Leitsatz (amtlich)
1. Wählt ein Steuerpflichtiger auf einer Dienstreise eine Übernachtungsmöglichkeit im Einzugsbereich seines Zielortes und fährt er von dort täglich mit seinem PKW zu dem Ort seiner Tätigkeit, so gehören diese Fahrtkosten grundsätzlich zu den als Werbungskosten abzugsfähigen Aufwendungen der Dienstreise. Sie sind in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten steuerlich zu berücksichtigen.
2. Erstreckt sich eine Dienstreise über mehrere Wochen und kehrt der Steuerpflichtige an den Wochenenden zum Ort seines Lebensmittelpunktes zurück, so gehören die Heimfahrtkosten grundsätzlich zu den steuerlich berücksichtigungsfähigen Kosten der Dienstreise. Das gilt auch für ledige Steuerpflichtige.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1; LStDV § 20 Abs. 2; LStR 1970 Abschn. 21 Abs. 4, 6, 11
Tatbestand
Der ledige Kläger und Revisionskläger (Kläger) trat zum 1. Juli 1971 als Prüfer im Außendienst in den Dienst der Bundesvereinigung X in K. Im Mai 1971 gab er seine Wohnung in B auf und zog zu seinen Eltern nach I. Im Lohnsteuer-Jahresausgleich 1971 begehrte er die Anerkennung nicht ersetzter Reisekosten als Werbungskosten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) ließ einen Teil der Fahrtkosten zum Abzug zu. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das FG wies die Klage ab. Es führte aus:
Bei der Dienstreise nach München seien die Kosten für tägliche Fahrten zwischen München und dem Hotel in Starnberg steuerlich nicht anzuerkennen, weil der Kläger das Hotel in Starnberg aus privaten Gründen gewählt habe. Entsprechendes gelte auch für die Dienstreise nach Tübingen, bei der der Kläger in einem 12 km von Tübingen entfernten Hotel gewohnt habe. Die Reise nach seinem Wohnort I vom 30. Oktober 1971 bis 1. November 1971 sei eine Privatfahrt gewesen, da der Kläger als Lediger keine Familienheimfahrten in Anspruch nehmen könne. Es sei ohne Bedeutung, daß er für die Fahrt am 1. November 1971 (Allerheiligen) vom Arbeitgeber Dienstbefreiung erhalten habe.
Mit der Revision rügt der Kläger falsche Auslegung des Werbungskostenbegriffs.
Bei seinem Aufenthalt in München habe er ein Hotel in Starnberg als ein ihm gemäßeres Freizeitangebot gewählt, von dem aus er dienstlich täglich nach München gefahren sei.
Die Heimfahrt nach I sei steuerlich nicht anerkannt worden, obwohl die Erstattung des Arbeitgebers in Höhe der Bahnkosten von ihm versteuert worden sei. Bei Ledigen werde bei doppelter Haushaltsführung im allgemeinen eine Fahrt monatlich steuerlich berücksichtigt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Entgegen der Ansicht des FG ist die berufliche Veranlassung der täglichen Fahrten des Klägers zwischen München und dem Hotel in Starnberg anläßlich seiner mehrtägigen Dienstreise nach München und zwischen Tübingen und dem 12 km entfernt liegenden Hotel während seiner 16tägigen Tätigkeit in Tübingen zu bejahen. Bei Dienstreisen mit dem eigenen PKW gehören die vom Arbeitgeber nicht ersetzten Fahrtkosten gemäß § 20 Abs. 2 LStDV, § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG grundsätzlich zu den Werbungskosten. Ist eine Dienstreise mit einer oder mehreren Übernachtungen am Zielort verbunden, so entstehen Kosten auch für Fahrten vom Hotel zur Stätte der beruflichen Tätigkeit. Dies gilt entsprechend, wenn der Steuerpflichtige am Ort seiner beruflichen Tätigkeit keine Übernachtungsmöglichkeit findet oder aus anderen Gründen eine Übernachtungsmöglichkeit in einiger Entfernung vom Zielort wählt. Der Gesetzgeber hat in § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte grundsätzlich als Werbungskosten und damit als beruflich veranlaßt anerkannt, ohne auf die Gründe abzustellen, weshalb der Arbeitnehmer eine von seinem Arbeitsplatz mehr oder minder entfernt liegende Wohnung gewählt hat.
Der in dieser Vorschrift enthaltene Grundgedanke ist im Streitfall entsprechend anzuwenden. Wählt daher ein Steuerpflichtiger auf einer Dienstreise eine Übernachtungsmöglichkeit im Einzugsbereich seines Zielortes (so z. B., wenn er in Starnberg als einem Ort im Einzugsgebiet des Zielorts München übernachtet) und fährt er von dort zu dem Ort seiner Tätigkeit, so gehören die dadurch entstandenen Fahrtkosten zu den steuerlich abzugsfähigen Kosten der Dienstreise. Sie sind grundsätzlich ohne Rücksicht darauf, aus welchen Gründen die mehr oder minder entfernte Übernachtungsmöglichkeit gewählt wurde, steuerlich anzuerkennen. Da Übernachtungsmöglichkeiten auf einer Dienstreise in der Regel keine "Wohnung" im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG begründen, sind die Fahrtkosten in solchen Fällen nicht mit dem dort genannten Satz von 0,36 DM je Entfernungskilometer, sondern mit dem nachgewiesenen tatsächlichen Aufwand oder den Pauschbetrag von 0,25 DM je zurückgelegtem Kilometer (Abschn. 21 Abs. 6 und 11 LStR 1970) zu berücksichtigen.
Das Urteil des FG, das von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war daher aufzuheben und die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das FG zurückzuverweisen. Das FG wird nocht festzustellen haben, ob der Kläger in Starnberg und dem 12 km von Tübingen entfernten Hotel gewohnt hat und welche Fahrtkosten ihm entstanden sind.
Entgegen der Ansicht des FG sind auch die Kosten der Heimfahrt des Klägers nach I vom 30. Oktober 1971 bis 1. November 1971 steuerlich als Werbungskosten berücksichtigungsfähig. Sie sind grundsätzlich Werbungskosten, weil sie durch das Dienstverhältnis veranlaßt sind; denn ohne Antritt der Dienstreise wären dem Kläger die streitigen Kosten für die Heimfahrt nicht entstanden. Der Kläger kann zwar als Lediger grundsätzlich keine Kosten für Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG geltend machen, da er im allgemeinen keinen doppelten Haushalt führt (vgl. Urteil des Senats vom 19. November 1971 VI R 132/69, BFHE 103, 533, BStBl II 1972, 155). Diese Vorschrift greift im Streitfall jedoch schon deshalb nicht ein, weil der Kläger bei seinen ständig wechselnden Dienstreisen an den jeweiligen Beschäftigungsorten weder "wohnte" noch dort seinen Haushalt unterhielt. Im Streitfall sind die Heimfahrtkosten erst recht als dienstlich veranlaßt anzuerkennen, weil der Arbeitgeber zu dieser Heimfahrt vom 30. Oktober 1971 bis 1. November 1971 einen Zuschuß geleistet hatte, den der Kläger versteuert hat. Das FG wird noch festzustellen haben, welche Kosten dem Kläger für die Heimfahrt im einzelnen entstanden sind.
Fundstellen
Haufe-Index 72236 |
BStBl II 1977, 294 |
BFHE 1977, 190 |
NJW 1977, 832 |