchgeführt worden ist, und daß die Bfn. Freistellung von den Eingangsabgaben aus Zollveredelungsverkehr nicht geltend machen kann".
Wenn jedoch das Finanzgericht weiter ausführt, daß die bei der Abfertigung des Bitumenpapiers bedingt entstandene Abgabenschuld nicht unbedingt geworden sei, weil die Ware nicht in den freien Verkehr gelangt, sondern unter Einhaltung der überwachungsbestimmungen verarbeitet, wiedergestellt und ausgeführt worden sei, so kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden.
Die Abfertigung im Zollvormerkverfahren zu einem Zollvormerkverkehr ist gleichzeitig Abfertigung zu einem Zollverkehr und mittelbar zum freien Verkehr (§ 1 Abs. 6 ZVormO; vgl. auch Siegert: Zollgesetz, 6. Aufl., Anm. 6 zu § 45). Nach § 45 Abs. 2 ZG führt die Abfertigung zu einem Zollvormerkverkehr zum Entstehen einer bedingten Zollschuld. Voraussetzung hierfür ist aber, daß ein solcher Zollverkehr, zu dem die Ware abgefertigt werden soll, tatsächlich besteht. Ist dies nicht der Fall, so entsteht, da die an sich wirksame Abfertigung gleichzeitig Abfertigung zum freien Verkehr ist, die Abgabenschuld im Zeitpunkt der Abfertigung unbedingt. Dabei ist es für das rechtliche Ergebnis gleichgültig, ob man davon ausgeht, daß die Abgabenschuld wegen des Fehlens des Zollvormerkverkehrs entsprechend dem Wortlaut des § 45 Abs. 2 ZG nicht bedingt, sondern von Anfang an nur unbedingt entstehen kann, oder ob man annimmt, daß die Abgabenschuld zwar zunächst bedingt entsteht, aber mit der Aushändigung der Ware an den Zollbeteiligten auch gleichzeitig unbedingt wird, weil ein Zollverkehr nicht vorhanden ist und die Ware daher sofort in den freien Verkehr tritt. Die Rechtslage ist nicht anders, als wenn eine einen Zollvormerkverkehr bewilligende Verfügung mit rückwirkender Kraft (§ 96 Abs. 2 AO) zurückgenommen wird. Auch hier wird durch die Rückwirkung der Rücknahme ein Rechtszustand herbeigeführt, als ob im Zeitpunkt der Abfertigung ein Zollvormerkverkehr nicht vorhanden gewesen wäre, wodurch die Abgabenschuld infolge der Doppelnatur der Abfertigung im Zollvormerkverfahren unbedingt entstanden ist (vgl. hierzu Lenkewitz: Die zollschuldrechtlichen Wirkungen der Zurücknahme der Bewilligung eines Zollvormerkverkehrs, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern - ZfZ - 1956 S. 196 ff., und Schulz-Zimmermann: Der Veredelungsverkehr S. 72).
Hieran ändert auch nichts der Umstand, daß im Streitfalle die fraglichen Waren von der Zollstelle und vom Zollbeteiligten so behandelt worden sind, als befänden sie sich im Zollverkehr. Es gibt im Zollrecht keine Art "Umkehrung der vorschriftswidrigen Verfügung". Bei der vorschriftswidrigen Verfügung ist de lege eine Handlung des Zollbeteiligten, durch die er das Zollgut so behandelt, als ob es sich im freien Verkehr befände, mit der Rechtsfolge ausgestattet, daß zollschuldrechtlich das Zollgut so angesehen wird, als ob es in den freien Verkehr gelangt sei, während es sich in Wirklichkeit auch noch weiterhin im Zollverkehr befindet. Dagegen gibt es keine Bestimmung, nach der eine Ware dann als im Zollverkehr befindlich angesehen werden könnte, wenn sie vom Zollbeteiligten unter rechtsirriger Mitwirkung der Zollverwaltung so behandelt wird, als ob sie sich im Zollverkehr befände, obwohl in Wirklichkeit kein Zollverkehr besteht. Die Ware befindet sich in diesem Falle im freien Verkehr.
Rechtsirrig ist auch die Ansicht des Finanzgerichts, die Abfertigung im Zollvormerkverfahren zu einem nicht bewilligten und daher nicht bestehenden Zollveredelungsverkehr könne als eine begünstigende Verfügung im Sinne von § 96 AO angesehen und daher im Streitfalle nicht mit rückwirkender Kraft zurückgenommen werden. Eine begünstigende Verfügung kann immer nur die Willenserklärung einer sachlich zuständigen Verwaltungsdienststelle sein, mit der diese auf Grund einer ihr vom Gesetz gewährten Ermächtigung den sonst bestehenden Rechtszustand zugunsten des Betroffenen abändern kann und will. Daher ist, wie das Finanzgericht zutreffend ausführt, die einen Veredelungsverkehr bewilligende Verfügung der zuständigen Zolldienststelle eine begünstigende Verfügung im Sinne des § 96 AO. Mit ihr erwirbt der Zollbeteiligte das Recht, die sich aus der Bewilligung ergebenden rechtlichen Vergünstigungen in Anspruch zu nehmen. Dazu gehört, wenn ein Veredelungsverkehr im Zollvormerkverfahren bewilligt ist, auch das Recht, die zu veredelnden Waren im Zollvormerkverfahren abfertigen zu lassen. Dem hat auch das Zollamt zu entsprechen (§ 74 Abs. 1 ZG). Liegen jedoch die Voraussetzungen für diesen Anspruch auf Abfertigung im Zollvormerkverfahren nicht vor, weil ein Zollverkehr nicht besteht, so muß das Zollamt einen dennoch gestellten Antrag zurückweisen (§ 74 Abs. 2 Satz 1 ZG). Die Abfertigung im Zollvormerkverfahren als solche ist aber in diesem Falle keine begünstigende Verfügung. Das Zollamt wollte der Bgin. auch nicht eine Vergünstigung gewähren, d. h. einen Veredelungsverkehr bewilligen - wofür es auch nicht zuständig gewesen wäre -, sondern es nahm fälschlicherweise an, die Bgin. hätte einen Rechtsanspruch auf Abfertigung im Zollvormerkverfahren, weil ihr ein Veredelungsverkehr für das fragliche Papier bewilligt sei.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß die Eingangsabgabeschuld für das in Frage stehende Bitumenkraftpapier der Tarifnr. 4808 - H im Zeitpunkt der Abfertigung zu dem in Wirklichkeit nicht bestehenden Veredelungsverkehr in der Person der Bgin. unbedingt entstanden ist. Die Zollverwaltung war daher verpflichtet, die nichtverjährten Abgaben auf Grund von § 223 AO nachzufordern, sofern dem nicht auf Grund der besonderen Umstände des Streitfalles etwa die Grundsätze von Treu und Glauben entgegenstehen. Unter diesem Gesichtspunkt ist daher die Vorentscheidung, die die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben für geboten hält, noch zu prüfen.
II. - Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. Urteile VII 185/57 U vom 28. Oktober 1958 - Bundessteuerblatt (BStBl) 1959 III S. 11 - und VII 130/56 U vom gleichen Tage - BStBl 1959 III S. 16 -) finden die Grundsätze von Treu und Glauben auch auf dem Gebiete des Zollrechts Anwendung. Es ergeben sich aber dabei, insbesondere auf dem Gebiet der Nachforderung von Eingangsabgaben nach § 223 AO, ebenso wie für die der Anwendung von Treu und Glauben in mancher Hinsicht nahestehenden Billigkeitsmaßnahmen nach § 131 AO aus der besonderen Natur des Zollrechts gewisse Einschränkungen, auf die in dem bereits erwähnten Urteil VII 185/57 U ausführlich eingegangen ist. Was dort für den Bereich der Billigkeitsmaßnahmen ausgeführt ist, muß für die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben in gleicher Weise gelten. Während aber Billigkeitsmaßnahmen nach § 131 AO in das pflichtgemäße Ermessen der Verwaltung gestellt sind, der Zollbeteiligte also keinen Rechtsanspruch auf Gewährung eines Erlasses hat und nur durch die vom Gesetz gezogenen Grenzen für die Ermessensausübung gegen eine willkürliche Handhabung durch die Verwaltung geschützt ist, steht ein Umstand, der die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben erfordert, der Geltendmachung einer Abgabenforderung de jure entgegen. Der Zollbeteiligte hat in einem solchen Fall ein Recht auf den sich für ihn aus der übergesetzlichen Rechtsnorm von Treu und Glauben ergebenden Vertrauensschutz gegenüber einer etwa in Frage kommenden Verhaltensänderung der Verwaltung. Wo es also um die nachträgliche Geltendmachung von Abgabenforderungen geht, steht bei der Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben der Gesetzesbefehl zur Verwirklichung einer nach den Vorschriften des gesetzten Rechts entstandenen Abgabenforderung und damit zur gleichmäßigen Anwendung des Gesetzes in unmittelbarer Konkurrenz mit der auf einer übergeordneten Norm beruhenden Forderung nach einem sich aus den jeweiligen Umständen des einzelnen Falles möglicherweise ergebenden zwingenden Vertrauensschutz. Zwingend ist dieses Schutzbedürfnis dann, wenn auf seiten der zur Gesetzesvollziehung berufenen Verwaltung ein Verhalten vorliegt, das die Geltendmachung des gesetzlich entstandenen Abgabenanspruchs - weil mit dem vorangegangenen Verhalten der Verwaltung in krassem Widerspruch stehend - mit dem allgemeinen Rechtsempfinden nicht vereinbar erscheinen läßt. Gegenüber dem aus § 223 (in Verbindung mit § 94 Abs. 1 Nr. 1) AO zu entnehmenden Gesetzesbefehl zu einer nur durch die Verjährung beschränkten Nachforderung auf Grund Gesetzes geschuldeter Abgaben kann ein Anspruch des Zollbeteiligten auf Vertrauensschutz gegen eine Verhaltensänderung der Verwaltung aus den Grundsätzen von Treu und Glauben demnach nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen hergeleitet werden.
Prüft man den vorliegenden Fall unter diesen Gesichtspunkten, so ergibt sich auch bei strenger Beurteilung, daß die Geltendmachung der Eingangsabgabenforderung gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen würde. Zwar kann auch hier der Begründung des Finanzgerichts im einzelnen nicht gefolgt werden. So trifft es nicht zu, wenn das Finanzgericht bezüglich der Verschuldensfrage der Bgin. ausführt: "es war nicht ihre Pflicht, zu prüfen, ob die Genehmigung des Hauptzollamts von 1952 noch Geltung hatte oder ob eine neue Genehmigung vom Hauptzollamt ausgesprochen werden mußte, für die, wenn erforderlich, alle Voraussetzungen seitens der Bfn. erfüllt waren". Die Bgin. hatte niemals - auch nicht im Jahre 1952 - die Genehmigung erhalten, bituminiertes Kraftpapier zu dem ihr damals bewilligten Veredelungsverkehr abfertigen zu lassen und es als Ausgangsmaterial der Veredelung weiterzuverarbeiten. Ihr war lediglich erlaubt worden, das für ihren Veredelungsverkehr mit Kraftpapier der Tarifnr. 4801 - E -1 abgefertigte Papier im Wege der Unterveredelung auch bituminieren zu lassen und dieses Papier dann im Rahmen ihres Veredelungsverkehrs zu Papiersäcken weiterzuverarbeiten. Sie hätte auch damals bituminiertes Papier nicht zu ihrem Veredelungsverkehr abfertigen lassen können. Auch war die Bgin. verpflichtet, sich selbst um den Inhalt und Umfang der ihr gewährten Vergünstigung zu kümmern. Dies kann und muß mit Fug und Recht von Zollbeteiligten, die von Vergünstigungen Gebrauch machen, verlangt werden, ganz abgesehen davon, daß eine solche Verpflichtung sich auch aus dem Inhalt der auferlegten und von den Zollbeteiligten anzuerkennenden überwachungsbestimmungen ergibt.
Wenn der Senat trotzdem im Ergebnis mit dem Finanzgericht zu der überzeugung gelangt ist, daß im vorliegenden Falle der Geltendmachung der Forderung die Grundsätze von Treu und Glauben entgegenstehen, so hat er sich dabei von folgenden Erwägungen leiten lassen.
Die Abgabenforderung ist dadurch zustande gekommen, daß - abgesehen von den unzutreffenden Abfertigungsanträgen der Bgin. - sowohl das Zollamt wie auch die den Veredelungsverkehr überwachende Zollaufsicht durch mehrere Jahre hindurch die Fehlerhaftigkeit des gesamten Verfahrens nicht erkannt haben, obwohl diese bei einiger ihnen zuzumutender Sorgfalt nicht hätte verborgen bleiben können.
Die Bgin. hat neben dem ihr genehmigten Veredelungsverkehr mit Natronkraftpapier, wie sich aus ihrem Schreiben vom 18. Februar 1957 an das Hauptzollamt Bielefeld und aus der Stellungnahme des damals für die Bgin. zuständigen Bezirkszollkommissars vom 6. April 1957 ergibt, als Unterveredlerin für eine andere Firma auch bituminiertes Kraftpapier verarbeitet. Das Nebeneinanderlaufen der verschiedenen Veredelungsverkehre hat die Bgin. offenbar die zollrechtliche Bedeutung der einzelnen Genehmigungen nicht erkennen lassen, wie sie sich auch der Bedeutung der ihr im Jahre 1952 erteilten Genehmigung der Unterveredelung des Kraftpapiers zu bituminiertem Papier offensichtlich nicht bewußt geworden ist. Dies alles kann aber nur auf Mängel in der überwachung zurückgeführt werden, die gerade mit Rücksicht auf die verwickelten Verhältnisse im Betrieb der Bgin. besonders gründlich hätte durchgeführt werden müssen. Was das Zollamt und der damalige Bezirkskommissar in ihren äußerungen zur Aufklärung des Sachverhalts vorgebracht haben, vermag den Senat nicht davon zu überzeugen, daß das Zustandekommen des fehlerhaften Verfahrens und der dadurch bedingten Abgabenschuld nicht überwiegend durch das Verhalten der Organe der Zollverwaltung verursacht worden ist. Jahre hindurch haben diese zuständigen Stellen die geschehene Durchführung des Verfahrens nicht nur geduldet, sondern an dessen Abwicklung so mitgewirkt, daß für die Bgin. der Eindruck entstehen mußte, die Sache sei in Ordnung. Da die Bgin. sich im übrigen keinerlei Verstöße gegen die Vorschriften über den Veredelungsverkehr hat zuschulden kommen lassen, die veredelten Waren in vermeintlich zutreffender Weise "wiedergestellt" und ausgeführt und sich begreiflicherweise auch wirtschaftlich, d. h. in ihren Kalkulationen, auf den nach ihrer Meinung geordneten Ablauf des Verfahrens eingestellt hat, kann ihr der Vertrauensschutz gegenüber dem eindeutigen Verhalten der Verwaltungsorgane im Hinblick auf die besonderen Umstände des Streitfalles nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht versagt werden.
Die Vorentscheidung war daher, wenn auch mit anderer Begründung, im Ergebnis aufrechtzuerhalten und die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Hauptzollamts als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 409262 |
BStBl III 1959, 146 |
BFHE 1959, 378 |
BFHE 68, 378 |