Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen im Sinne des § 33a EStG 1950 bei Abzahlungsgeschäften.
Normenkette
EStG § § 33, 33a/1, § 33a/2
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Flüchtling. Er ist verheiratet und Vater von drei minderjährigen Kindern. Er hat für 1951 Aufwendungen für die Wiederbeschaffung von Hausrat und Kleidung geltend gemacht, die insgesamt 2.069,50 DM betragen. Hierin sind 12 Monatsraten (12 x 94 DM = 1.128 DM) enthalten, die der Bf. im Jahre 1951 an die Kreissparkasse X zur Tilgung einer von ihm bei der Kreissparkasse im Jahre 1950 in Anspruch genommenen Finanzierungshilfe (Möbelsparhilfe) gezahlt hat. Es handelt sich hierbei um folgendes:
Der Bf. hat im Jahre 1950 in einem Möbelgeschäft Möbel gekauft. Er war mit dem Möbelhändler übereingekommen, daß der Kaufpreis sofort in einer Summe durch die Kreissparkasse X gezahlt werden sollte, während er selbst an die Kreissparkasse nach Vorausentrichtung eines Drittels der Kaufsumme den Rest in monatlichen Raten zurückzuzahlen hatte. Der Bf. ist der Auffassung, die Tilgungsraten seien Wiederbeschaffungsaufwendungen und im Zeitpunkt ihrer Zahlung - hier im Kalenderjahr 1951 - steuerlich zu berücksichtigen.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht hat ausgeführt, daß die Vorschrift des § 33 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) eine Erhöhung des Freibetrags bis zur doppelten Höhe des Pauschsatzes (= 1.560 DM) zulasse. Voraussetzung hierfür sei, daß entsprechende Ausgaben für die Wiederbeschaffung von Kleidung und Hausrat nachgewiesenermaßen im Kalenderjahr 1951 geleistet worden sind. Die Kaufsumme für die Möbel sei unstreitig in voller Höhe im Jahre 1950 an den Möbelhändler gezahlt worden. Diese Ausgabe sei daher im Jahre 1950 und nicht im Jahre 1951 geleistet worden. Sie könne daher im Rahmen des § 33 a EStG nicht im Kalenderjahre 1951 berücksichtigt werden. Es sei unerheblich, ob die Anschaffung mit eigenen oder mit fremden Mitteln erfolgt sei.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt, daß das Finanzgericht das Wesen der Möbelsparhilfe und der in dem Darlehnsvertrag festgelegten Bedingungen verkannt habe. Aus diesen Bedingungen sei zu entnehmen, daß praktisch für die auf Raten gezahlten Möbel der Verkäufer ausgewechselt werde, indem an Stelle des Möbelhändlers, der so weitgehende Ratenzahlungen nicht gewähren könne, die Kreissparkasse X getreten sei. Da im übrigen die gesetzlichen Bestimmungen für Abzahlungsgeschäfte vereinbarungsgemäß anwendbar blieben, handle es sich um einen Kauf auf Raten, die erst im Jahre 1951 gezahlt worden seien. Diese Zahlungen seien daher keine Rückzahlungen auf ein Darlehen. Sie müßten im Rahmen des § 33 a EStG als Aufwendungen des Kalenderjahres 1951 anerkannt werden.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Steuerpflichtigen ist begründet.
Für die Bestimmung des Begriffs des Abzahlungsgeschäfts ist maßgebend das "Gesetz betreffend die Abzahlungsgeschäfte" vom 16. Mai 1894. Unter Abzahlungsgeschäft im Sinne dieses Gesetzes ist regelmäßig ein Geschäft zu verstehen, das auf die übertragung des Eigentums an einer dem Erwerber übergebenen beweglichen Sache gerichtet ist, wobei der Kaufpreis in Teilzahlungen entrichtet werden soll und der Verkäufer sich das Recht vorbehalten hat, wegen Nichterfüllung der dem Käufer obliegenden Verpflichtungen von dem Vertrage zurückzutreten. Siehe Aubele "Abzahlungsgeschäft" 2. Auflage Anmerkung 1 bis 2 zu § 1. Da die Abzahlungsgeschäfte als Kreditgeschäfte an die Finanzierungsmöglichkeiten des Verkäufers, besonders wenn dieser Abzahlungsgeschäfte in großer Zahl tätigt, erhebliche Anforderungen stellen, werden häufig Finanzierungs- bzw. Kreditinstitute in die Abzahlungsgeschäfte einbezogen. Die Kundenfinanzierung - auf die es im Streitfall ankommt - erfolgt in der Regel in der Weise, daß das Kreditinstitut dem Käufer den gesamten Kaufpreis oder einen erheblichen Teil zur Verfügung stellt oder für Rechnung des Käufers an den Verkäufer leistet, während der Käufer den ihm von dem Kreditinstitut eingeräumten Kredit durch Ratenzahlungen abträgt. Siehe Aubele, a. a. O. Anmerkung 8 zu § 6, sowie Klauss "Abzahlungsgeschäfte" 1950, Anmerkung 492 ff. Auch bei Zwischenschaltung von Kreditinstituten hat das Reichsgericht das Vorhandensein eines Abzahlungsgeschäfts bejaht, allerdings zunächst nur unter der Voraussetzung, daß Verkäufer und Kreditgeber wirtschaftlich voneinander abhängig sind (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 128 S. 254). In einer späteren Entscheidung (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 152 S. 286) hat das Reichsgericht dieses Kriterium fallen gelassen und nur noch verlangt, daß eine wirtschaftliche Verbindung zwischen dem Verkäufer und dem Kreditgeber bestehen müsse. Der Bundesgerichtshof ist noch einen Schritt weiter gegangen und hat das Vorliegen eines Abzahlungsgeschäfts auch dann bejaht, "wenn die Verpflichtung des Käufers zur Entrichtung des Kaufpreises in Teilzahlungen in einem von dem Käufer im Einverständnis aller Beteiligten mit einem Dritten geschlossenen Darlehnsvertrag, der dem Käufer die alsbaldige Bezahlung des Kaufpreises ermöglicht, durch die Verpflichtung des Käufers zur Rückzahlung des Darlehens in Teilzahlungen ersetzt wird". Vgl. Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 3 S. 257 sowie Entscheidungen des Oberlandesgerichts Bremen in Neue Juristische Wochenschrift 1952 S. 347. Zur Feststellung ob ein Abzahlungsgeschäft vorliegt, kommt es nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte in erster Linie auf den wirtschaftlichen Zweck eines Geschäfts und nicht auf seine äußere Rechtsform an.
Der erkennende Senat trägt keine Bedenken, diese von den Zivilgerichten entwickelten Rechtsgrundsätze auch im Streitfall anzuwenden. Hiernach ergibt sich folgendes:
Der Kaufvertrag zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Möbelhändler sowie der Darlehnsvertrag zwischen dem Steuerpflichtigen und der Kreissparkasse sind auf Grund formularmäßiger Verträge abgeschlossen worden. Bei Abschluß eines Spar- und Darlehnsvertrags mit der Sparkasse sieht der Kaufvertrag zwischen Möbelhändler und Kunden die Abtretung der entsprechenden Forderung des Käufers gegen die Sparkasse aus seinem Sparguthaben und aus der Darlehnsforderung an den Verkäufer vor.
Bis zur vollständigen Rückzahlung des dem Käufer gewährten Darlehens zuzüglich Kosten und Zinsen - für welchen Anspruch im Fall des Abschlusses eines Spar- und Darlehnsvertrags mit der Sparkasse der Verkäufer gegenüber der Sparkasse die selbstschuldnerische Bürgschaft übernimmt - bleiben die Gegenstände unveräußerliches Eigentum des Verkäufers. Der Verkäufer ist berechtigt, den Anspruch aus diesem Eigentumsvorbehalt an die Sparkasse abzutreten.
Die Gegenstände sind von der Sparkasse zu Lasten des Verkäufers gegen Feuer, Einbruchdiebstahl usw. versichert.
Aus den Bedingungen des Spar- und Darlehnsvertrags ergibt sich u. a., daß die Auszahlung der Vertragssumme (Spareinlage und Darlehen) durch die Sparkasse nach Vorlage des Sparkassenbuchs unmittelbar an die Möbelfirma erfolgt.
Als Lieferanten kommen nur solche Firmen in Frage, die von der Sparkasse für derartige Lieferverträge anerkannt wurden.
Aus dem Formular für den Spar- und Darlehnsvertrag geht weiterhin hervor, daß der Möbelhändler für den Käufer die Verpflichtungen gemäß dem Vertrag übernimmt.
Die Bedingungen des Kaufvertrags und des mit ihm gekoppelten Darlehnsvertrags zeigen, daß zwischen dem Möbelhändler und der Sparkasse eine wirtschaftliche und teilweise auch rechtliche Verbindung besteht. Der Darlehnsvertrag ermöglicht dem Käufer die alsbaldige Zahlung des Kaufpreises. Die Verpflichtung des Käufers zur Entrichtung des Kaufpreises in Teilzahlungen ist durch die Verpflichtung zur Rückzahlung des Darlehens in Teilzahlungen ersetzt worden.
Nach der oben dargestellten und von dem erkennenden Senat gebilligten Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs sind die von dem Steuerpflichtigen im Jahre 1951 geleisteten Teilzahlungen zur Rückzahlung des Darlehens tatsächlich und wirtschaftlich Teilzahlungen auf den Kaufpreis und daher in diesem Jahre steuerlich zu berücksichtigen.
Zu einem anderen Ergebnis würde man im übrigen auch dann nicht kommen, wenn die Teilzahlungen auch wirtschaftlich Rückzahlungen auf das Darlehen darstellten, weil die durch den Möbelkauf hervorgerufene Belastung des Steuerpflichtigen nicht schon durch die Aufnahme des Darlehens, sondern erst durch die Aufwendungen zu dessen Rückzahlung eingetreten ist.
Da die Vorbehörden die Rechtslage verkannt haben, waren die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 31. Juli 1953 und der Einkommensteuerbescheid vom 19. Januar 1953 aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.
Im § 33 a EStG 1951 sind die Ansprüche der in dieser Vorschrift genannten Personenkreise auf Steuerermäßigung für die Aufwendungen zur Wiederbeschaffung von Hausrat und Kleidung ausschließlich geregelt. Siehe Urteil des Bundesfinanzhofs IV 376/51 S vom 16. Oktober 1952 (Slg. Bd. 56 S. 773, Bundessteuerblatt 1952 III S. 298). Die Berechnung der Einkommensteuer hat daher im Streitfall unter Zugrundelegung dieser Vorschrift und nicht - wie der Steuerpflichtige hilfsweise geltend gemacht hat - gemäß § 33 Abs. 1 EStG zu erfolgen. Die Einkommensteuer 1951 berechnet sich daher wie folgt:
Einkommen ------------------------------------ 7.298 DM - (941 + 1.128) DM, höchstens jedoch --------- 1.560 DM zu versteuern -------------------------------- 5.738 DM.Die Einkommensteuer war daher nach Steuerklasse III/3 auf 405 DM festzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 408188 |
BStBl III 1955, 207 |
BFHE 1956, 23 |
BFHE 61, 23 |