Leitsatz (amtlich)
Eine im Rahmen der Aufgabe eines Gewerbebetriebes gezahlte Entschädigung bleibt beim Gewerbeertrag außer Ansatz, wenn sie einkommensteuerrechtlich dem begünstigten Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn i. S. des § 16 EStG zuzurechnen ist.
Normenkette
GewStG § 7; EStG § 16
Tatbestand
Streitig ist, ob eine vom Landschaftsverband an den Steuerpflichtigen - den Rechtsvorgänger der Kläger und Revisionskläger (Kläger) - gezahlte Entschädigung dem Gewerbeertrag zuzurechnen ist oder nicht.
Der Steuerpflichtige betrieb ein Sägewerk und einen Gerüstbau auf einem Grundstück, das teilweise vom Landschaftsverband für den Bau einer neuen Straße derart in Anspruch genommen wurde, daß das Sägewerk an diesem Ort nicht weiterbetrieben werden konnte. Nach längeren Verhandlungen über eine Entschädigung für eine Betriebsverlegung erhielt der Steuerpflichtige im Tauschwege andere wertgleiche Grundstücke übereignet. Außerdem verpflichtete sich der Landschaftsverband, "für alle mit der Veräußerung der Grundflächen, der Anlage und dem Betrieb der Landstraße verbundenen Nachteile, insbesondere für die Umsetzung des Sägewerks ... eine Nebenentschädigung in Höhe von 550 000 DM" zu zahlen. Etwa 1 1/4 Jahre nach Abschluß dieses Vertrages wurde der Sägewerksbetrieb eingestellt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) nahm nach Durchführung einer Betriebsprüfung an, der unstreitig in Höhe von 225 000 DM betrieblich bedingte Anteil der Entschädigung sei zwar einkommensteuerrechtlich gemäß §§ 24, 34 EStG begünstigt, gleichwohl aber dem Gewerbeertrag zuzurechnen. Der gegen den Gewerbesteuermeßbescheid eingelegte Einspruch und die Klage zum FG blieben erfolglos. Die in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1974 S. 163 veröffentlichte Vorentscheidung stützt sich darauf, daß die Entschädigung auch im Hinblick auf die Abgeltung betrieblicher Nachteile gewährt worden sei und daß es daher nicht darauf ankomme, ob sie für eine Betriebsverlegung oder eine Betriebsaufgabe gezahlt worden sei.
Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, die beantragen, das Urteil des FG und den Gewerbesteuermeßbescheid 1965 (in der Form der Einspruchsentscheidung) aufzuheben. Sie sind der Ansicht, daß zwangsläufig eine Teilbetriebsaufgabe erfolgt sei, weil die Abgabe lebenswichtiger Betriebsgrundstücke eine Fortführung des Sägewerksbetriebes unmöglich gemacht hätte und die eingetauschten Grundstücke zu schmal gewesen seien, um überhaupt einen Sägewerksbetrieb aufnehmen zu können. Bis zum Zeitpunkt der Stillegung seien lediglich die bestehenden Verträge über abzunehmende Holzmengen abgewickelt worden. Eine wegen Betriebsaufgabe geleistete Entschädigung gehöre jedoch nicht zum Gewerbeertrag i. S. des § 7 GewStG. Das FG habe diesen Fall zu Unrecht dem der Zahlung einer Entschädigung für eine Betriebsverlegung bzw. die Stillegung eines unselbständigen Betriebsteiles gleichgestellt.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Ausgangspunkt für die Ermittlung des Gewerbeertrages ist der nach den Vorschriften des EStG oder des KStG zu ermittelnde Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7 GewStG). Aus dem Wesen der Gewerbesteuer als einer auf den tätigen Betrieb bezogenen Sachsteuer folgt jedoch, daß die steuerrechtliche Beurteilung in Grenzfällen unterschiedlich sein kann. Während die Einkommensteuer als Personensteuer beim gewerblichen Gewinn alle betrieblichen Vorgänge von den ersten Vorbereitungshandlungen zur Betriebseröffnung bis zur Veräußerung oder Entnahme des letzten betrieblichen Wirtschaftsgutes berücksichtigt, ist Gegenstand der Gewerbesteuer nur der durch den laufenden Betrieb anfallende Gewinn (z. B. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 13. November 1963 GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124).
a) Nach der bereits vom RFH übernommenen ständigen Rechtsprechung des BFH ist für Zwecke der Gewerbesteuer davon auszugehen, daß der zu besteuernde Betrieb durch den Veräußerungsvorgang sein Ende findet, so daß Gewinne aus der Veräußerung von Betrieben oder Teilbetrieben beim Gewerbeertrag nicht erfaßt werden (z. B. Urteile vom 25. Mai 1962 I 78/61 S, BFHE 75, 467, BStBl III 1962, 438; vom 20. Dezember 1963 VI 336/62 U, BFHE 79, 42, BStBl III 1964, 248; vom 2. Februar 1972 I R 217/69, BFHE 105, 35, BStBl II 1972, 470). Entsprechendes gilt für Aufgabegewinne i. S. von § 16 Abs. 3 EStG (z. B. BFH-Urteile vom 23. November 1967 IV 83/63, BFHE 90, 435, BStBl II 1968, 123; vom 18. November 1970 I R 116/69, BFHE 101, 112, BStBl II 1971, 182, und I R 217/69). Wird hingegen ein Betrieb/Teilbetrieb eingestellt und nach und nach abgewickelt (liquidiert), ist der volle Ertrag des Unternehmens einschließlich der Abwicklungsgewinne der Gewerbesteuer zu unterwerfen (BFH-Urteil VI 336/62 U).
Die Erfassung von Entschädigungen i. S. von § 24 Nr. 1 EStG beim Gewerbeertrag steht mit dem Sachsteuercharakter der Gewerbesteuer nicht grundsätzlich in Widerspruch (BFH-Urteil vom 26. Mai 1971 I R 45/70, BFHE 102, 399, BStBl II 1971, 717). Derartige Entschädigungen unterliegen vielmehr insoweit der Gewerbesteuer, als eine unmittelbare Sachbezogenheit zu einem lebenden Betrieb besteht. Als Gewerbeertrag kommen nicht nur Einkünfte in Betracht, die aufgrund einer werbenden Tätigkeit erzielt werden, sondern auch Entschädigungen für Eingriffe in das Betriebsvermögen (z. B. Entschädigungen für die teilweise Stillegung, teilweise Übertragung eines unselbständigen Betriebsteiles: BFH-Urteil vom 18. September 1962 I 206/61 U, BFHE 75, 547, BStBl III 1962, 468; Ausgleichszahlungen an einen Handelsvertreter i. S. von § 89 b HGB, § 24 Nr. 1 c EStG: BFH-Urteil vom 5. Dezember 1968 IV R 270/66, BFHE 94, 462, BStBl II 1969, 196; Entschädigungen für entgangenen Gewinn wegen einer behördlich veranlaßten Verlegung von Geschäftsräumen: BFH-Urteil I R 45/70; Abfindungen für die Einschränkung oder Auflösung von Vertragsverhältnissen bei fortbestehendem Gewerbebetrieb: BFH-Urteil vom 20. März 1974 I R 198/72, BFHE 112, 157, BStBl II 1974, 486, und vom 20. Juni 1975 VIII R 39/74, BFHE 116, 391, BStBl II 1975, 832). Die Rechtsprechung hat lediglich Unfallentschädigungen ausnahmsweise dann nicht der Gewerbesteuer unterworfen, wenn sie sich trotz ihrer Beziehung zum Gewerbebetrieb nicht als unmittelbare Erträge aus dem Betrieb, sondern als Folge eines vom Betriebsinhaber erlittenen Körperschadens erwiesen (BFH-Urteile vom 20. August 1965 VI 154/65 U, BFHE 84, 258, BStBl III 1966, 94, und vom 28. August 1968 I 252/65, BFHE 93, 466, BStBl II 1969, 8; vgl. auch BFH-Urteil I R 45/70).
b) Wird eine Entschädigung im Rahmen einer Aufgabe des Betriebes gezahlt, bleibt sie beim Gewerbeertrag insoweit außer Ansatz, als sie einkommensteuerrechtlich dem begünstigten Veräußerungsgewinn i. S. von § 16 EStG zuzurechnen ist. Es handelt sich dann nicht um laufenden Ertrag eines lebenden Betriebes, sondern um eine mit dessen Beendigung zusammenhängende Leistung. Aus diesem Grunde ist es nicht möglich, Entschädigungen für Betriebsverlegung und Betriebsaufgabe gleichzubehandeln.
Zum Veräußerungspreis zählt alles, was der Veräußerer im Zusammenhang mit der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebes erhält (Urteil des RFH vom 23. März 1933 VI A 933/31, RStBl 1933, 635; Urteil des BFH vom 29. Oktober 1970 IV R 141/67, BFHE 100, 390, BStBl II 1971, 92). Dazu gehören z. B. Entschädigungen für wegfallende Gewinnaussichten (Urteil des RFH VI A 933/31), Zuschüsse für die Stillegung oder Aufgabe von Molkereibetrieben oder -teilbetrieben (Urteile des RFH vom 14. September 1938 VI 572/38, RStBl 1939, 87, und vom 8. November 1939 VI 451/39, Steuer und Wirtschaft II 1940 Nr. 44; ebenso Erlaß des Hessischen Finanzministeriums vom 21. Dezember 1962 S 2194 - 37 - II/21, Steuererlasse in Karteiform, Einkommensteuergesetz § 16, Nr. 5), die Abstandssumme für die Überlassung eines Ladens im Zusammenhang mit einer Geschäftsaufgabe (Urteil des RFH vom 19. Februar 1930 VI A 1618/29, RStBl 1930, 619), der Betrag, den eine Brauerei dem Veräußerer einer Gastwirtschaft dafür bezahlt, daß dieser den Betrieb an einen bestimmten Dritten veräußert (Urteil des BFH vom 16. Juli 1964 IV 310/63, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1965 S. 39), die Entschädigung für den Verzicht auf das noch bestehende Mietrecht an den Geschäftsräumen (Urteil des BFH IV R 141/67). Die Verwaltung hat für eine Betriebsaufgabe gewährte Entschädigungen in weiteren Fällen auch insoweit zum Veräußerungsgewinn gerechnet, als sie für sonstige Aufgabekosten, wie etwa Umzugskosten des Betriebsinhabers, gezahlt worden waren (Runderlaß des Reichsministers der Finanzen vom 23. Juli 1938 S 21 41 - 70 III, RStBl 1938, 721, Abschn. A III), ebenso staatliche Prämien für die Einstellung der Fabrikation von Tabakerzeugnissen (Erlaß des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 28. Januar 1957 S 2151/S 2194 - 412 VB - 1, Der Betriebs-Berater 1957 S. 139) und Abfindungen für die Stillegung von Mühlenbetrieben (z. B. Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Finanzen vom 11. April 1972 F/IV B 2 - S 2242 - 3/72, Der Betrieb 1972 S. 752); - vgl. auch Abschn. 139 Abs. 2 EStR 1967; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 16 EStG Anm. 180 und 403; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 11. Aufl. 1974, § 16 Anm. 27.
2. Im Streitfall erscheint es nach dem Wortlaut der Vereinbarung zweifelhaft, ob ein ausreichender Zusammenhang zwischen der Entschädigungsleistung und einer begünstigten Aufgabe des Teilbetriebes "Sägewerk" i. S. von § 16 EStG besteht. Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen nicht aus, diese Frage abschließend zu entscheiden. Daß die Entschädigung "auch zur Abgeltung betrieblicher Nachteile" gewährt worden ist, schließt die Möglichkeit des Vorliegens eines begünstigten Aufgabegewinns nach den Ausführungen unter 2. nicht ohne weiteres aus. Dieser Umstand mag für die Annahme sprechen, es handle sich nicht um eine begünstigte Betriebsaufgabe bzw. es fehle an dem erforderlichen wirtschaftlichen Zusammenhang der Zahlung mit der später erfolgten Stillegung. Gerade diese Fragen hat das FG aber ausdrücklich offengelassen. Die Dauer der Abwicklung im Streitfall muß der Annahme einer begünstigten Teilbetriebsaufgabe nicht entgegenstehen (vgl. Urteil des BFH vom 16. September 1966 VI 118, 119/65, BFHE 87, 134, BStBl III 1967, 70). Die Sache ist daher zur Nachholung dieser Prüfung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 71756 |
BStBl II 1976, 224 |
BFHE 1976, 483 |