Leitsatz (amtlich)
1. Eine Wohnung, die der Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebs in zeitlichem Zusammenhang mit der Verpachtung seines Betriebs errichtet und bezieht, weil er die auf der Hofstelle gelegene Wohnung für den Pächter zu räumen hat, gehört nicht zum Betriebsvermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs.
2. Ein in städtischer Wohnlage errichtetes Einfamilienhaus ist in der Regel nicht dazu bestimmt, einem aussetzenden Forstbetrieb mit nicht mehr als 30 ha Waldfläche dauernd zu dienen.
Normenkette
EStG § 13 Abs. 2 Nr. 2; BewG 1965 §§ 33-34
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die alleinige Erbin ihres im Jahr 1960 verstorbenen Vaters. Dieser war Inhaber eines land- und forstwirtschaftlichen, am Stadtrand von X gelegenen Betriebs von 82,3664 ha Gesamtfläche. Er hatte den Hof ab 1955 - ohne einen dazugehörigen Forst von 24,6475 ha und ohne eine als Kleingartengelände bereits verpachtete Fläche von etwa 4 ha - verpachtet. Das auf der Hofstelle bei den Wirtschaftsgebäuden stehende Wohngebäude, in dem er bis dahin mit seiner Familie gewohnt hatte, mußte er bis spätestens Ende 1955 für die Pächterin räumen. Er bezog im Laufe des Jahres 1955 mit seiner Familie das Einfamilienhaus, das er auf einer zu seinem Hof gehörenden, nicht mitverpachteten Parzelle neu errichtet hatte. Das Grundstück liegt, angrenzend an ein Wohngebiet, von der Hofstelle etwa 400 m entfernt und ist von den angrenzenden landwirtschaftlichen Nutzflächen des verpachteten Betriebs durch eine Straße getrennt. Bei der Einheitsbewertung wurde das Grundstück als Grundvermögen bewertet. Gegen Ende 1966 veräußerte die Klägerin den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb im ganzen mit der Hofstelle und dem Forst, ausgenommen eine Restfläche von 4,2763 ha. Das Einfamilienhaus wurde nicht mitveräußert.
Bei der Ermittlung des Gewinns aus der Betriebsveräußerung gingen die Beteiligten übereinstimmend davon aus, daß der verpachtete Betrieb als land- und forstwirtschaftliches Vermögen fortgeführt worden war, weil die Klägerin und zuvor ihr Vater keine Betriebsaufgabe erklärt hatten. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) vertrat bei der Einkommensteuerveranlagung und in der Einspruchsentscheidung die Ansicht, daß das Einfamilienhaus bis zur Betriebsveräußerung zum Betriebsvermögen gehört habe und dann notwendigerweise in das Privatvermögen überführt worden sei. Demgemäß erhöhte das FA den steuerpflichtigen Gewinn aus der Betriebsveräußerung um den Gebäudeteilwert des Einfamilienhauses, vermindert um die fortgeführten Gebäudeherstellungskosten.
Die Klage hatte in diesem Streitpunkt Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Ansicht, daß das Einfamilienhaus nicht zum Betriebsvermögen des verpachteten landwirtschaftlichen Betriebs und des eigenbewirtschafteten Forstbetriebs gehört habe, sondern von Anfang an Privatvermögen gewesen sei.
Mit der Revision rügt das FA eine Verletzung von § 13 Abs. 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Es macht geltend, nach dieser Bestimmung gehöre bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben die Wohnung des Betriebsinhabers zum Betriebsvermögen, wenn die Wohnung die bei gleichartigen Betrieben übliche Größe nicht überschreite. Auf die Größe allein, nicht auf die Lage oder Gestaltung der Wohnung komme es an. Das Wohngebäude des Betriebsinhabers müsse nicht neben den Wirtschaftsgebäuden, es könne auch abgesondert von der Hofstelle neben den landwirtschaftlichen Nutzflächen liegen. Es sei nicht erforderlich, daß in der Wohnung Büro- oder Geräteräume vorhanden seien. Das Gesetz habe eine unwiderlegliche Vermutung dahingehend aufgestellt, daß zwischen der Wohnung des Betriebsinhabers und dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe und daß die Wohnung für den Betriebsinhaber zur Führung der Land- und Forstwirtschaft notwendig sei. Das gelte auch im Falle der Fortführung verpachteter Betriebe ohne Abgabe einer Betriebsaufgabeerklärung. Das Forstareal sei überdies nicht mitverpachtet, sondern bis zur Veräußerung des Betriebs im ganzen selbst bewirtschaftet worden. Dem Gesetz könne nicht entnommen werden, daß nur bei Vorliegen engerer Voraussetzungen die Wohnung des Betriebsinhabers für den Forstwirt zur Bewirtschaftung als erforderlich und demzufolge das Wohngebäude als Betriebsvermögen anzusehen sei. Die bewertungsrechtliche Zuordnung des Einfamilienhauses beim Grundvermögen sei für die Festsetzung der Einkommensteuer nicht verbindlich.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung eines um die stillen Reserven des Wohngebäudes erhöhten Veräußerungsgewinns festzusetzen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG ist zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, daß für das Einfamilienhaus kein Entnahmegewinn anzusetzen ist, der in den Gewinn aus der Veräußerung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs einzubeziehen wäre (§ 14 EStG), weil das Einfamilienhaus nicht zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehört hat.
Wenn das Einkommensteuerrecht vorschreibt, daß der Nutzungswert der Wohnung des Land- und Forstwirts - unter bestimmten Bedingungen - zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gehört, setzt es damit voraus, daß in diesen Fällen das Gebäude oder der Gebäudeteil, in dem sich die Wohnung des Land- Forstwirts befindet, zum notwendigen Betriebsvermögen gehört (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Januar 1980 IV R 33/76, BFHE 129, 543, BStBl II 1980, 323). Die sachliche Rechtfertigung dieser Zurechnung liegt darin, daß das Wohngebäude wegen seiner Nutzung durch den Betriebsinhaber und dessen Familienangehörige, die von hier aus ihre Tätigkeit im Betrieb unmittelbar ausüben und diesen ständig überwachen können, ein notwendiger Bestandteil der in der Regel geschlossenen Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs darstellt (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 14. Januar 1932 VI A 1945/31, RStBl 1932, 389; BFH-Urteile vom 4. April 1968 IV 210/61, BFHE 92, 15, BStBl II 1968, 411, und in BFHE 129, 543, BStBl II 1980, 323).
Nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG gehört der Nutzungswert der Wohnung nur dann nicht zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft und demzufolge das Wohngebäude nicht zum notwendigen Betriebsvermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, wenn die Wohnung die bei gleichartigen Betrieben übliche Größe überschreitet. Demgegenüber gehört nach § 33 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen die Wohnung des Betriebsinhabers - ebenso wie die anderen Wirtschaftsgüter - nur, wenn sie einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dauernd zu dienen bestimmt ist; hiervon geht das Gesetz für den Regelfall aus (§ 33 Abs. 2 BewG). Dies beruht auf der Erwägung, daß im Bereich der Land- und Forstwirtschaft, anders als bei Gewerbetreibenden und bei Angehörigen der freien Berufe, zwischen Betrieb und Wohnung im Regelfall aufgrund der wirtschaftlichen Gegebenheiten eine unlösbare Einheit besteht. Da dieselben Erwägungen den Gesetzgeber dazu veranlaßt haben, in § 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG den Nutzungswert der Wohnung grundsätzlich den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zuzuordnen, hält es der Senat für gerechtfertigt, die für das Bewertungsrecht geltenden Abgrenzungsmerkmale für die Zugehörigkeit einer Wohnung zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (vgl. u. a. Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, Abschn. A Rdnrn. 33 ff.) zusätzlich auch für die Auslegung des § 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG heranzuziehen. Der Senat hat demgemäß entschieden, daß entsprechend dem BewG bei einem Land- und Forstwirt auch einkommensteuerrechtlich die Zugehörigkeit seiner Wohnung zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen voraussetzt, daß die Wohnung dazu bestimmt ist, dauernd dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu dienen und deshalb mit dem Betrieb eine wirtschaftliche Einheit bildet (BFHE 129, 543, 549, BStBl II 1980, 323). An diesen Grundsätzen hält der Senat fest. Es trifft demnach nicht zu, daß bei Land- und Forstwirten das Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit zwischen dem Betrieb und der Wohnung des Betriebsinhabers unwiderleglich vermutet werde. Bei land- und forstwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieben kann es im Einzelfall je nach den betriebsindividuellen Verhältnissen an der wirtschaftlichen Einheit zwischen Betrieb und Betriebsinhaberschaft fehlen; die Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Einheit sind aber in der Regel erfüllt, wenn der Betriebsinhaber oder einer seiner Familienangehörigen wegen der laufenden Versorgung eines Mindestbestands an Vieh an den Betrieb gebunden ist (BFHE 129, 543, BStBl II 1980, 323).
Eine vergleichbar enge Bindung an den Betrieb besteht nicht, wenn der Betreibseigentümer seinen landwirtschaftlichen Betrieb verpachtet und dem Pächter die Bewirtschaftung überläßt. Bei der Verpachtung eines landwirtschaftlichen Betriebs ist der Pächter und nicht der Verpächter als Betriebsinhaber anzusehen. Der Verpächter bleibt, sofern er nicht die Betriebsaufgabe erklärt, zwar Eigentümer des landwirtschaftlichen Betriebsvermögens, aber er führt und unterhält den Betrieb nicht. Diese Aufgabe fällt vielmehr dem Pächter zu, der mit Beginn der Pachtzeit von dem Verpächter die Funktion des Betriebsinhabers übernimmt. Bewohnt der Pächter für die Dauer der Betriebspacht die auf der Hofstelle gelegene Wohnung, so ist diese freilich weiterhin zum notwendigen Betriebsvermögen des verpachteten landwirtschaftlichen Betriebs zu rechnen. Dagegen gehört, wenn der Betriebseigentümer bei der Verpachtung seines Betriebs seine alte Wohnung, von der aus er bisher seinen Betrieb geleitet und überwacht hat, räumt und in eine Wohnung in einem neu errichteten Wohngebäude einzieht, die neue Wohnung nicht ebenfalls zum Betriebsvermögen des verpachteten landwirtschaftlichen Betriebs (vgl. Erlaß des Finanzministers Nordrhein-Westfalen vom 23. Februar 1968, Deutsche Steuer-Zeitung/Ausgabe B 1968, 138; Hoffmeister, Finanz-Rundschau 1973, 295; Richter, Die Information über Steuer und Wirtschaft 1974, 457, 458). Auf die Lage und Gestaltung der Verpächterwohnung kommt es dabei nicht wesentlich an, weil der Verpächter während der Pachtzeit ohnehin keine enge Bindung an den Betrieb hat.
Es fehlt auch an einem wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Einfamilienhaus und dem Forstareal. Es ist zwar anerkannt, daß ein Forstareal von einer gewissen Mindestgröße ohne weitere Betriebseinrichtungen als forstwirtschaftlicher Betrieb oder Teilbetrieb anzusehen ist (BFH-Urteil vom 5. November 1981 IV R 180/77, BFHE 134, 426, BStBl II 1982, 158, m. w. N.). Dabei genügt eine Waldung von beispielsweise 5,55 ha zusammenhängender bestockter Waldfläche (BFH-Urteil vom 9. Dezember 1960 IV 67/58 U, BFHE 72, 331, BStBl III 1961, 124). Dies kann aber nicht dazu führen, daß das Wohngebäude des Eigentümers eines Forstareals einer gewissen Mindestgröße zum notwendigen Betriebsvermögen des Forstbetriebs wird. Bei einem aussetzenden Forstbetrieb von nicht mehr als 30 ha Waldfläche tritt das für landwirtschaftliche Betriebe kennzeichnende Element der fortlaufenden Bearbeitung und Bestandspflege mit den dazu erforderlichen Betriebsmitteln zurück (BFHE 134, 426, BStBl II 1982, 158). Derartige Verhältnisse sind bei sog. Bauernwaldungen - wie auch im vorliegenden Fall - häufig anzutreffen. Wie das FG festgestellt hat, wurde von der Klägerin oder von ihrem Vater keinerlei Waldpflege betrieben. Wenn in unregelmäßigen Abständen gewisse Nutzungen erfolgten, so geschah dies in der Weise, daß Holz auf dem Stamm verkauft und die erforderlichen Holzeinschlagsarbeiten von den Käufern selbst ausgeführt wurden. Sonstige etwa erforderliche Arbeiten wurden gewerblichen Firmen in Auftrag gegeben, weil die Klägerin oder ihr Vater zur Waldpflege und Waldbewirtschaftung weder Betriebsmittel oder Arbeitsgerät innehatten noch Arbeitskräfte beschäftigten. Unter diesen Umständen ist das in städtischer Wohnlage errichtete Einfamilienhaus nicht als wirtschaftlicher Mittelpunkt des forstwirtschaftlichen Betriebs anzusehen.
Fundstellen
Haufe-Index 74308 |
BStBl II 1982, 536 |
BFHE 1982, 446 |