Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zum Abzug von wiederkehrenden Zahlungen, die an Angehörige als Entschädigung für den Verzicht auf eine Erbauseinandersetzung gewährt werden.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1, § 12 Nr. 2
Tatbestand
Die inzwischen verstorbene Steuerpflichtige war Eigentümerin eines Steinbruchs, den sie verpachtet hatte. Bei der Einkommensteuerveranlagung 1962 waren ihr die Einkünfte aus der Verpachtung des Steinbruchs ihrer Einkommensteuererklärung entsprechend zugerechnet worden. Für den Unterhalt ihrer Schwägerin wurde ihr ein Betrag von 1.200 DM nach § 33 a EStG berücksichtigt.
Im Einspruchsverfahren verlangte die Steuerpflichtige, daß die Einkünfte aus der Verpachtung des Steinbruchs auf sie und ihre Schwägerin je zur Hälfte aufgeteilt würden. Ihr verstorbener Ehemann und ihre Schwägerin hätten sich, so machte sie geltend, wegen des von ihren Eltern ererbten Vermögens nicht auseinandergesetzt. Ihre Schwägerin habe daher wie bereits ihrem verstorbenen Ehemann, so auch ihr selbst gegenüber Entschädigungsansprüche und erhalte aus diesem Grunde 50 % der Pacht, wie es im Vertrag vom 10. Juli 1963 auch schriftlich festgehalten sei. Die Einkünfte aus der Verpachtung müßten danach für sie und ihre Schwägerin einheitlich festgestellt werden. Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück. Ebenso lehnte es den Antrag auf eine einheitliche Feststellung ab.
Die Berufung hatte keinen Erfolg. Mit dem Finanzamt rechnete auch das Finanzgericht die Einkünfte nur der Steuerpflichtigen zu. Es führt aus, die Einkünfte flössen der Steuerpflichtigen auf Grund ihres Eigentums zu. Das Begehren der Steuerpflichtigen, die Hälfte dieser Einkünfte ihrer Schwägerin zuzurechnen, scheitere daran, daß der Schwägerin an dem Steinbruch kein dingliches Recht zustehe und daß sie weder wirtschaftlich Miteigentümerin noch Mitpächterin sei. Daß die Ansprüche gegen den elterlichen Nachlaß oder Forderungen aus Entschädigung habe, sei für die Zurechnung der Einkünfte unerheblich. Die Weitergabe der Hälfte der Pacht sei eine Verwendung des Einkommens der Steuerpflichtigen. Die Zahlungen an die Schwägerin seien auch keine Rentenleistungen auf Grund einer Verpflichtung. Die Vereinbarungen zwischen der Steuerpflichtigen und ihrer Schwägerin seien rechtlich nicht eindeutig. Dies ergebe sich auch daraus, daß die Steuerpflichtige Steuerermäßigung wegen Unterhalts ihrer Schwägerin beantragt (ß 33 a EStG) und erhalten habe. Unklare Rechtsverhältnisse zwischen Familienangehörigen gingen aber zu Lasten der Steuerpflichtigen; andernfalls könnten Steuerpflichtige, die ihre Verhältnisse undurchsichtig regelten, steuerlich die jeweils günstigste Regelung geltend machen, während Steuerpflichtige mit klaren Rechtsverhältnissen festgelegt seien.
Mit ihrer Rb. rügen die Bf., die Erben der Steuerpflichtigen, unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Nach ihrer Ansicht müßten die Zahlungen an die Schwägerin (ihre Tante) berücksichtigt werden, weil sie eine Abfindung für den Verzicht auf die Erbauseinandersetzung seien. Seit der Verpachtung des zum früheren Schloßgut gehörenden Steinbruchs, d. h. seit dem Jahre 1949, erhalte ihre Tante auf Grund einer mündlichen Vereinbarung 50 % der Einnahmen. Diese Abrede beruhe darauf, daß ihr Vater und seine Schwester (ihre Tante) sich wegen des ererbten elterlichen Nachlasses nicht auseinandergesetzt hätten und ihr Vater die ererbten Mittel im Einverständnis mit seiner Schwester (ihrer Tante) zum Ankauf des Schloßgutes verwandt habe. Nach dem Tod ihres Vaters habe sich auch ihre Mutter als Erbin an die Abmachung gehalten. Auch sie, die Bf., erkennen die Abmachung an.
Entscheidungsgründe
Die Rb. muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.
Dem Finanzgericht ist zwar darin beizutreten, daß die Einkünfte aus der Verpachtung des Steinbruchs nur der Steuerpflichtigen und auch deren Schwägerin zuzurechnen sind. Dem Finanzgericht ist aber nicht auch darin zu folgen, daß die Zahlungen an die Schwägerin nur als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen seien.
Mit dem Finanzgericht ist davon auszugehen, daß Vereinbarungen zwischen Verwandten eindeutig abgeschlossen und von beiden Seiten klar vollzogen sein müssen. überläßt ein Steuerpflichtiger einem Verwandten Teile seiner Einkünfte, so handelt es sich, wenn die überlassung nicht auf einem besonderen Verpflichtungsgrund beruht, in der Regel um eine die Höhe des Einkommens nicht berührende Einkommensverwendung (vgl. § 10 Abs. 1 Ziff. 1 und § 12 Ziff. 2 EStG).
Ob der zwischen der Steuerpflichtigen und ihrer Schwägerin im Jahre 1963 geschlossene Vertrag einen solchen Rechtsgrund darstellt, kann dahingestellt bleiben, weil hier die Einkünfte des Jahres 1962 im Streit sind und eine Rückwirkung des Vertrages nicht in Betracht kommt.
Entscheidend ist danach, ob für die Zahlungen an die Schwägerin ein anderer Verpflichtungsgrund anerkannt werden kann. Als solcher käme die bereits mit dem Ehemann der Steuerpflichtigen getroffene Vereinbarung in Betracht.
Die strengen Grundsätze über die Anerkennung von Vereinbarung zwischen Verwandten sollen verhindern, daß das Verbot des Abzugs freiwilliger Zahlungen oder gesetzlicher Unterhaltsleistungen umgangen wird. Sie gelten jedoch nicht, wenn für die Zahlungen an Verwandte ähnliche Gründe vorliegen wie bei Zahlungen an Fremde. Solche Gründe können nach dem Vorbringen der Bf. hier vorliegen. Wenn nämlich der Betrag an die Schwägerin (Schwester) in der Tat schon seit dem Jahre 1949 abgeführt worden ist, weil diese sich seinerzeit damit einverstanden erklärt hatte, daß ihr Bruder (der Vater der Bf.) auch über ihren Erbteil verfügte, dann liegt für die Zahlungen ein besonderer Grund vor. Es ist dabei nicht erforderlich, daß ein schriftlicher oder sonst ein "formgerechter" Vertrag geschlossen ist. Standen sich, wie hier behauptet wird, Leistung und Gegenleistung gegenüber, dann genügte ein stillschweigend oder mündlich geschlossener Vertrag, um einen besonderen Verpflichtungsgrund zu schaffen, sofern die Leistungen und Gegenleistungen tatsächlich vereinbarungsgemäß erbracht wurden.
Der Senat tritt allerdings der Ansicht der Bf., daß ihre Tante an den aus der Vermietung des Steinbruchs herrührenden Einkünften unmittelbar beteiligt sei, in übereinstimmung mit dem Finanzgericht nicht bei. Eine derartige Beteiligung würde voraussetzen, daß die Tante Miteigentümerin des Steinbruchs wäre. Das aber ist nicht der Fall. Wenn der Vater der Bf. seiner Schwester die Hälfte der Einkünfte aus der Verpachtung des Steinbruchs überlassen hat, so ist doch auch nach dem Vortrag der Bf. daraus nicht zu folgern, daß die Schwester Mitberechtigte sein sollte in dem Sinne, daß sie und der Vater der Bf. zusammen die Verpächter waren. Wohl aber könnte man, wenn der Vortrag der Bf. zutrifft, die Vereinbarung einer Entschädigung dafür anerkennen, daß die Tante auf die Erbteilung verzichtete und mit der alleinigen Verwendung der zum Nachlaß gehörenden Mittel durch den Vater einverstanden war. In diesem Fall liegt ein besonderer Verpflichtungsgrund im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG vor; eine nur freiwillige Zahlung im Sinne des § 12 Ziff. 2 EStG scheidet aus.
Unter dieser Voraussetzung sind die an die Tante geleisteten Zahlungen, jedenfalls dem Grunde nach, Sonderausgaben. Fraglich ist nur die Höhe. Bei gleichbleibenden Zahlungen käme ein Abzug als Leibrente mit dem Ertragsanteil in Betracht. Weil die Zahlungen aber nach der Höhe der Einkünfte aus der Verpachtung des Steinbruchs schwankten, können die Zahlungen der Steuerpflichtigen nur als dauernde Last behandelt werden, so daß sie in voller Höhe gemäß § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG als Sonderausgaben absetzbar sind.
Wie der Vorsteher des Finanzamts geltend macht, könnte man, weil die Tante auch ihrerseits eine Leistung erbracht hat, daran denken, die Zahlungen der Steuerpflichtigen erst vor dem Zeitpunkt ab abzuziehen, in dem die Zahlungen den Wert der empfangenen Leistung überstiegen haben. Wie aber der IV. Senat des Bundesfinanzhofs unter Zustimmung des erkennenden Senats in dem Urteil IV 67/61 S. vom 16. September 1965 (BStBl 1965 III S. 706) entschieden hat, steht der Umstand, daß der Empfänger eine Gegenleistung erbracht hat, dem vollen Abzug der dauernden Last nicht entgegen.
Das angefochtene Urteil war danach wegen Rechtsirrtums aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache war an das Finanzgericht zurückzuverweisen, das unter Beachtung der dargelegten Grundsätze insbesondere zu prüfen hat, ob den an die Tante gewährten Leistungen wirklich eine entsprechende Gegenleistung zugrunde liegt.
Fundstellen
Haufe-Index 411914 |
BStBl III 1966, 244 |
BFHE 1966, 87 |
BFHE 85, 87 |