Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Bei den im Buchhandel üblichen Bedingt-Geschäften fehlt es vor der Erteilung der endgültigen Rechnung, das heißt vor einer übernahmeerklärung durch den Sortimenter oder vor einem Weiterverkauf der Bücher durch den Sortimenter, an einer Entgeltsvereinbarung.
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen bei Beistellung ganz geringfügiger Zutaten durch den Besteller eines Werks der Besteller (Auftraggeber) die Großhandelsvergünstigung nach § 7 Abs. 3 UStG für die Weiterlieferung der Ware in Anspruch nehmen kann.
Normenkette
UStG § 3 Abs. 2, § 3/4, § 7 Abs. 3, § 14; StAnpG § 3/5/4/b; UStDB §§ 12, 57
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Stpfl.) betreibt ein Verlagsunternehmen und versteuert ihre Umsätze nach vereinbarten Entgelten. Im Rechtsbeschwerdeverfahren sind nur noch zwei Fragen streitig.
Nach Auffassung der Stpfl. müsse der steuerpflichtige Gesamtumsatz des Veranlagungszeitraums 1955 um die Beträge gekürzt werden, die auf die sogenannten Bedingt-Geschäfte entfielen.
Die Stpfl. sendet Bücher ohne feste Kaufvereinbarung mit einer vorläufigen Rechnung und unter vorläufiger Verbuchung an Buchhandlungen (Sortimenter). Der Sortimenter hat das Recht, die Bücher innerhalb einer bestimmten Frist zurückzusenden oder sie zu übernehmen und zu verkaufen. Ein Kauf kommt erst bei einer Weiterveräußerung durch den Sortimenter oder bei dessen ausdrücklicher übernahmeerklärung zustande. Solchenfalls werden endgültige Rechnungen ausgestellt und der Vorgang endgültig verbucht.
Das Finanzamt vertritt die Auffassung, daß bereits in der Bedingt-Rechnung eine Entgeltsvereinbarung zu erblicken sei.
Die Stpfl. läßt Bücher durch Druckereien herstellen und hat den Druckereien Titelbilder und überzugspapier zur Verfügung gestellt. Diese Gegenstände hatte sie von anderen Unternehmern erworben. Während die Stpfl. für die Weiterlieferung der von der Druckerei unter Verwendung der Titelbilder und des überzugspapiers verkaufsfähig hergestellten Bücher die Großhandelsvergünstigung nach § 7 Abs. 3 UStG in Anspruch nimmt, hat das Finanzamt eine steuerlich schädliche Beistellung angenommen.
Im Berufungsverfahren hatte die Stpfl. in diesen beiden Punkten Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist nicht begründet.
Bei der Sollversteuerung (§ 14 UStG) entsteht die Steuerschuld bereits mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Lieferung oder sonstige Leistung ausgeführt worden ist (§ 3 Abs. 5 Ziff. 4 b des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -). Der Zeitpunkt der Leistung entscheidet deshalb darüber, in welchem Zeitabschnitt ein Umsatz in der Voranmeldung oder in der Jahreserklärung zu berücksichtigen ist. Wird ausnahmsweise eine Lieferung oder sonstige Leistung bewirkt, bevor ein Entgelt vereinbart ist, so ist wohl die Steuerschuld dem Grunde nach schon entstanden, sie ist aber der Höhe nach noch nicht feststellbar. Würden solchenfalls Abschlagszahlungen geleistet, so könnten diese wohl als vorläufiger Bemessungsmaßstab dienen. Ist jedoch, wie im Streitfall, das Kaufgeschäft nach den besonderen Gepflogenheiten im Buchhandel, wie das Finanzgericht unter Bezugnahme auf eine Auskunft des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e. V. ausgeführt hat, als ein einem aufschiebend bedingten Kauf angenähertes Vertragsverhältnis eigener Art anzusehen, so wird man der Stpfl. darin zustimmen müssen, daß eine Entgeltsvereinbarung vor der endgültigen Rechnungserteilung noch nicht vorliegt. Es ist vor diesem Zeitpunkt völlig offen, ob der Sortimenter die Bücher behält oder wieder zurücksendet. Er ist bis zum vereinbarten Fristablauf darin frei, ob er alle Bücher zurücksendet oder alle Bücher übernimmt oder auch nur einen Teil der Bücher. Ist der Sortimenter auch durch die vorläufige Rechnung über den Endverkaufspreis unterrichtet, so kann doch der dem Sortimenter eingeräumte Rabatt und somit das Entgelt zwischen Stpfl. und Sortimenter durch das Ausmaß der Bestellungen noch beeinflußt werden; auch sonst sind änderungen des Preises nicht ausgeschlossen. Die der übersendung der Bücher beigefügte Rechnung hat deshalb nur vorläufigen Charakter, so daß es trotz Verschaffung der Verfügungsmacht im Sinne des § 2 UStDB an einer Entgeltsvereinbarung fehlt. Ein zunächst nur einseitiges Verhalten der Stpfl. erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Annahme eines steuerpflichtigen Umsatzes nach § 14 Abs. 2 in Verbindung mit § 1 Ziff. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 UStG. Zutreffend hat das Finanzgericht auch darauf hingewiesen, daß nicht etwa ein Kommissionsgeschäft anzunehmen ist, weil der Sortimenter im Fall der übernahme der Bücher für eigene Rechnung und nicht, wie § 383 HGB voraussetzt, für fremde Rechnung tätig wird. Im übrigen sieht der Senat auch sonst keinen Anlaß, einen Lieferungsvorgang, der im hier in Betracht kommenden Veranlagungszeitraum noch völlig in der Schwebe ist und sich erst durch Zeitablauf bzw. eine nicht voraussehbare Entschließung des Abnehmers in einen alle Merkmale einer umsatzsteuerrechtlichen Lieferung umfassenden Steuertatbestand wandelt, schon während des Bestehens des Schwebezustandes zur Steuer heranzuziehen. Die Auffassung der Rb. würde dazu führen, ein seit je im Buchhandel übliches Geschäft ohne zwingende Notwendigkeit zu erschweren. Eine die Gepflogenheiten des Buchhandels berücksichtigende Beurteilung des Sachverhalts wird in der übersendung der Bücher mit vorläufiger Rechnung deshalb nur ein modifiziertes Kaufangebot sehen.
Die Druckerei hat an die Stpfl. eine Werklieferung bewirkt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 150/55 S vom 21. September 1955, BStBl 1955 III S. 334, Slg. Bd. 61 S. 354), zu der die Stpfl. Titelbilder und überzugspapier beigestellt hat. Es ist davon auszugehen, daß die Stpfl. diese Gegenstände nicht an die Druckerei geliefert hat, weil sie dieser nicht die umsatzsteuerliche Verfügungsmacht über Titelbilder und überzugspapier verschafft hat; denn die Druckerei war gehalten, die Gegenstände nur für die von der Stpfl. bestellten Bücher zu verwenden. Aus dem Gesichtspunkt des § 3 Abs. 2 UStG und des Bearbeitungsverbots (§ 12 UStDB) wäre gegen die Anwendung des § 7 Abs. 3 UStG nichts einzuwenden. Jedoch hat die Rechtsprechung in solchen Fällen angenommen, daß der Auftraggeber für die Weiterlieferung der Gegenstände im Großhandel die Vergünstigung des § 7 Abs. 3 UStG nicht in Anspruch nehmen kann, weil der Auftraggeber etwas anderes erworben hat als das, was er weiterverkauft (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V 88/43 vom 31. Oktober 1944, RStBl 1945 S. 68, Slg. Bd. 54 S. 143). In dem zuletzt genannten Fall, der die Beistellung von Kunstleder zur Herstellung von Fahrradsätteln betraf, hatte der Reichsfinanzhof jedoch zutreffend das Kunstleder in Anbetracht seines Wertes und seiner Funktion im gelieferten Gesamtwerk als Hauptstoff beurteilt. In der Regel wird die Steuervergünstigung auch zu versagen sein, wenn der Auftraggeber nur Nebenstoffe beistellt, weil auch solche Nebenstoffe aus dem Leistungsaustausch zwischen Auftraggeber und Hersteller ausscheiden und der Auftraggeber etwas anderes (Gegenstand ohne diese Nebenstoffe) erwirbt als das, was er weiterverkauft und derartige änderungen in der Nämlichkeit des Liefergegenstandes die Anwendung des § 7 Abs. 3 UStG ausschließen. Im Streitfall handelt es sich jedoch um ganz geringfügige Zutaten, die die Wesensart der allein aus Stoffen der Druckerei (Papier, Einband und sonstige Materialien) hergestellten Bücher nicht berühren. Es läßt sich die Anbringung der Titelbilder und des überzugspapiers für den Schutzumschlag an den an sich fertigen Büchern als eine im Buchhandel aus Werbegründen übliche Aufmachung und als eine Art Verpackung ansehen, so daß es wirtschaftlich nicht gerechtfertigt wäre, der Stpfl. allein aus diesem Grund die Großhandelsvergünstigung zu versagen. Denn dies setzte voraus, daß den beigestellten Gegenständen eine selbständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Die Verkehrsauffassung wird Schutzumschläge in der Regel nur als eine Umschließung des Liefergegenstandes ansehen, während es sich bei den Titelbildern um unwesentliche Bilder für ein Schullesebuch handelte. Der Liefergegenstand wird allein wegen seines Inhalts in der körperlichen Erscheinungsform eines Buches erworben; demgegenüber haben die beigestellten Zutaten nur die Funktion, auf dieses Buch aufmerksam zu machen (Titelbild) und es beim Versand vor einer etwaigen Verschmutzung (überzugspapier) zu bewahren. Die Berufung der Rb. auf das Urteil des Reichsfinanzhofs V 206/40 vom 20. Juni 1941 (RStBl 1941 S. 568, Slg. Bd. 50 S. 255) geht fehlt; dort handelte es sich um Schutzumschläge von Büchern, die für Leihbibliotheken bestimmt und für deren Zwecke besonders zurecht gemacht waren. In diesem Fall war eine andere Beurteilung gerechtfertigt.
Hiernach war der Rb. auch in dieser Frage der Erfolg zu versagen. Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 410107 |
BStBl III 1961, 301 |
BFHE 1962, 92 |
BFHE 73, 92 |